Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Fluglärmbelastung: "Wir lehnen den Flughafenausbau ab"

Hermann Schaus

Zum Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend wachsende Fluglärmbelastung im Rhein-Main-Gebiet

 

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend wachsende Fluglärmbelastung im Rhein-Main-Gebiet:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

um es gleich am Anfang zu sagen: Wir lehnen weiterhin den Bau einer neuen Landebahn am Frankfurter Flughafen ab, verschließen uns im Gegensatz zur Hessischen Landesregierung aber keinen Lösungen, die zur Verringerung der Lärmbelastung der Anrainer beitragen.

An erster Stelle steht für uns, das versprochene Nachtflugverbot umzusetzen. Die Gesundheit der Menschen muss geschützt werden und dazu braucht es eine Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr.

Für viele Menschen wirft die jetzt im Oktober in Betrieb gehende Landebahn ihrer Schatten bereits voraus. Wie Kollege Kaufmann es schon dargelegt hat, ist die Neuordnung des Luftraumes eine Folge des Flughafenausbaus. Die sogenannte Spreizung der Gegenanflugrouten konfrontiert mehr Menschen mit der Geißel Fluglärms als früher.

Unter dem Begriff der „Demokratisierung des Fluglärms" ist dies angestrebt. Weder den Begriff, noch das Ergebnis halten wir aber für zufriedenstellend.

Der Begriff der Demokratisierung ist positiv besetzt, verspricht er doch mehr Teilhabe an etwas, bzw. mehr Menschen Mitspracherecht bei Entscheidungsfindungen zu geben. Mehr Teilhabe an einer Umweltverschmutzung die keiner haben möchte als Demokratisierung zu bezeichnen ist aber grober Unfug.

Man muss nicht jede begriffliche Neuschöpfung mittragen, zumal wenn sie in schönfärberischer Absicht versucht positive Momente zu zeugen, welche von den Betroffenen nur als Katastrophe empfunden werden.

Mit der gleichen Logik hätte man die größere Verteilung des Sauren Regens aus der Deutschen Montanindustrie durch die Hohe-Schornstein-Politik in den 1970 als Demokratisierung bezeichnen können. Die Schweden, Norweger und Finnen, deren Seen aufgrund der Deutschen Immissionen versauerten, hätten gerne auf diese Art der Beteiligung verzichtet.

Der einzige demokratische Umgang mit Umweltproblemen ist sie zu reduzieren oder sie zu beseitigen, nicht aber ihre Verteilung.

Das genau passiert aber bei der Neuordnung des Luftraums über dem Frankfurter Flughafen. Mehr Starts und Landungen bringen mehr Fluglärm, der auch durch seine größere Verteilung nicht erträglicher wird.

Das müsste aber nicht so sein.

Ein neues An- und Abflugsystem kann auf die maximale Zahl der Flugbewegungen hin optimiert werden. Es kann aber auch - ohne Sicherheitseinbußen - auf die Verminderung der Lärmbelastung für die Anrainer hin optimiert werden.

Die landenden Flugzeuge möglichst lange in größeren Höhen zu halten und dann das geräuschärmere Sinkflug-Verfahren für den Landeanflug einzusetzen. Das würde in der Summe weniger Lärm am Boden bedeuten.

Bei dem Flughafen London-Heathrow wird das praktiziert. Die Endanflüge dort sind rund 25 Kilometer kürzer als in Frankfurt. In Frankfurt schwenken die Flugzeuge im Endanflug bereits in 50 Kilometer Entfernung auf eine relativ niedrige Höhe ein. Daher sind sie im osthessischen Gelnhausen oder im rheinhessischen Bad Kreuznach nur noch 1150 Meter über dem Boden. Das müsste so nicht sein, auch in Frankfurt ist das Sinkflug-Verfahren möglich.

Wenn für die Deutsche Flugsicherung nicht wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund stehen würden, könnten diese lauten Horizontalanflüge unter Schub vermieden werden.

Zum einem geht es um die wirtschaftlichen Interessen der Fraport AG: Eine Lärmoptimierung der Anflugrouten verringert die Zahl der maximal möglichen Starts und Landungen. Das ist für die Fraport bares Geld.

Zum zweiten geht es um die wirtschaftlichen Interessen der Deutschen Flugsicherung: Die Einführung und der Betrieb des Sinkflug-Verfahrens ist für die Flugsicherung mit mehr Aufwand, z.B. mehr Fluglotsen verbunden. Hier rächen sich die privatwirtschaftlichen Knebel, die der Deutschen Flugsicherung GmbH vom Bund angelegt wurden.

Das Personal bei der Deutschen Flugsicherung aufzustocken, um damit eine spürbare Lärmreduktion für Tausende von Menschen zu erreichen, halte ich für eine sehr gewinnbringende Investition.

