Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Haushalt 2022: Es droht ein unsoziales Streichkonzert

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 94. Plenarsitzung am 02. Februar 2022 verabschiedete der Hessische Landtag den Landeshaushalt für das Jahr 2022. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und haushaltspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Hessische Landtag wird heute infolge der Corona-Pandemie das dritte Mal in nur zwei Jahren nach Art. 141 der Hessischen Verfassung und dessen Ausführungsgesetz das Kreditverbot, das in der Hessischen Verfassung verankert ist, aussetzen, um einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen.

Allein dieser Vorgang zeigt, dass das, was wir viele Jahre hier gesagt haben, zutrifft: dass die Schuldenbremse entschlossenes Handeln in der Krise behindert und dass entgegen den langjährig gepflegten Beteuerungen und den gebetsmühlenartigen Bekenntnissen auch CDU und GRÜNE erkennen mussten, dass mit der Schuldenbremse in der Krise kein Staat zu machen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen werden wir aus vollster Überzeugung der Aussetzung der Schuldenbremse heute erneut zustimmen, obwohl wir wissen, dass eine Aussetzung alleine nicht ausreichen wird. Denn dann könnten in den kommenden Jahren spürbare Kürzungen drohen. Die Krise lehrt uns, dass wir sehr grundsätzlich Auswege aus der Sackgasse der Schuldenbremse finden und Überlegungen anstellen müssen, diese zu überwinden. Da ist man in vielen Teilen der Republik schon ein Stückchen weiter als in Hessen. Aber was nicht ist, kann noch werden.

Daran muss man erinnern: Das Schuldenbremsengesetz sah ursprünglich verbindliche Tilgungspläne vor. Die sieht es immer noch vor. Ursprünglich sollten die Kredite aber innerhalb von sieben Jahren zurückgeführt werden. Das sollte innerhalb von sieben Jahren geschehen.

Von diesen Zeiträumen ist heute gar keine Rede mehr. Sie hatten sich damals vorgenommen, mit der Tilgung frühzeitig zu beginnen. Auch davon ist keine Rede mehr. Das heißt, auch bei dieser Frage mussten Sie Ihre finanzpolitischen Vorstellungen vollständig revidieren. Wir sagen: zum Glück. Denn zu strikte Tilgungsverpflichtungen könnten die Kürzungen von morgen auslösen. Wir finden, das wäre falsch.

(Beifall DIE LINKE)

Das Urteil des Staatsgerichtshofs hat in der heute geführten Debatte schon eine große Rolle gespielt. Natürlich hat das Urteil weitreichende Änderungen durch die Regierungsfraktionen notwendig gemacht. Viele Maßnahmen aus dem Sondervermögen sollen in den Kernhaushalt verschoben werden. Das betrifft viele Maßnahmen, aber eben nicht alle.

Ein Grund dafür war die erfolgreiche Klage der Fraktionen der SPD und der FDP gegen das Sondervermögen. Das darauf erfolgte Urteil nehmen die Regierungsfraktionen jetzt zum Anlass, Maßnahmen zu streichen, die ihrer Ansicht nach auf der Grundlage des Urteils nicht mehr mit der Schuldenbremse vereinbar sind.

Wir müssen darüber reden, dass auch das letztlich das Ergebnis der Klage beim Staatsgerichtshof ist. Die klagenden Fraktionen tragen auch die Verantwortung dafür, dass die Schuldenbremse in Hessen jetzt noch restriktiver ausgelegt wird. Wir, die Mitglieder der LINKEN, finden, das ist falsch.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, Sie müssten Ihren Wählerinnen und Wählern schon einmal erklären, dass das Spannende an der ganzen Debatte ist, dass Sie eigentlich alle den Mitgliedern der LINKEN immer wieder eine vernünftige Finanzpolitik absprechen und in den letzten Jahren abgesprochen haben. Im Bund und in den Ländern beschreiten Sie jetzt in ganz unterschiedlichen Konstellationen Wege, die die Mitglieder der LINKEN vor vielen Jahren so gefordert haben oder so gefordert hätten. Klar, wir sagen: Viel ist zu zaghaft, einiges ist zu zögerlich. Da könnte noch viel mehr gehen.

