Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske hält die (vorerst) letzte Rede der Linken im Hessischen Landtag

Jan SchalauskeRegierung und Hessischer Landtag

Am 12. Dezember 2023 kam der Hessische Landtag zu seiner letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode zusammen. Inhaltlich stand dabei nur ein einziger Punkt auf der Tagesordnung: Die Änderung des Abgeordnetengesetzes. Für uns sprach unser Fraktionsvorsitzender Jan Schalauske. Da dies die (vorerst) letzte Rede der Linken im Landtag war, für uns der Moment um eine Bilanz zu ziehen und uns zu verabschieden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Um es direkt vorweg ausdrücklich zu sagen: Wir teilen die hier in der Debatte vielfach geäußerte Sorge um den aufhaltsamen Aufstieg einer politischen Kraft, die in relevanten Teilen als gesichert rechtsextrem zu benennen ist.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Aber gerade auch mit Blick auf die Geschichte bleibt es stark zu bezweifeln, ob das hier vorgelegte sogenannte Demokratiepaket, das doch irgendwie eine Einschränkung von Abgeordneten- und Oppositionsrechten bedeuten kann, dazu geeignet ist, der sehr ernsten Bedrohung von rechts außen Einhalt zu gebieten.

Wer nämlich Hass und Hetze von rechts, wer dem Neofaschismus wirksam Paroli bieten will, der sollte statt auf ein technokratisches Demokratiepaket besser auf einen gesellschaftlichen Pakt für Demokratie, Sozialstaatlichkeit und Menschenrechte setzen, der die Lebensbedingungen aller Menschen spürbar verbessert.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das ist heute die vorerst letzte Rede eines Abgeordneten der LINKEN in diesem Landtag. Frau Präsidentin, mit Ihrem Einverständnis möchte ich gerne zu dieser Gelegenheit einige wenige Worte sagen.

Mit der Landtagswahl 2008 zog erstmals die Fraktion DIE LINKE in den Hessischen Landtag ein. Ich glaube, man darf schon sagen, dass wir Themen in den Landtag getragen haben, die ohne DIE LINKE nicht zur Sprache gekommen wären. Aber nicht nur das.

In den 15 Jahren, in denen wir diesem Parlament angehört haben, war unsere Fraktion an der Abschaffung der Studiengebühren, zusammen mit SPD und GRÜNEN, beteiligt, wir haben in drei Untersuchungsausschüssen die Aufklärung von rechtem Terror in Hessen mit vorangetrieben, und wir haben den Anstoß für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter gegeben.

Wir haben öffentliche Fraktionssitzungen im Kelsterbacher Wald, dann im Dannenröder Wald abgehalten, um im Schulterschluss mit Bürgerinitiativen gegen Flughafenund Autobahnausbau zu demonstrieren. Sicherlich waren und bleiben diese neuen Politikformen für manche hier im Parlament – ich sage es mal freundlich – „gewöhnungsbedürftig“.

Bei der Volksabstimmung gegen die Schuldenbremse waren wir die einzige Fraktion, die sich dieser Verankerung der Zukunftsbremse in unserer Landesverfassung verweigerte. Man muss sagen, heute wird dieses Instrument bisweilen in Teilen von CDU und Arbeitgeberverbänden in Zweifel gezogen.

(Zuruf AfD: Bitte zum Thema sprechen!)

– Ich rede zum Thema.

Unser Einsatz hat dazu beigetragen, die Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, der Nassauischen Heimstätte, zu verhindern, und bis zuletzt haben wir uns für die Rückführung des Uniklinikums Gießen und Marburg, das einst privatisiert wurde, starkgemacht, weil Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge eben auch in die öffentliche Hand gehören.

Während das Wort „Armut“ in den Eckpunkten von CDU und SPD, die sich anschicken, eine neue Koalition für Hessen zu bilden, kein einziges Mal vorkommt, haben wir zahlreiche Initiativen auf den Weg gebracht, weil wir den Zustand nach wie vor unerträglich finden, dass in Hessen jeder fünfte Erwachsene und jedes vierte Kind in Armut leben müssen.

(Klaus Gagel (AfD): Wo ist der Themenbezug?)

Wir haben uns stets als Partnerin der außerparlamentarischen Bewegungen verstanden, Anliegen der Gewerkschaften, der Friedensbewegung und auch der Bewegungen für Humanität und Menschenrechte in das Parlament getragen. Zugegeben: Mitunter war das in einer für andere Fraktionen schwer nachvollziehbaren Art und Weise. Aber unser politisches Engagement für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden und auch für eine gerechtere Sozial- und Wirtschaftsordnung war immer von den Grundsätzen unserer hessischen Landesverfassung geleitet.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, uns besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Fraktion, die heute auch hier auf der Besuchertribüne des Landtags sitzen, für ihre großartige Arbeit, aber auch bei allen Beschäftigten des Hessischen Landtags, die die Arbeit im Parlament überhaupt erst möglich machen, insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen, deren Arbeit nicht immer so gesehen wird, zu bedanken. Ein Dank gilt auch allen Abgeordneten des Landtags, die respektvoll und kultiviert mit uns gestritten haben. Sie hatten es nicht immer leicht mit uns, aber wir es auch nicht mit Ihnen.

Denjenigen politischen Kräften aber, die jetzt frohlocken und auf ein Ende der LINKEN spekulieren, sei ganz klar gesagt: Freuen Sie sich nicht zu früh. Solange es in unserem Land, aber auch weit darüber hinaus, Ungerechtigkeiten, Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung gibt – wir nennen das bekanntlich Kapitalismus –, wird dieser auch immer wieder Linke hervorbringen, die sich innerhalb und außerhalb von Parlamenten für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einsetzen, wobei wir heute besser Geschwisterlichkeit sagen – solange das noch erlaubt ist.

Präsidentin Astrid Wallmann:

Herr Schalauske, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie kurz unterbreche. Wir hatten ein zeitliches Kontingent vereinbart, das schon etwas ausgedehnt wurde. Ich möchte Sie jetzt bitten – –

(Vereinzelter Beifall – Zurufe – Elisabeth Kula (DIE LINKE): Am Ende bitte noch ein bisschen Respekt! – Gegenruf Holger Bellino (CDU): Das fällt Ihnen aber früh ein! – Unruhe!)

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Ich komme zum Ende.

Der 8. Oktober ist für DIE LINKE bitter und schmerzlich. Aber unser Kampf geht weiter, jetzt als außerparlamentarische Opposition. Seien Sie versichert: Diesen Kampf nehmen wir an.

(Holger Bellino (CDU): Wir auch!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Freie Demokraten)