Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

HGO/HKO: "CDU und FDP haben ihren Weg zur LINKEN gefunden"

Hermann Schaus

Zum Gesetzentwurf von CDU/FDP zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO)/Hessischen Kreisordnung (HKO)

 

Zum Gesetzentwurf von CDU und FDP zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO)/Hessischen Kreisordnung (HKO):

 

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Regierungsfraktionen CDU und FDP legen uns heute einen Gesetzentwurf zur Hessischen Gemeinde- und zur Landkreisordnung vor, der uns in einigen Punkten sehr – und das möchte ich ausdrücklich betonen - sehr positiv überrascht hat.

Sehr geehrter Herr Beuth! Sie haben, als wir unsere HGO und HKO Novelle im November vergangenen Jahres hier vorgestellt haben, wortwörtlich gesagt - ich zitiere aus dem Plenarprotokoll vom 18. November 2010:

"Von dem, was Sie vorschlagen, werden wahrscheinlich die Städte, Gemeinden und Landkreise in diesem Land keinen einzigen Vorschlag übernehmen."

Herr Beuth, es freut mich wirklich sehr, dass Sie während des von Innenminister Rhein in der gleichen Debatte angesprochen "umfassenden Evaluierungsprozess" offensichtlich ein hohes Maß an Lernbereitschaft an den Tag gelegt haben und gleich mehrere Punkte unserer Gesetzesentwürfe in Ihren Entwurf übernommen haben. Dies hätte ich in der Tat nach ihrer damaligen Wahlkampfrede so nicht erwartet!

Und Sie sind begrenzt lernbereit geblieben, das muss ich Ihnen schon lassen. Gleiches Protokoll ich zitiere erneut:

"Sie biedern sich mit dem Absenken der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden dem aktuellen Protest an. Auch hier werden wir Ihnen nicht nachgeben."

Herr Beuth, Sie haben nicht bloß nachgegeben, sondern Sie haben ganz konsequent unsere weitgehenden Forderungen sogar noch übertroffen.

Ich hoffe ich muss mir deshalb keine Sorgen um Ihre Funktion als CDU-Generalsekretär machen?

Sie haben uns seinerzeit ferner vorgeworfen, wir wollten die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Gemeinden wieder ausbauen. Von "planwirtschaftlichem Ansatz" haben Sie gesprochen, Herr Beuth! Und was lese ich da in Ihrem Entwurf?

§126a, in dem Sie eine "Rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts" einrichten wollen. Sie können es mir glauben, dass es mich ungemein freut, dass sie unsere §§122a und 122b  offenbar ganz genau studiert haben. Ihre "rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts" kommt uns nämlich sehr bekannt vor.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass CDU und FDP die Notwendigkeit der Öffnung von Handlungsspielräumen zur wirtschaftlichen Betätigung für Kommunen endlich erkannt haben.

Ihr Gesetzentwurf stellt in einigen Punkten vor allem für die CDU tatsächlich einen Quantensprung dar. Sie entdecken das Internet als Kommunikationsmittel für die Kommunen, Sie erkennen, dass Menschen auch auf kommunaler Ebene direkt mitgestalten wollen und schließlich erkennen auch Sie endlich sogar, dass privat eben nicht immer besser ist als Staat.

Nichts desto trotz ist dieser Sprung zu kurz geraten. Nehmen wir zum Beispiel einmal das Thema "Mehr Demokratie in den Kommunen" - wobei man hier nur von Gemeinden sprechen kann, denn für Landkreise haben Sie direkte demokratische Elemente ja ohnehin nicht vorgesehen.

Die von ihnen geplante Absenkung der Quoren ist ja nur ein Punkt, der andere wäre es gewesen, eine Erhöhung der Zahl der Instrumente so wie wir sie in unseren Gesetzentwürfen vorgesehen und andere Bundesländer sie bereits installiert haben vorzunehmen.