Die Wahrheit ist aber doch: In der Krise mussten Sie Ihre finanzpolitischen Vorstellungen über Bord werfen. Es ging dabei um Ihre lang tradierten Überzeugungen. Man kann das in den Plenarprotokollen nachlesen. Das finden wir schon sehr bemerkenswert.

Die Regierung setzt jetzt also die verschärfte Schuldenbremse bereitwillig um. Wir haben gehört, dass das den Abgeordneten rechts außen noch nicht streng genug ist. Da legt man ein Streichkonzert vor, um den Kulturkampf von rechts darzustellen.

(Lachen AfD)

Man legt ein Streichkonzert vor, um zu zeigen, dass man einen neoliberalen Magerstaat haben will. In der politischen Debatte hier outet man sich dann auch noch als die Fußtruppe der großen Finanzinvestoren. Die Diskussionen im Haushaltsausschuss haben auch gezeigt: Das Programm wäre ein echter Albtraum für all die Menschen, die auf ein funktionierendes Gemeinwesen angewiesen sind. Deswegen müssen Sie da immer wieder mit unseren Widerworten rechnen, auch wenn die Ihnen nicht passen.

(Beifall DIE LINKE)

Darauf haben alle Rednerinnen und Redner Bezug genommen: Die letzte Sitzung des Haushaltsausschusses war eine denkwürdige. Es gab 568 Änderungsanträge. Man kann sagen, das waren 1,7 Änderungsanträge pro Minute. Dabei müsste man sich natürlich fragen, ob es ein Ausweis an Qualität ist, wenn man das alles so schnell abarbeitet, oder ob man nicht viele Änderungsanträge hätte intensiver beraten müssen. Leider ist es aber so, dass die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN aus Prinzip alle Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen ablehnen. Ich befürchte, daran würden auch längere und umfassendere Beratungen nichts ändern.

Ich möchte trotzdem an dieser Stelle natürlich nicht nur den Dank an die Ausschussvorsitzende und die Mitglieder des Ausschusses unterstreichen, die dieses Prozedere erfolgreich hinter sich gebracht haben. Ich möchte vor allem den Dank an all diejenigen unterstreichen, die die Arbeit des Parlaments überhaupt erst möglich machen. Das sind diejenigen, die das hier im Haus bei der Ausschussgeschäftsführung und im Budgetbüro machen. Der Dank gilt durchaus auch denjenigen im Ministerium, die in den letzten Monaten viel Arbeit hatten. Er gilt auch denjenigen in den Fraktionen. Ich denke, all denjenigen muss man in einer solchen Debatte noch einmal besonders Danke schön sagen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

So kennen Sie uns: Wir haben ganz unideologisch und ganz pragmatisch vielen Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen der CDU und der GRÜNEN zugestimmt, wenn sie darauf zielten, Mittel sinnvoll aus dem Sonderhaushalt in den Kernhaushalt zu übernehmen. Leider haben wir bei Ihnen in den letzten Jahren eine so entspannte Haltung nie feststellen können. Wir versichern hier noch einmal: Wir stehen keiner Mehrausgabe im Weg, die unserer Ansicht nach sinnvoll ist. Das können Sie an unserem Abstimmungsverhalten ablesen.

Bei den Mitgliedern der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN ist das leider anders. Sie lehnen jeden Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE grundsätzlich ab, sei er noch so sinnvoll, sei er noch so klein und fein. Das spielt für sie alles überhaupt keine Rolle. Das ist besonders bedauerlich, wenn man auf die Mitglieder der GRÜNENFraktion blickt. Bei den Mitgliedern der CDU-Fraktion kann man das erwarten.