Sicher löst dieses Anflugverfahren nur einige Probleme im Zusammenhang des immer stärker werdenden Flugverkehrs. Aber es könnte einen Beitrag zur Lärmminderung leisten.

An dieser Stelle möchte ich nochmals auf den Begriff der Demokratisierung zurück kommen. Hätten die betroffenen Menschen ein wirkliches Mitspracherecht, würden sich lärmreduzierende Lösungen gegenüber profitoptimierenden Lösung durchsetzen. Das tun sie aber nicht.

Die Entscheidungen werden zwischen der Fraport, der Deutschen Flugsicherung und der BARIG (der Vertretung der Fluggesellschaften) getroffen und vom Luftfahrtbundesamt abgenommen.

Die - bei der Frage der demokratischen Mitbestimmung - immer genannte Fluglärmkommission hat in diesem Entscheidungsdreieck nur beratende Funktion. Zudem sind in der Fluglärmkommission alle genannten Entscheidungsträger nochmals selbst vertreten und steuern darüber ihre eigene Beratung.

Auch die Stadt Frankfurt spielt in der Fluglärmkommission eine unrühmliche Rolle. Von der größten der von Fluglärm betroffenen Kommunen gingen keine Initiativen aus. Das haben die Grünen in Frankfurt zu verantworten. Für ihre Magistratsbeteiligung haben sie Initiativen verhindert, Stellungnahmen weichgespült, sie bis nach Fristablauf verschleppt und sich dem flughafenfreundlichen Kurs der CDU untergeordnet.

Auch Vertreter der Genehmigungsbehörde – das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) – sitzt mit in der Fluglärmkommission. Wenn Staatsminister Posch, als Leiter des Wirtschaftsministeriums, Lärmschutz ein Anliegen wäre, könnte er die Flugaufsicht anweisen, die Flugrouten auf die Lärmreduktion hin nochmals zu überarbeiten.

Das macht er aber nicht – obwohl er von kommunalen Vertretern aus der Fluglärmkommission dazu aufgefordert wurde.

Lärmminderung darf nicht systematisch hinter den ökonomischen Interessen der Flughafenbetreiber und der Fluglinien zurückstehen. Deshalb begrüßen wir die Idee Lärmminderung als weiteres Aufgabenfeld der Flugsicherung, gesetzlich festzuschreiben. Sich für eine solche Gesetzesänderung einzusetzen, anstelle die Aushebelung der Nachtruhe zu betreiben, erwarten die Menschen in der Region von der Politik.

Stattdessen singt Minister Posch weiter das Hohelied der wirtschaftlichen Bedeutung des Flugplatzes für die Region. Das möchte ja auch keiner in Abrede stellen, doch muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass Profite und Lasten durch den Frankfurter Flughafen sehr ungleich verteilt sind. Daran kann man Defizite in der Demokratie erkennen.

Nicht genug, dass Staatsminister Dieter Posch gegen das Nachtflugverbot klagt. Anstelle sich für die Lärmreduktion der geplagten Flughafenanrainer einzusetzen und darauf hinzuwirken jede Möglichkeit der Lärmreduktion im Flugverkehr zu nutzen, macht er jetzt auch noch Werbung für Frachtflüge in der Nacht, wie bei der Veranstaltung der Initiative "Die Fracht braucht die Nacht".

Absurder geht es nicht mehr:

Meine Damen und Herren, die negativen Folgen des Flughafenausbaus werden uns noch lange beschäftigen. Die Grenze der Lärmbelastung ist für viele Menschen bereits seit Jahren überschritten. Wir müssen in absehbarer Zeit zu einer Reduktion des Fluglärms kommen. Dabei dürfen wir nicht nur auf technische und logistische Innovationen setzen. Auch die Reduktion des Flugverkehrs muss ein Thema sein.

Deshalb gehören fast alle innerdeutsche Flüge auf die Schiene.

Der Flugverkehr ins nahe Europäische Ausland muss ebenfalls auf die Schiene verlagert werden, so wie dies Air France für die Verbindung Paris-Frankfurt und Paris-Brüssel bereits anbietet.

Der Flugverkehr muss in den CO2-Zertifikatehandel einbezogen werden – das ist in Planung – darüber hinaus fordern wir eine deutlich erhöhte Flughafenbenutzungsgebühr für laute Flugzeuge.

Die Konkurrenz um Größe und Bedeutung schafft Überkapazitäten und erhöht die Zahl der klimaschädlichen und lauten Flugkilometer. Deshalb muss das auf Konkurrenz begründete Verhältnis der Flughäfen zugunsten eines kooperativen aufgegeben werden.

Das sind Lösungsansätze, die helfen können, die Belastung der Bevölkerung durch den Flughafen zu verringern und wirtschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung tragen.