Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske: Schwarzgrün muss Mieterinnen und Mieter entlasten und den Weg zu einem föderalen Flickenteppich verlassen

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Landesgrundsteuergesetz. Dazu die Rede unserer finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ohne jeden Zweifel ist die Grundsteuer eine wichtige Basis für auskömmliche Kommunalfinanzen. Sie ist nicht krisenanfällig. Das macht sie für Kommunen unverzichtbar und ermöglicht, wichtige öffentliche Infrastrukturen und Leistungen wie Schulen, Kitas, Straßen, Radwege und vieles mehr bereitzustellen.

Heute diskutieren wir über den lang angekündigten Gesetzentwurf für ein Hessisches Grundsteuergesetz. Die Landesregierung hat sich dafür lange Zeit gelassen, sogar so lange, dass sie noch von der FDP überholt worden ist, die vor Monaten ein eigenes, allerdings noch sehr viel ungerechteres Modell vorgelegt hat.

Die hessischen Kommunen brauchen Planungssicherheit. Deswegen müssen wir heute über diesen Gesetzentwurf reden. Weil die Kommunen diese Planungssicherheit brauchen, kommt für DIE LINKE ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, wie sie eine Fraktion – hier im Parlament rechts außen – vorschlägt, in keinem Fall infrage.

(Beifall DIE LINKE)

Als LINKE haben wir von Anfang an – wir diskutieren hier nicht zum ersten Mal über die Grundsteuer – den Weg eines Grundsteuerföderalismus abgelehnt. Ihn hat die CSU – einige erinnern sich – dem Bundesfinanzministerium, leider erfolgreich, abgenötigt. Die Antwort auf die Frage, wie ein Flickenteppich von verschiedenen landespolitischen Lösungen anstelle eines einheitlichen Bundesmodells zu mehr Verwaltungsvereinfachung und Transparenz beitragen soll, das bleibt am Ende auch nach den Reden des heutigen Tages durchaus ein Geheimnis der Befürworter dieses Weges. Ob nun ein Flickenteppich für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land am Ende wirklich durchschaubarer und nachvollziehbar ist, daran habe ich meine Zweifel.

Für DIE LINKE bleibt es dabei: Eine bundeseinheitliche Regelung wäre wünschenswert gewesen, weil wir uns noch immer dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse statt eines Wettbewerbsföderalismus verpflichtet fühlen. Das sollte auch die Leitschnur der Politik bei der Grundsteuer sein.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen lehnen wir den Plan der Landesregierung, heute hier ein Landesgrundsteuergesetz für die Grundsteuer B und C zu verabschieden, sehr grundsätzlich ab.

Wenn Sie von den Lösungen anderer Bundesländer sprechen, verschweigen Sie, dass neun Bundesländer – Berlin, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen – diesen Weg nicht gehen. Vielmehr nutzen diese Länder das Bundesmodell. Hier verpasst die Landesregierung die Möglichkeit, als Teil einer länderübergreifenden Kooperation – mit Ihnen möchte auch niemand kooperieren – den Flickenteppich zumindest etwas homogener zu halten und auf Verwaltungsebene zusammenzuarbeiten, um zu einer verwaltungs- und bürgerfreundlichen Umsetzung zu kommen. Diese Chance verpassen Sie.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Natürlich könnte man nun lang und breit über Details des Scholz-Modells diskutieren. An einigen Punkten üben wir sicherlich auch Kritik. Für uns ist aber völlig klar: Wir hätten uns ein starkes werthaltiges Modell gewünscht. Dieses Modell muss auch die Werthaltigkeit dessen berücksichtigen, was auf einem Grundstück steht. Da bleiben wir bei der Erkenntnis, dass es einen großen Unterschied macht, ob auf einem Grundstück ein Palast oder eine Hütte steht.

Die Landesregierung hat sich für einen anderen Weg entschieden. Ein Kollege hat hier im Landtag bereits daran erinnert: Bei Georg Büchner hieß es im „Hessischen Landboten“: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“. Bei der Grundsteuerregelung, die die Landesregierung hier vorschlägt, verhält es sich leider andersherum. Lieber Marius, du hast daran erinnert. Wir bleiben lieber bei Georg Büchner als bei Michael Boddenberg und bei Michael Reul.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