Damit sind wir dann auch bei der Koalition in Hessen. Hessen wird seit vielen Jahren weit unter seinen Möglichkeiten regiert. Trotz einer Beteiligung der GRÜNEN an der Landesregierung wächst die soziale Spaltung. Die Mietenkrise verschärft sich. Die Energie- und Verkehrswende stockt. Darüber haben wir heute schon diskutiert. Es mangelt an Personal in der Pflege. Es gibt einen Investitionsstau bei der öffentlichen Infrastruktur, bei den Krankenhäusern, bei den Schulen und bei den bezahlbaren Wohnungen. Daran haben auch Ihre Änderungsanträge nichts geändert. Aber diese Lage in Hessen muss sich ändern. Die schwarz-grüne Stagnation muss aufgebrochen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Die Fraktion DIE LINKE hat 138 Änderungsanträge gestellt, um aufzuzeigen, wie Schritte hin zu einem sozialeren, einem ökologischeren und einem gerechteren Hessen möglich wären. Solche Schritte wären dringend notwendig, weil die Pandemie die soziale Spaltung der Gesellschaft weiter vertieft hat. Die Probleme haben ein Ausmaß erreicht, das ein wirkliches Umsteuern in der Haushaltspolitik notwendig macht.

Viele Probleme wurden offenkundig, die schon vor der Pandemie da waren. Wer sich schon vorher keinen ausreichenden Wohnraum leisten konnte, der stand durch den Lockdown, durch das Homeoffice und durch die Schulund Kindertagesstättenschließungen vor kaum zu bewältigenden Problemen. Ein Bildungssystem, das schon vor der Pandemie seit vielen Jahren die soziale Ungleichheit zementiert, droht unter Pandemiebedingungen die sozial Benachteiligten noch weiter abzuhängen. Wenn Pflegekräfte schon im Regelbetrieb kaum angemessen bezahlt wurden und ihrem Beruf, den viele aus Überzeugung machen, den Rücken zukehren, dann ist doch die Überlastung in der Pandemie der Tropfen, der für viele das Fass zum Überlaufen bringt.

Deswegen haben wir bei unseren Haushaltsänderungsanträgen Schwerpunkte auf Maßnahmen für ein sozialeres und ökologischeres Hessen, für bezahlbares Wohnen und einen Ausbau des Gesundheitssektors gesetzt. Wir fordern ein Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus, damit aus der Stagnation und dem historischen Tiefststand unter einem grünen Minister endlich ein Aufbruch für bezahlbares Wohnen wird.

Wir wollen die Schulen endlich in einen ordentlichen baulichen Zustand versetzen. Wir wollen die Investitionen dafür spürbar erhöhen. Unter der Regierung der CDU und der GRÜNEN ist es so, dass der Investitionsstau an hessischen Schulen nicht einmal mehr erhoben werden soll, geschweige denn, dass das Land ordentlich eigene Mittel in die Hand nehmen will, um den Schulträgern unter die Arme zu greifen. Ich glaube, wer sich in der letzten Zeit einmal eine hessische Schule von innen angesehen hat, der weiß, wie dringend notwendig es ist, den Investitionsstau anzugehen.

(Beifall DIE LINKE)

Davon sind Sie ein bisschen abgerückt. In der Vergangenheit wurde dann immer entgegengehalten: aber die Finanzen, aber die Finanzen. Es bleibt dabei: Bis heute kann niemand schlüssig erklären, was daran gerecht sein soll, nachkommenden Generationen ausgerechnet marode Schulen zu hinterlassen. Ich glaube, das sollte nicht sein. Das wollen wir ändern.

Es wird endlich Zeit, die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen in Hessen nach A 13 zu besolden. Das ist in anderen Bundesländern immer mehr der Fall. Nur in Hessen sperrt man sich da. Auch bei der Kinderbetreuung müssen wir den Personalmangel bekämpfen. Wir müssen die Gebührenfreiheit weiter ausbauen.

