Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz zum Wolf in Hessen

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar diskutierte der Hessische Landtag zum Wolfsvorkommen in Hessen. Dazu die Rede unserer landwirtschafts- und tierschutzpolitischen Sprecherin Heidemarie Scheuch-Paschkewitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren, liebe Gäste!

Der Titel dieser Aktuellen Stunde suggeriert eine Kausalität, einen Zusammenhang, die bzw. der so nicht existiert.

Erstens „erobert“ der Wolf Hessen nicht, sondern er siedelt sich nach seiner Ausrottung wieder an.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens trägt die Bedrohungsrhetorik nicht zur Versachlichung der Debatte bei. Drittens sehe ich keine Bedrohung der Lage der Landbevölkerung – auch ich lebe auf dem Land –, und ich sehe nicht, dass diese im Stich gelassen wird.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe Freie Demokraten)

Der Wolf stellt für den Menschen keine Bedrohung dar. Selbstverständlich kann es zu Sorgen und Bedenken in der Bevölkerung kommen. Die Mär vom bösen Wolf ist bei vielen seit der Kindheit in den Köpfen gespeichert. Gegen unbegründete Sorgen und Bedenken in der Bevölkerung helfen Aufklärungskampagnen.

Der Antrag der FDP, in und um Alheim 100 Warnschilder als Warnung vor dem Wolf aufzuhängen – ich wusste nicht, dass der Wolf lesen kann –,

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE) bewirkt hingegen genau das Gegenteil. Sie schüren die Angst vor dem Wolf, weil die Angst Ihnen vielleicht bei Ihrem Wunsch nach einer Bejagung in die Hände spielt.

(Wiebke Knell (Freie Demokraten): Das ist doch Quatsch!)

Ich sage dazu: Sie instrumentalisieren die Ängste und Sorgen der Weidetierhalterinnen und -tierhalter.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe Freie Demokraten)

Klar ist: Schaf- und Ziegenhalterinnen und -halter brauchen Unterstützung. Die brauchten sie aber schon, bevor sich der Wolf hier angesiedelt hat, und zwar aus vielfältigen Gründen; denn sie gehören zu den Verlierern einer verfehlten EU-Politik, die auf Massenproduktion und Export ausgerichtet ist. Die finanzielle Notlage ist für die Halterinnen und Halter eine echte Bedrohung. Nun gibt es zum Glück auch in Hessen endlich eine Weidetierprämie, wobei fraglich ist, ob diese ausreichend ist. Auch wir sehen, dass die Sorgen der hessischen Weidetierhalterinnen und -halter vor Wolfsübergriffen wächst und Schutzmaßnahmen teuer und aufwendig sind. Wir wollen, dass bei Übergriffen auf Nutztiere in Wolfssiedlungsgebieten für die Auszahlung von Entschädigungen eine Beweislastumkehr greift und eine Entschädigung auch dann gezahlt wird, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Wolf das Tier getötet hat. Außerdem müssen weitere Folgen, wie z. B. Fehlgeburten aufgrund des Stresses in der Herde, ausgeglichen werden.

Zugleich muss ich aber in Richtung der Weidetierhalterinnen und -halter sagen, dass wir uns eine Versachlichung der Debatte wünschen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Anfang letzten Jahres wurde die Zahl der Wolfsrisse der Zahl der sogenannten Falltiere gegenübergestellt. Jährlich sterben rund 15.000 Tiere – von 180.000 Weidetieren – als sogenannte Falltiere, z. B. durch eine unsachgemäße Fütterung durch Spaziergängerinnen und Spaziergänger. Da fällt die maximal zweistellige Zahl an Wolfsrissen nicht wirklich ins Gewicht – es sei denn, es betrifft das Pony von Frau von der Leyen. Aber jedes verwundete oder getötete Tier muss den Halterinnen und Haltern finanziell ausreichend ersetzt werden. Das gilt ebenso für die Kosten vorbeugender Maßnahmen, wie höhere Zäune oder die Ausbildung bzw. Anschaffung von Herdenschutztieren.

(Beifall DIE LINKE – Wiebke Knell (Freie Demokraten): Das bringt doch überhaupt nichts!)