CDU und GRÜNE gehen mit ihrem Flächen-Faktor-Verfahren einen Sonderweg. Das ist und bleibt eine ungerechte Grundlage. Sie dämpfen das etwas ab im Verhältnis zu einem reinen Flächenmodell. Das haben wir durchaus wahrgenommen. Der Bodenrichtwert wird berücksichtigt, wenn auch in abgeschwächter Form. Am Ende des Tages bleibt es aber ein Flächenmodell. Weder der Wert des Grundstücks wird vollumfänglich berücksichtigt noch der Wert dessen, was auf dem Grundstück steht. Das ist und bleibt ungerecht und ist kein geeigneter Weg für die Grundsteuer.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Eine Grundsteuer, die den Verkehrswert der Gebäude berücksichtigt und dadurch eine gerechtere Bemessungsgrundlage schafft, wäre eine deutlich bessere Grundlage für eine gerechtere Besteuerung von Vermögen in unserer Gesellschaft. Sie kennen unsere Position, die im Übrigen alternativlos ist und bleibt. Wenn wir nicht weiter zulassen wollen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, dann müssen wir doch auch über Grundvermögen reden. Da haben wir einen großen Dissens mit der Landesregierung, und das ist hier auch deutlich geworden. Ich habe kein Verständnis dafür, dass ein vermeintlicher Bürokratieabbau, dass vermeintliche Verwaltungsvereinfachungen höher gewichtet werden als Steuergerechtigkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Wo sind wir da eigentlich angelangt? Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich sich so mit Verwaltungsvereinfachungen zu schmücken, dafür fehlt mir das Verständnis.

Wir wollen also auch den Gebäudewert angemessen berücksichtigen. Wir wollen eine gerechtere Besteuerung durchsetzen.

Ich möchte noch zu zwei anderen Punkten etwas sagen. Ich möchte darauf hinweisen, dass es gut ist, dass es eine Ermäßigung für den sozialen Wohnungsbau und für öffentliche und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften gibt. Das übernehmen Sie übrigens aus dem Grundsteuergesetz des Bundes. Das ist nicht Ihre eigene Idee. Wer langfristig den Mietenwahnsinn und Immobilienspekulationen beenden will, der muss die Alternativen stärken, und da ist eine Grundsteuerermäßigung sicherlich ein geeigneter Weg.

Wenn Hessen allerdings schon den Weg eines eigenen Grundsteuergesetzes geht, dann könnte man fragen, warum Sie an dieser Stelle nicht über das Bundessteuermodell hinausgehen. Warum schaffen Sie an dieser Stelle nicht noch bessere Regelungen? Einerseits wollen Sie eigenständige Regelungen machen. Wenn es andererseits aber Chancen gibt, über das Modell hinauszugehen, nutzen Sie diese nicht.

Um soziale Alternativen auf dem Wohnungsmarkt zu stärken, ist es wichtig, Bodenspekulationen die Grundlage zu entziehen und Druck auf Bodenspekulationen auszuüben. Ich bin der Meinung, eine Grundsteuer C auf unbebaute Grundstücke ist unerlässlich. Allerdings brauchen wir die dann in einer Höhe, die wirklich Lenkungswirkung entfaltet. Das würde den Mieterinnen und Mietern helfen. Das würde außerdem helfen, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Das ist auch eine ökologische Frage. Deshalb ist es durchaus zu begrüßen, dass es die Möglichkeit gibt, die Grundsteuer C zu erheben. Das ist ein Instrument, das wir schon seit Langem fordern. Ob die konkrete Regelung ausreichend ist, darüber müssen wir dann weiter diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Ende möchte ich ein Thema ansprechen, das meiner Meinung nach in der heutigen Debatte leider noch keine große Rolle gespielt hat, und das ist die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieterinnen und Mieter. Nach einem Jahrzehnt steigender Immobilienwerte und einem gigantischen Mietenanstieg wäre die Abschaffung dieser Umlagefähigkeit ein sehr guter Schritt, um Mieterinnen und Mieter wenigstens kurz- bis mittelfristig deutlich zu entlasten.

(Beifall DIE LINKE)

Das widerspricht im Übrigen überhaupt nicht dem Grundrecht auf Eigentum. Der Grundsatz, dass Eigentum verpflichtet, hat noch eine weitere Seite. Es gibt auch eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Es wäre doch nur gerecht, wenn diejenigen, die jetzt wirklich von den steigenden Preisen auf dem Immobilienmarkt profitiert haben, etwas dazu beitragen, etwas in die Verantwortung genommen werden, um Mieterinnen und Mieter zu entlasten.

(Beifall DIE LINKE)

Hierzu gibt es eine gute Bundesratsinitiative des Landes Berlin und des Landes Thüringen. Hessen könnte sich doch einmal einen Ruck geben und diese Maßnahme unterstützen. Das wäre ein weiterer wichtiger Schritt zu einer wirklich sozialen Grundsteuerreform, die wir hier schon mehrfach eingefordert haben.

CDU und GRÜNE gehen aber einen anderen Weg. Sie wollen einen föderalen Flickenteppich, den wir ablehnen. Obendrein wollen Sie keine Wertorientierung, die notwendig wäre. Bei den Ermäßigungen für Alternativen am Wohnungsmarkt bleiben Sie alles andere als konsequent und gerecht, sodass wir nur sagen können: Das ist nicht der richtige Weg für eine sozial-ökologische Grundsteuerreform, wie wir sie brauchen. Wir glauben, wir brauchen mehr Georg Büchner und weniger Michael Boddenberg. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)