Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Glücksspielstaatsvertrag: "Suche nach Wegen aus dem Chaos"

Hermann Schaus

Zur Aktuellen Stunde der FDP-Fraktion betreffend "Hessen Lotto braucht ein solides Fundament – Glücksspielstaatsvertrag europafest machen"

Zur Aktuellen Stunde der FDP-Fraktion betreffend "Hessen Lotto braucht ein solides Fundament – Glücksspielstaatsvertrag europafest machen":

 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

eigentlich müsste die Überschrift dieser aktuellen Stunde lauten: "Glücksspielstaatsvertrag – Suche nach Auswegen aus dem Chaos". Denn betrachtet man die gegenwärtige Situation der staatlichen Verbote und Erlaubnisse zum Thema Glücksspiel, dann kommt man aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Wer z. B. auf Pferderennen wetten will, kann dies legal tun. Versucht er es dagegen mit Wetten auf Hunderennen, begibt er sich schon in den Bereich der Illegalität.

Nach dem bestehenden Glücksspielstaatsvertrag sind Wetten auf sportliche Ereignisse, wie Fußball-Bundesligaspiele, nur im Rahmen der staatlichen Wette Oddset möglich. Diese weiter aufrecht zu erhalten, was wünschenswert wäre, verstößt aber gegen europäisches Wettbewerbsrecht.

Die bisherigen Argumente für den Glückspielstaatsvertrag - Suchtprävention und Jugendschutz – reichen aber der EU nicht aus und stimmen auch nur bedingt, wenn man Spielsucht-Statistiken liest. 69% der pathologischen Spieler leben Ihre Spielsucht an Glückspielautomaten aus - die sind aber vom Staatsvertrag ausgenommen.

Auf Platz 2 folgen mit 11,4% die Automaten in den Casinos als Hauptursache für das Suchtverhalten, und Lotto "6 aus 49" belegt mit gerade mal 0,5% lediglich Platz 8 der Statistik (Becker, T.: "Glücksspielsucht in Deutschland", Frankfurt 2009).

Seit 2005 ist die Zahl der Spielautomaten in Deutschland aber um ein Viertel gestiegen. Der Umsatz liegt jetzt bei 3,4 Mrd. Euro im Jahr (Freitag vom 17.2.11). Gleichwohl wurde im bestehenden Staatsvertrag vereinbart, die Lottoannahmestellen zu reduzieren, was in Niedersachsen auch schon geschehen ist, mit dem absurden Ergebnis, dass die Betreiber kleiner Geschäfte, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Süßigkeiten, Tabakwaren und Zeitungen verdienen, auf das Zusatzgeschäft Toto und Lotto verzichten mussten und dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten. Ist aber die Rentnerin, die wöchentlich ihren Lottoschein ausfüllt, spielsüchtig?

Das Ganze wird noch absurder, wenn man einen Blick darauf wirft, was im Internet stattfindet. Alles, was nach dem Glücksspielstaatsvertrag nämlich verboten ist, findet im Internet sanktionslos statt, weil die Internetanbieter im Ausland sitzen. Für diese Spiele nimmt der Staat nicht einmal Steuern ein.

Zu den Inkonsequenzen der gegenwärtigen Regelung gehört auch, dass das Wetten auf zukünftige Ereignisse, soweit es sich auf die Entwicklung der Börsenkurse bezieht, durch keinen Staatsvertrag und durch kein Gesetz erfasst wird. Dabei findet dieses tagtäglich durch so genannte Derivate statt. Dass in diesem Bereich die abgeschlossenen Wetten auf zukünftige Kurse sogar volkswirtschaftlich zu erheblichen Instabilitäten führen, wurde in den jüngsten Finanzkrisen hinlänglich deutlich.

Der Europäische Gerichtshof hat nun mit seinen aktuellen Entscheidungen auch an einem Teil dieser Widersprüchlichkeiten eingehakt, was zur Folge hat, dass der Glücksspielstaatsvertrag in der bestehenden Form nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Gleichzeitig will Schleswig-Holstein eine weitergehende Marktöffnung für private Wettanbieter.

Um aus dem gegenwärtigen Dilemma herauszukommen, müssen Lösungen, die sich am Gemeinwohl orientieren, gefunden werden und die Spielsucht bekämpfen, konsequent angegangen werden.

In die entgegengesetzte Richtung will die FDP. Sie will den Bereich weiter liberalisieren und damit privaten Glücksspielanbietern und der Automatenwirtschaft den Zugang zum Markt weit eröffnen.

Wir hingegen setzen uns dafür ein, dass das geltende Monopol für Toto und Lotto weiter aufrecht erhalten bleibt. Dies ist wichtig, weil zahlreiche soziale Projekte und zum Beispiel auch der Breitensport aus Lottomitteln gefördert werden. Würde man in diesem Bereich eine private Konkurrenz zulassen, würde sich der Lottoumsatz noch weiter verringern und damit auch die Anteile für die sozialen Einrichtungen. Daran können wir kein Interesse haben!

Wir brauchen deshalb auch neue Regelungen im hessischen Glücksspielgesetz, die den Sport- und Jugendverbänden, wie den sozialen und kulturellen Einrichtungen langfristig finanzielle Sicherheit bieten. Notfalls muss hier das Land Hessen, wie bei der Feuerwehr, eine Garantiesumme bereitstellen.