Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Flughafenausbau: "Wir wollen, dass die Zahl der Flüge reduziert wird"

Zum dringlichen Antrag von CDU und FDP betreffend "Ausbau des Flughafens Frankfurt war die richtige Entscheidung – Revision hat zu Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geführt"

Zum dringlichen Antrag von CDU und FDP betreffend "Ausbau des Flughafens Frankfurt war die richtige Entscheidung – Revision hat zu Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geführt"


Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

Auch wenn wir schon seit Jahren hier im Parlament über den Flughafenausbau diskutieren, ist dies eine komplizierte Materie, bei der es nicht allen gelingt, sie zu verfolgen und daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Das erleben wir auch in dem Verhalten der Landesregierung. Insofern haben wir nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine neue Debatte darüber, wie es weitergeht. Letztendlich wirft diese Debatte auch ein Schlaglicht darauf, wie diese Landesregierung den gesamten Prozess angelegt hat, und auch darauf, wie sie ihn weiterhin betreiben wird.

Mit der Bestätigung des kurzen Nachtflugverbots von 23 bis 5 Uhr – so viel kann man derzeit auch ohne schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts sagen – ist die Landesregierung mit ihrem Revisionsantrag komplett gescheitert. Es war nämlich ihr erklärtes Ziel, die 17 Nachtflüge durchzusetzen. So sind Sie auch in Leipzig aufgetreten. Das war für jeden erkennbar und nachvollziehbar – so ist der Rechtsvertreter der Landesregierung aufgetreten. Herr Minister, da können Sie heute behaupten, was Sie wollen.

Ohne jegliche Verantwortung gegenüber den Menschen, die unter dem Gedröhne und den Abgasen der Flugzeuge leiden, versucht die Landesregierung weiterhin, Verbesserungen für den Gesundheitsschutz zu verhindern. Ihre Landesregierung hatte immer nur das Ziel, möglichst viele Flüge am Tag und in der Nacht durchzusetzen. Der Gesundheitsschutz ist Ihnen gleichgültig. Die Entwicklungschancen der Kinder unter den Flugschneisen sind Ihnen egal. Dass zu einem halbwegs normalen Leben auch die Nutzung von Gärten, Parkanlagen, Schwimmbädern und Spielplätzen gehört, dafür fehlt der Hessischen Landesregierung jede Sensibilität.

(Beifall bei der LINKEN)

Uns hingegen fehlt jedes Verständnis dafür, dass ein Minister, der gezwungenermaßen seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, zum wiederholten Mal versucht, mit juristischen Spitzfindigkeiten und planrechtlichen Neukonstruktionen die größtmögliche Zahl an Nachtflügen durchzusetzen.

(Unruhe bei der FDP)

Damit meine ich die Flüge zwischen 22 und 23 Uhr und zwischen 5 und 6 Uhr. Das sind auch Nachtflüge. Die Nacht hat acht Stunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herrn Minister Posch geht es um nichts anderes mit seinem überraschenden Vorgehen. Jedes Mal, wenn es um Entscheidungen und Urteile geht, an denen Ministerien und Minister beteiligt sind, hören wir unisono, dass erst die Urteilsbegründungen abgewartet werden und genau geprüft werden muss, um danach zu entscheiden und vor zugehen. Jetzt läuft es erstmals umgekehrt in einem Verfahren.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Jetzt soll eine Entscheidung, eine Planklarstellung, aufgrund einer Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts getroffen werden, weil das Urteil erst im August dieses Jahres vorliegen wird. Mit dieser Planklarstellung will der Minister jede Öffentlichkeitsbeteiligung verhindern. Das ist offensichtlich und ist auch der Zweck. Sie möchten verhindern, dass es zu einer neuen Abwägung kommt, in der all die falschen und zweifelhaften Grundannahmen des Planfeststellungsverfahrens neu diskutiert und neu bewertet werden müssen. Das ist die reale Gefahr, die Sie jetzt zu bekämpfen versuchen.

Es soll verhindert werden, dass die geschönten Berechnungen der gefährlichen Emissionen aus den Flugzeugtriebwerken korrigiert werden. Es soll auch verhindert werden, dass die gegenüber dem Planfeststellungsverfahren viel größere Zahl von Menschen, die von starkem Lärm betroffen sind, in die Abwägung eingeht. Es handelt sich nämlich nicht um 85.000, wie im Planfeststellungsbeschluss festgehalten, sondern, wie wir in der Verhandlung gehört haben, 174.000 Betroffene. Das ist mehr als das Doppelte. Das ist eine Zahl, die letztendlich bei einem Planänderungsverfahren zu Konsequenzen führen müsste.