Ihre Regelung stellt also keine Ausweitung demokratischer Elemente auf kommunaler Ebene dar, im Gegenteil durch die Einschränkung des Themenkatalogs in §8b Abs. 2 schränken Sie den kleinen Gewinn, den Sie durch die Senkung der Quoren erreicht haben, sofort wieder ein.

Großspurig kündigen Sie an, die Position des Vorsitzenden der Gemeindevertretung stärken zu wollen. Heraus kommt in ihrem Entwurf dann allerdings nur eine stärkere Betonung einer Repräsentationsfunktion.

Wenn Sie sich wirklich um ein Erstarken von Demokratie in den Gemeindevertretungen hätten kümmern wollen, dann wären Sie besser einmal auf unsere Informations- und Transparenzregelungen eingegangen. Hier hätte sich Ihnen viel Spielraum geboten, tatsächlich etwas positiv und wirklich sinnvoll zu verändern.

Ebenso widersprüchlich wie bei §8b verfahren Sie bei Ihrem offenkundigen kommunalen Lieblingsthema, dem Zusammenschluss von Gemeinden. Zunächst betonen Sie die Freiwilligkeit der Vereinbarungen und fügen sogar hier die Möglichkeit von Bürgerentscheiden ein. Gleichzeitig halten Sie aber an der bestehenden Regel des Zwangs zum Zusammenschluss von Gemeinden durch Gesetz fest.

Demokratie ist in Ihren Augen offenbar nur dann gegeben, wenn das Ergebnis ganz in Ihrem Sinne ist. Folgt man Ihnen nicht, muss man die Menschen vor Ort eben dazu zwingen.

Ich möchte auch noch ein paar Worte über die wirtschaftlichen Aspekte ihres Entwurfes verlieren.

Wie bereits erwähnt begrüßen wir die Ausweitung kommunaler Wirtschaftstätigkeit. Was wir jedoch ausdrücklich nicht begrüßen und politisch auf das äußerste bekämpfen werden, ist die Einführung der Genehmigungspflicht der Kassenkredite.

Über Jahre hinweg haben die hessischen Landesregierungen – ebenso wie alle Bundesregierungen in den letzten beiden Jahrzehnten - die kommunalen Kassen nachhaltig entreichert. Sie alle haben doch gerade dafür gesorgt, dass fast alle Gemeinden die Kassenkredite nicht nur als Überbrückung, sondern als überlebenswichtige Einnahmequelle nutzen müssen. Ihre neue Regelung wird nicht verhindern, dass die Kommunen weiterhin ihre Ausgaben über Kassenkredite finanzieren müssen, solange sie deren Finanzsituation nicht erheblich verbessern.

Aber es geht Ihnen ja auch überhaupt nicht um die Entschuldung der Gemeinden. Die Kassenkredite werden weiter laufen. Ihnen geht es einzig und allein darum den Gemeinden weitere Kürzungen, Zusammenschlüsse sowie Steuer- und Abgabeerhöhungen aufzuladen.

Die Genehmigungspflicht von Kassenkrediten sowie der Zwang zur Doppik und dem damit verbundenen Streichen der Wahlmöglichkeit der Haushaltswirtschaft sind schwerwiegende Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung. Sie wollen damit die Kommunen über die Kommunalaufsicht bloß weiter gängeln und reglementieren. Dies lehnen wir ab.

Meine Damen und Herren von der CDU und FDP, die Gesetzentwürfe zur HGO und HKO enthalten einige vernünftige Ansätze, die unsere Zustimmung finden.

Wir hoffen, dass Sie im Laufe der Beratung in den Ausschüssen auch bei den anderen von mir angesprochenen Kritiken insbesondere zu den Instrumenten für mehr Demokratie, zur Genehmigungspflicht von Kassenkrediten, zur Verpflichtung zur Doppik und den Regelungen der Landkreise zur Erhebung der Kreisumlage, sich ebenso lernfähig erweisen.

Am Besten sie übernehmen hierzu weitere Regelungen aus unseren Gesetzentwürfen