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Rede

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz: Lebensmittelüberwachung in Hessen muss neu organisiert werden

Heidemarie Scheuch-PaschkewitzLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 104. Plenarsitzung am 12. Mai 2022 diskutierte der Hessische Landtag zu den nicht enden wollenden Mängeln in der Lebensmittelüberwachung. Dazu die Rede unserer verbraucherschutzpolitischen Sprecherin Heide Scheuch-Paschkewitz.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Jetzt wird es unappetitlich und gesundheitsgefährdend: Listerien in Wurst und auf Gurken, Dioxine und PCB in Bio-Eiern, Salmonellenbefall und schwere Hygienemängel in lebensmittelverarbeitenden Betrieben, die über Jahre nicht kontrolliert wurden, falsche Einstufungen in Risikoklassen, mangelnde Transparenz sowie fehlende Informationen.

Die Liste der Lebensmittelskandale wird immer länger, und das Versagen der Behörden in Hessen wird immer gravierender.

Verantwortlich dafür sind nicht nur „schwarze Schafe“ in der Branche, sondern auch ein Fehler im System. Eine kommunal organisierte Lebensmittelüberwachung ist der Realität der Lebensmittelproduktion im 21. Jahrhundert längst nicht mehr gewachsen.

Das stellt der Verbraucherzentrale Bundesverband fest. – Hinzu kommt eine Ministerin, die nicht in der Lage oder willens ist, das Kontrolldesaster in den Griff zu bekommen und die Strukturen zu verbessern.

Wir möchten die Lebensmittelüberwachung in Hessen deshalb grundlegend neu aufstellen. Wir schlagen die Gründung einer unabhängigen Landesanstalt für Lebensmittelüberwachung mit regionalen Außenstellen vor. Die Kommunalisierung der Lebensmittelkontrolle unter der Regierung Koch war ein großer Fehler. Expertise, Zuständigkeiten und Kompetenzen im Bereich Lebensmittelüberwachung müssen wieder auf der Landesebene zusammengeführt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Vier Hauptgründe möchte ich dafür nennen:

Erstens. Eine kommunal organisierte Lebensmittelüberwachung kann bei überregional und international arbeitenden Betrieben nicht mehr mithalten. Die dazu nötigen Kompetenzen jeweils lokal aufzubauen, ist fast unmöglich.

Zweitens. Das Prinzip, den Kreisen und Kommunen pauschale Mittel für die Überwachung zur Verfügung zu stellen, hat zu großen Kontrolllücken geführt. Das zeigt: Nicht alle können mit diesem System umgehen.

Drittens. Eine große Nähe zu heimischen Betrieben, die ja auch Arbeitgeber und Versorger sind, kann zu Interessenkonflikten führen – siehe Wilke.

Viertens. Die Fachaufsicht hat versagt. Folglich brauchen wir eine unabhängige Behörde.

Dass es mehr als die vorgeschriebenen Mindestkontrollen und zentrale Kontrolleinrichtungen braucht, das waren die Lehren aus dem Wilke-Skandal. Drei Jahre nach dem Wilke-Skandal wird die Zahl der Mindestkontrollen in Hessen noch immer nicht erreicht. Damals hat sich die Ministerin mehr Weisungsbefugnisse beschafft. Wie wir im Ausschuss erfragt haben, hat sie diese aber nicht eingesetzt, um die Kontrolllücken zu schließen. Das nenne ich einen eklatanten Führungsfehler.

(Beifall DIE LINKE)

Aber keine Spur von Fehlerkultur: Die Ministerin sieht die Schuld wieder ausschließlich bei den Kreisen, und das ist beschämend. Schlimmer noch: Frau Hinz hat trotz der großen Kritik im Bundesrat sogar für eine Senkung der Zahl der Regelkontrollen gestimmt. Aber ohne Regelkontrollen fallen Problembetriebe, die häufiger kontrolliert werden müssten, erst gar nicht auf.

Das geht so nicht. Das sind Führungsfehler, und das Maß an Verfehlungen ist voll. Sie wissen doch gar nicht, was in den Kreisen passiert. In ihrem Antrag schreiben die Regierungsfraktionen, dass es einen deutlichen Personalzuwachs gegeben habe. Wir haben in der Ausschusssitzung vor zwei Wochen nachgefragt – Sie waren doch dabei –: Es sind zwar mehr Stellen bewilligt worden, aber die Ministerin konnte nicht sagen, ob diese auch besetzt worden sind; dazu liegen ihr keine Zahlen vor. – So lautete die Antwort.

Der berechtigten Forderung des Landesrechnungshofs nach einer Personalbedarfsberechnung hat Frau Hinz wortreich eine Absage erteilt.

(Widerspruch Ministerin Priska Hinz)

Was ist los? Wollen Sie nicht? Können Sie nicht? Das kann nicht so weitergehen. Sie bekommen die Missstände nicht in den Griff, weigern sich, Defiziten auf den Grund zu gehen, sorgen sogar selbst für weniger Kontrollen.

(Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Schluss daraus: Die Lebensmittelkontrolle muss in einer eigenen Landesanstalt neu geordnet werden. Unser Antrag orientiert sich an den Empfehlungen des Verbraucherzentrale Bundesverbands und von Foodwatch. Ich kann Ihnen deren Lektüre nur ans Herz legen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Man muss aber schon die Wahrheit sagen! – Weitere Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)