Insbesondere die Kommunen brauchen zusätzliche Mittel für Investitionen. Vor Ort gibt es vielfältige Bedarfe. Das melden uns immer wieder die Kommunalen Spitzenverbände. Wir müssen anfangen, die Brücken zu sanieren und den Sanierungsstau in der öffentlichen Infrastruktur endlich aufzulösen.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren sollten wir uns doch wenigstens in einem einig sein. Sie hat uns gezeigt, dass uns die Entwicklung im Gesundheitswesen in den letzten Jahren wirklich auf einen Irrweg geführt hat. Es war ein Fehler, unsere Krankenhäuser zu privatisieren und das Gesundheitswesen zu liberalisieren.

Wir sind nicht damit einverstanden, dass eine grüne Wissenschaftsministerin einerseits einmal einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag für Investitionen in das privatisierte Universitätsklinikum Gießen und Marburg lockermachen will, andererseits aber nichts dafür unternimmt, die Krankenhäuser endlich wieder in öffentliches Eigentum zurückzuführen. Die Investitionen in die Krankenhauslandschaft, also in alle hessischen Krankenhäuser, erfolgt immer noch nicht mit der Summe, die beispielsweise die Hessische Krankenhausgesellschaft einfordert.

Deswegen wollen wir die Mittel für die Krankenhaussanierung deutlich ausweiten. Wir wollen die gesundheitliche Versorgung in öffentlicher Hand und ohne private Profitinteressen.

(Beifall DIE LINKE)

Seit Jahren wird Hessen schwarz-grün regiert. Es wundert nicht: Das Soziale und die Pflege kommen zu kurz. Allerdings würde man sich die Augen reiben, wenn man sich die Ergebnisse grüner Politik beim sozial-ökologischen Umbau anschaut. Wir haben dieser Tage gehört: Der Rhein-Main-Verkehrsverbund will die Preise massiv erhöhen. Was für ein fatales Signal für eine Verkehrswende.

Wir sehen: Beim Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien liegt Hessen ziemlich weit hinten. Da gilt nicht „Hessen vorn“. Das ist ein Armutszeugnis für eine von den GRÜNEN mit geführte Regierung. Deswegen müssen wir jetzt mit aller Kraft den sozial-ökologischen Umbau voranbringen. Das Land muss sich deutlich stärker engagieren. Wir brauchen mehr Mittel für den öffentlichen Nahverkehr, um die Verkehrswende einzuleiten.

Wir wollen uns auf den Weg zum Nulltarif begeben. Immer mehr Kommunen überlegen sich das. Sie versuchen, Schritte einzuleiten. Immer mehr Kommunen fordern, die Angebote im öffentlichen Personennahverkehr deutlich auszubauen. Das ist der Weg, den die Fraktion DIE LINKE mit ihren Änderungsanträgen beschreiten will.

(Beifall DIE LINKE)

Daneben haben wir zahlreiche weitere Maßnahmen zur Klimaanpassung und zur Förderung der Nutzung der erneuerbaren Energien in den Kommunen, aber auch für entsprechende Maßnahmen des Landes vorgelegt. Sie wissen: Das alles wäre selbst unter schwierigen Bedingungen mit den im Haushalt vorgesehenen Mitteln finanzierbar, wenn wir uns endlich gemeinsam dafür einsetzen würden, dass diejenigen mit den starken Schultern in dieser Gesellschaft angemessen besteuert werden. Wir brauchen ein gerechteres Steuersystem. Das würde insbesondere die Finanzsituation der Bundesländer deutlich verbessern.

Wir legen mit unseren Haushaltsänderungsanträgen ein Gegenprogramm vor. Das ist ein Gegenprogramm zu einer Politik, die selbst in dieser schwierigen Krise nicht bereit ist, die Reichen ordentlich zur Kasse zu bitten. Wir legen ein Programm vor, mit dem wir Hessen sozialer, ökologischer und gerechter aus der Krise führen wollen.

Ja, die LINKEN können auch sparen. Statt auf die Schuldenbremse zu setzen, würden wir bei dem überfinanzierten Geheimdienst und bei dem unnötigen Flughafen in Nordhessen einsparen. Wir würden diejenigen an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen, die in der Krise noch dazugewonnen haben. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen.

(Beifall DIE LINKE)