(Beifall bei der LINKEN)

Minister Posch möchte auch verhindern, dass die geschönten Berechnungen der Lärmwerte zur Sprache kommen. Er möchte verhindern, dass die Tricksereien, die mangelnde Testphase sowie die unzulängliche Begutachtung bei der Inbetriebnahme des Vogelschlagwarnsystems Mivotherm weiter öffentlich zur Schau gestellt werden. Es soll unbedingt verhindert werden, dass das hohe Unfallrisiko durch Vogelschlag an der neuen Landebahn weiter öffentlich diskutiert wird. Es soll auch verhindert werden, dass neue Studien zur Lärmwirkungsforschung in die Abwägungen eingehen müssen, die aufzeigen könnten, wie hoch die gesundheitlichen Risiken durch Fluglärm tatsächlich sind. Vor allen Dingen möchte die Landesregierung verhindern, dass die Anzahl der Flüge in den sogenannten Nachtrandstunden überhaupt zur Debatte gestellt wird. Aus allen genannten Gründen und wegen der öffentlichkeitswirksamen Beteiligungen scheuen Sie das Planergänzungsverfahren wie der Teufel das Weihwasser.

Wir schließen uns Rechtsanwalt Reiner Geulen an, der am 27.04. in der "FAZ" gesagt hat, dass dieses Vorgehen rechtsstaatlich gesehen untragbar sei und als schwerwiegende Missachtung eines Obersten Bundesgerichts und eine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung zu bewerten sei.

So sieht Ihre sogenannte Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Wirklichkeit aus, Herr Dr. Wagner. Mit der Rechtssicherheitsargumentation haben sich nämlich CDU und FDP sowie die Hessische Landesregierung nur lächerlich gemacht. Herr Dr. Wagner, Sie sollten es deshalb besser nicht mehr wiederholen. Das könnte uns zwar recht sein, aber der Schaden, den Sie der Demokratie in den letzten Jahren zugefügt haben, ist immens. Die Menschen haben kein Vertrauen mehr, dass Politik auch ihre Bedürfnisse, ihre Gesundheit und ihre Lebensgrundlagen schützt. Die Menschen mussten erfahren, dass die Politik der Hessischen Landesregierung vor allem im Interesse der Konzerne und der kleinen profitgierigen radikalen Minderheit arbeitet.

Die angebliche Steigerung der Zahl der Arbeitsplätze ist für die Region dabei ein Totschlagargument und Erpressungspotenzial. CDU und FDP und ihre Landesregierung befördern damit Politikverdrossenheit und Radikalisierung in unserer Gesellschaft, die sie an anderer Stelle anprangern und zu ächten versuchen.

Herr Ministerpräsident – die Debatte ist ihm offenbar nicht wichtig genug, denn er ist nicht da –, Sie könnten Ihren alten wie auch Ihren neuen Minister noch zurückpfeifen und dem Ganzen eine neue Richtung geben. Diese Richtung heißt: ergänzendes Planänderungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit, so wie es die Gerichte vorgesehen haben.

Kein Gericht hat gesagt, dass es in den sogenannten Nachtrandstunden 133 Flüge im Durchschnitt des Jahres sein müssen. Die Behörde, nicht das Gericht, hat es in der Hand, durch ein Planergänzungsverfahren diese 133 Nachtflüge gegen null zu bringen. Das ist und bleibt nach wie vor unser politisches Ziel.

(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das ist einfach falsch! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist schlicht und ergreifend falsch!)

Kommen wir zu den Anträgen von SPD und GRÜNEN.

Vom Antrag der CDU und FDP will ich an dieser Stelle überhaupt nicht reden, der ist in dieser Frage indiskutabel. DIE LINKE wird die Anträge von SPD und den GRÜNEN unterstützen, weil sie viele, auch von uns schon mehrfach vorgetragene, richtige und wichtige Forderungen enthalten. Wir unterstützen sie aber auch, weil Papier geduldig ist. Bei den gegebenen Machtverhältnissen ist es einigermaßen gleichgültig, welche Anträge die Opposition in das Parlament einbringt.

Als Simulation künftigen Regierungshandelns von SPD und GRÜNEN würden wir den Anträgen aber so nicht zustimmen. In ihren Vorschlägen verbleiben SPD und GRÜNE im Rahmen des Mediationsergebnisses. Die GRÜNEN setzen sich mit ihrem Vorschlag einer Lärmschlichtung für eine Neuauflage des Mediationsverfahrens ein.

Die Mediation war schon unter der SPD-Regierung alles andere als transparent. Im Gegensatz zu den GRÜNEN glauben wir auch nicht, dass mit der aktuellen Regierung eine transparente Schlichtung auf Augenhöhe mit allen Beteiligten überhaupt möglich sein wird.

Vizepräsident Lothar Quanz: Herr Schaus, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – SPD und GRÜNE verleugnen, dass das Mediationsverfahren von Anfang an zur Akzeptanzbeschaffung für den Flughafenausbau diente. Das ist nicht unsere Position.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir wollen, dass die Zahl der Flüge reduziert wird. Wir bleiben bei der Forderung der Bürgerinitiativen, nämlich die Reduzierung auf 380.000. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP) – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))