Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Fußball-EM in der Ukraine: "Menschenrechtsverletzungen anprangern"

Zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend die Aktuelle Stunde "Fußball-EM in der Ukraine: Hessen sagt Ja zum Sport und Nein zu Menschenrechtsverletzungen"

Zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend die Aktuelle Stunde "Fußball-EM in der Ukraine: Hessen sagt Ja zum Sport und Nein zu Menschenrechtsverletzungen"


Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Am 8. Juni beginnt in Warschau die Fußballeuropameisterschaft. Viele Menschen freuen sich auf das gemeinsame Sportfest in Polen und der Ukraine, auf Public Viewing, die Biergärten, auf tolle Tore, und sie fiebern den Auftritten ihrer Mannschaften entgegen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass diese Debatte heute stattfindet und dass wir eine breite Übereinstimmung haben bei der Beurteilung der Menschenrechtslage in der Ukraine. Gott sei Dank findet diese Debatte statt; denn es ist gut, wenn die schönste Nebensache der Welt genutzt wird, um sich auch mit der unschönen Hauptsache der Welt, der Politik in den einzelnen Ländern, auseinanderzusetzen.

Herr Dr. Müller hat schon darauf hingewiesen, und ich möchte es in einen weiteren Zusammenhang stellen. Da gibt es die Formel 1 in Bahrain. Da hätte ich mir auch gewünscht, dass man nicht nur fröhlich im Kreis herumfährt, sondern auch eine Meinung zu den Zuständen im Land äußert. Ich wünsche es mir auch von Gerhard Schröder, wenn er im Kreml beim "lupenreinen Demokraten" Putin strammsteht, während draußen die Leute verprügelt werden. Auch das gehört zur Diskussion hinzu.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Holger Bellino (CDU))

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir auch von Frau Merkel, dass sie mit der KP China nicht nur Wirtschaftsverträge verhandelt, sondern dort auch Dissidenten besucht. Ich wünsche mir von ihr auch, dass sie gegenüber dem US-Präsidenten Obama für das Ende amerikanischer Foltergefängnisse eintritt. All das sind Menschenrechtsverletzungen, und es ist notwendig, sie in der Diskussion zu halten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Überall, wo die Menschenrechte, die Meinungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit bedroht oder gar verletzt werden, sollten wir nicht schweigen. Besser noch, wir sollten uns engagieren, um wenigstens etwas zu verbessern.

(Holger Bellino (CDU): Das gilt auch für Kuba oder für Venezuela!)

– Das gilt auch für Kuba, Herr Bellino. Das gilt für alle Länder auf der Erde, wo Menschenrechtsverletzungen vorliegen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das muss jetzt wirklich nicht sein!)

– Herr Bellino, klarer kann ich wirklich nicht ausdrücken, was unsere Position ist, auch wenn Sie das immer wieder herumzudrehen versuchen.

Die Ukraine bietet an sich schon genug Anlass hierzu, und die inhaftierte Julija Timoschenko sowie einige Begleitumstände der EM sind sehr konkrete Anlässe, in die Debatte um Menschenrechte in Europa – richtig und wichtig – einzugreifen. Aber man sollte es eben früher und ehrlicher anpacken, Herr Bellino, und nicht nur situationsbezogen, wie Sie es tun.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dann mögen die Motive noch so gerecht sein; ich halte es für politische Augenwischerei, wenn man nun einen Monat vor Beginn der Spiele so tut, als wäre ein Boykott überhaupt möglich.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

– Herr Bellino, wenn Sie unsere Zustimmung nicht ertragen können, dann gehen Sie wenigstens hinaus, oder seien Sie ruhig. Ich würde Sie herzlich darum bitten.

(Tarek Al-Wazir und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hört doch auf! In einem einzigen Punkt heute waren wir uns einmal einig!)

– Das hält er nicht aus.

Vizepräsidentin Ursula Hammann: Bitte ein wenig mehr Ruhe. Hören Sie dem Redner zu.

Hermann Schaus (DIE LINKE):

Erstens besteht bei einem Boykott die große Gefahr, dass man eher die Solidarität der Ukrainer mit dem herrschenden Regime fördert und freiheitlich gesinnten Menschen die Tür zum Dialog verschließt. Viel wichtiger ist, die Menschenrechtsverletzungen, welche in der Ukraine übrigens nicht nur an der inhaftierten Ex-Regierungschefin Timoschenko begangen werden, anzuprangern und über die Spiele und Begegnungen für ein offenes, freies und gleiches Miteinander in der Ukraine offensiv und überall einzutreten.

Meine Damen und Herren, eine gute Fankultur könnte übrigens auch in Polen einiges ändern. Zum Beispiel ist die dortige diskriminierende Homophobie im Fußball ein unerträglicher Anachronismus. Den sollten wir zu ändern versuchen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Lassen Sie mich das zum Schluss sagen: Ich möchte an dieser Stelle die großen Veranstalter und die Sportverbände wie auch deren Fans weltweit auffordern, einmal über die Kriterien für Austragungsstätten nachzudenken. Wem nützt der Grand Prix in Baku mehr als dem dortigen brutalen Regime? Warum muss eine Fußballweltmeisterschaft unbedingt unter Umständen massiver Korruption an einen Wüstenstaat verschachert werden? All das sind Fragen, denen wir uns in diesem Zusammenhang stellen sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN