Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Interkommunale Zusammenarbeit: "Zusammenarbeit darf nicht als bloßes Instrument von Rationalisierung und Einsparung gesehen werden"

Zum Setzpunkt der FDP betreffend "Interkommunale Zusammenarbeit stärken, freiwillige Zusammenlegung von Landkreisen ermöglichen"

Rede zum Setzpunkt der FDP betreffend "Interkommunale Zusammenarbeit stärken, freiwillige Zusammenlegung von Landkreisen ermöglichen"

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Interkommunale Zusammenarbeit nimmt in Zeiten leerer kommunaler Kassen einen immer größeren Stellenwert ein und wird von einigen als Alternative im Umgang mit der Finanznot angesehen. Gerade für kleine und strukturschwache Gemeinden kann eine solche Zusammenarbeit mit benachbarten Kommunen ein wichtiger Beitrag sein, um Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit zu erhalten.

Eine solche Zusammenarbeit darf allerdings nicht als bloßes Instrument von Rationalisierung und Einsparung angesehen werden; denn grundsätzlich erreicht man dann keine Verbesserung der öffentlichen Leistungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Gegenteil, sähe man die interkommunale Zusammenarbeit ausschließlich unter dem Gesichtspunkt von Einsparmöglichkeiten, wie das leider oft passiert, werden die Wege der Menschen vor Ort zu den Einrichtungen ihrer Kommune immer länger und umständlicher. Positive Effekte für die Menschen vor Ort würden dann ausbleiben. Sinnvolle interkommunale Zusammenarbeit hingegen sollte sich meines Erachtens vor allem dadurch auszeichnen, dass Kommunen in die Lage versetzt werden, durch diese Zusammenarbeit mit anderen Kommunen die Synergieeffekte dann auch für eine Verbesserung und Erhöhung des Services für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen und zu verwenden.

(Beifall bei der LINKEN)

So kann kommunale Zusammenarbeit absolut sinnvoll sein. Aber davon sind wir leider weit entfernt. In welchen Arbeitsfeldern kommunal zusammengearbeitet wird, ist deshalb genauestens zu diskutieren, am besten frühzeitig mit den Bürgerinnen und Bürgern in den betroffenen Gemeinden. So kann ich mir die gemeinsame Unterhaltung eines kostenintensiven Fuhrparks in den Bau- und Betriebshöfen gut vorstellen. Das ist sicher ebenso sinnvoll wie die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung zur kommunalen Müllentsorgung. Denn warum soll man die Gewinne, die in diesem Bereich nach wie vor gemacht werden können, den Bürgern nicht wieder zugutekommen lassen?

Es gibt aber auch Bereiche, in denen eine interkommunale Zusammenarbeit sehr schwierig ist. Dies ist dann der Fall, wenn Kommunen miteinander im Wettbewerb stehen, wie z. B. bei der Gewerbeansiedlung. Diese Konkurrenz um die Gewerbesteuereinnahmen könnte jedoch mit einer Reform der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer, wie von uns seit Langem vorgeschlagenen, entschärft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dadurch könnte ein weiteres Hindernis der interkommunalen Zusammenarbeit beseitigt werden. Hier ist allerdings der Bundesgesetzgeber gefordert. Wir sind durchaus der Meinung, dass es richtig ist, eine solche Debatte zur interkommunalen Zusammenarbeit, wie sie von der FDP nun angestoßen wurde, intensiv auf allen politischen Ebenen zu führen – wie gesagt: wenn sie unter dem Gesichtspunkt einer Qualitätsverbesserung und nicht bloß von Einsparmöglichkeiten geführt wird. Das ist durchaus in Ordnung.

Kritisch, aber dennoch diskussionswürdig sehen wir hingegen die Zusammenlegung von Kreisen und Gemeinden. Auch wenn im Antrag von freiwilligen Zusammenlegungen die Rede ist, muss man doch ehrlicherweise feststellen, dass solche Zusammenlegungen letztendlich nicht ganz freiwillig – und damit meine ich: frei von Sachzwängen – durchgeführt werden. Der große Finanzdruck, der auf allen Landkreisen Hessens lastet, ist ein solcher Sachzwang.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich die Landkreise an jeden Strohhalm klammern, der die Sicherstellung ihrer Aufgaben scheinbar langfristig ermöglicht. Es ist natürlich schon etwas merkwürdig, wenn sich die FDP in der letzten Legislaturperiode aktiv daran beteiligt, erst den Kommunalen Finanzausgleich um jährlich 350 Millionen Euro zu kürzen – wie sagte doch der legendäre Abg. Noll in diesem Zusammenhang: "Das Geheimnis des Sparens ist der Verzicht" –, und Sie jetzt so tun, meine Damen und Herren von der FDP, als ob man den Landkreisen durch freiwillige Zusammenlegungen einen Gefallen tun würde. Das finde ich an dieser Stelle etwas unredlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle Überlegungen zur Zusammenlegung, sei es auf der Ebene von Gemeinden oder Kreisen, entstehen letztendlich durch die katastrophale Finanzlage, in die CDU und FDP die Kommunen hineinmanövriert haben. Trotzdem enthält Ihr Antrag auch bei der Zusammenlegung von Kommunen durchaus vernünftige Ansätze. Wir begrüßen es, dass im vorliegenden Antrag das Letztentscheidungsrecht der Menschen vor Ort angesprochen wird. Was passiert, wenn zwei Kommunen gegen den Willen und den Protest der Bevölkerung zwangsweise zusammengeschlossen werden, lehrt uns der gescheiterte Versuch in den Siebzigerjahren, Gießen, Wetzlar und 17 Gemeinden zur Stadt Lahn zusammenzuschließen.

Die Letztentscheidung über den Zusammenschluss muss immer von den Menschen der betroffenen Kommunen selbst gefällt werden. Insofern ist das Vorgehen in der neu geplanten Stadt Oberzent im Odenwald zu begrüßen, wenn dort parallel zur Kommunalwahl 2016 ein Bürgerentscheid zum Zusammenschluss der vier Gemeinden angestrebt wird.

Ebenfalls richtig ist der Hinweis in Ziffer 5 des Antrags, dass eine Zusammenlegung niemals negative Folgen für die Bürgerfreundlichkeit öffentlicher Verwaltungen haben darf. Hier lehren uns jedoch auch die Erfahrungen wie zuletzt bei den Gerichtsschließungen zur Einhaltung der Schuldenbremse – gell, Herr Hahn –, dass Zentralisierung von öffentlichen Leistungen eben genau nicht dazu führt.

Im Gegenteil wird die Erreichbarkeit extrem eingeschränkt. Und diese Gefahr besteht natürlich auch hier. Sie weisen in Ihrem Antrag auf eine Anbindung an den ÖPNV hin. Dann frage ich einmal: Meinen Sie den ÖPNV, der über Jahre hinweg aus Einspargründen gerade im Land nach und nach weiter reduziert wurde? Wir haben in Hessen Landkreise, in denen die Menschen nur noch in zweistündigen Reisen mit dem ÖPNV die Kreisstadt erreichen können. Ich denke, das ist jetzt schon nicht zumutbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, auch E-Government wird das Problem nicht lösen. Zugegeben, E-Government kann für internetaffine Menschen ein gutes Mittel sein, um auf schnellem Wege Behördenangelegenheiten zu klären. Aber allen voran älteren Menschen hilft dies noch nicht weiter, zumal – auch das wird oft vergessen – sich nicht jede Behördenangelegenheit einmal eben vom heimischen PC aus erledigen lässt.

Ich glaube, es ist sinnvoll, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Zusammenlegung von Kreisen in der Hessischen Landkreisordnung bisher abgesehen hat. Es ist schon etwas anderes, ob sich Gemeinden auf freiwilliger Basis zusammenschließen oder ob ganze Landkreise zu noch größeren Landkreisen verschmelzen. Wenn dieses Thema überhaupt weiterverfolgt werden sollte, dann nur auf freiwilliger Basis, und ohne finanziellen Druck auszuüben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Ohne finanziellen Druck, damit meine ich auch, dass es, wie so beliebt und im Antrag der FDP auch angesprochen, eben keine finanziellen Anreize für diese Zusammenlegung gibt.

(Beifall bei der LINKEN)