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Rede

Jan Schalauske - Schwarzgrüne Wohnungspolitik: Versagen statt Erfolgsgeschichte

Jan SchalauskeWohnen

In seiner 128. Plenarsitzung am 15. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Wohnungspolitik . Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Tatsächlich, die Themen Wohnen und Arbeiten sind grundlegend für die Fragen des Alltags der Menschen, für sozial-ökologische Transformation, ja, für das Funktionieren von Gesellschaft insgesamt. In beiden Bereichen gibt es lange strukturelle Krisen, über die wir reden müssen. In beiden Bereichen hat die schwarz-grüne Landesregierung trotz aller Ankündigungen, trotz aller Programmtitel sich bisher als mehr als unfähig erwiesen, diese Krisen wirkungsvoll zu bearbeiten. Das ist die Realität in Hessen, und deswegen macht es Sinn, beide Bereich zusammen zu diskutieren, wie es die SPD in ihrem Antrag vorschlägt.

Allerdings wäre der Fachkräftemangel oder, besser, der Arbeitskräftemangel eine eigene Diskussion wert. Erst Anfang der Woche haben die Kommunalen Spitzenverbände Alarm geschlagen, dass die Städte und Gemeinden in Hessen nicht mehr ausreichend Personal finden können. Das Problem ist nicht neu. Es ist aber politisch hausgemacht. Wir müssten ausführlich über den Niedriglohnsektor reden, über Kostendruck im Gesundheits- und im Sozialbereich. Wir sollten nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die unter ganz schwierigen Arbeitsbedingungen für wenig Geld, für viel zu wenig Geld in der Gastronomie, in der Pflege, in den Kitas arbeiten, und dass es kein Wunder ist, wenn junge Menschen ihre Ausbildung abbrechen, weil sie wissen, dass sie kaputtgehen, wenn sie den Job ein Leben lang machen.

Bevor man also, auch parteiübergreifend, über Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel lamentiert, sollte man dafür sorgen, dass der Niedriglohnsektor ausgetrocknet wird, dass Beschäftigte Wertschätzung erhalten und dass es gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen gibt, und zwar für alle Menschen in allen Berufen und Sektoren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will jetzt zum zweiten Punkt kommen, dem Wohnen; denn eine gute Bezahlung bringt wenig, wenn ein Großteil des Einkommens jeden Monat in die Miete fließt. Aber genau das ist doch die Realität für die Beschäftigten in Hessen, insbesondere, wenn sie in der Rhein-Main-Region wohnen. In Städten wie Darmstadt, Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden hatte 2018 rund ein Drittel der Haushalte eine Mietbelastungsquote von über 40 %. Bei 10 % bis 20 % waren es sogar mehr als 50 %, und das war 2018. Seither sind die Mieten weiter gestiegen, die Nebenkosten explodiert. Das Leben insgesamt ist viel teurer geworden.

Das ist die Realität auch für die Beschäftigten im Land. Der Mietenwahnsinn verschärft den Arbeitskräfte- und den Fachkräftemangel, und dabei ist es egal, ob man mit einer Kita-Leitung spricht, mit einem Pflegeservice, städtischen Verwaltungen oder auch Handwerksbetrieben. Alle Arbeitgeber sagen, dass die zu hohen Mieten und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum die Suche nach Arbeitskräften massiv erschweren. Deswegen diskutieren Gewerkschaften, Unternehmensverbände, die Kammern von Industrie und Handwerk, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege über Werks- und Mitarbeiterwohnen. In Baden-Württemberg gibt es bereits eine entsprechende Förderlinie in der sozialen Wohnraumförderung. Es wäre also sinnvoll, wenn auch Hessen entsprechende Instrumente schaffen würde, wie es die SPD mit ihrem Antrag vorschlägt.

Ebenso sinnvoll wäre es, wenn das Land mit eigenem gutem Beispiel voranginge und mehr Wohnungen für die Landesbediensteten schaffte; denn auch dort sieht es zappenduster aus. Auch das wäre ein wichtiges Instrument, das man in Hessen endlich voranbringen müsste.

(Beifall DIE LINKE und Elke Barth (SPD))

Aber es ist klar – das sehen die Antragstellerinnen und Antragsteller sicher auch so –, dass das Mitarbeiterwohnen alleine die Probleme nicht lösen wird.

(Elke Barth (SPD): Nein!)

Dazu steckt der Karren viel zu tief im Dreck. Das Problem, über das wir hier reden, ist die verfehlte Wohnungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte. Da muss ich das Wort an die FDP richten und Ihnen sagen: Nicht das Scheitern von staatlicher Politik ist das eigentliche Problem, sondern eine falsche staatliche Politik in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

(Zuruf Oliver Stirböck (Freie Demokraten) – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Markt nicht alle gesellschaftlichen Bereiche regelt, dann ist es die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Da hat sich der Staat zurückgezogen, und die Ergebnisse sehen wir jetzt. Ich will gar nicht wissen, wie schlimm es wirklich aussehen würde, wenn Sie sich noch mehr durchsetzten.

(Beifall DIE LINKE)

Im Übrigen würde Ihr Engagement gegen imaginäre Enteignungsvorhaben glaubwürdiger werden, wenn Sie endlich einmal auch auf der Straße stünden, wenn für Autobahnen enteignet wird, wenn für Kohleabbau enteignet wird. Dagegen können Sie einmal protestieren. Dann würde Ihr Engagement auch glaubwürdiger.

(Beifall DIE LINKE)

Da es vor mir kein Redner getan hat, muss ich noch etwas an die Gruppe rechts außen richten, weil Sie jede Debatte missbrauchen und immer wieder versuchen, die Ursachen und die Wirkungen in der Wohnungspolitik zu verdrehen.

Das Problem, dass bezahlbare Wohnungen fehlen, sind nicht Menschen, die nach Frankfurt kommen, egal ob sie vor den Kriegen in der Welt, wie in der Ukraine, fliehen oder ob sie aus dem Schwalm-Eder-Kreis kommen, weil sie eine andere Arbeitsstelle suchen. Das Problem sind die fehlenden bezahlbaren Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt.

Hören Sie deswegen endlich damit auf, verzweifelte Menschen zu Sündenböcken einer falschen und verfehlten Politik zu machen, und sagen Sie den Leuten vor allem ganz ehrlich, dass Sie die Probleme noch verschärfen würden, weil Sie den sozialen Wohnungsbau abschaffen wollen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Jetzt komme ich aber auf die Politik von Schwarz-Grün zu sprechen. Das erleben wir immer wieder: Schwarz-Grün stellt sich hierhin und lobt sich für die Wohnungspolitik. Sie haben das sogar letzte Woche in einer Pressekonferenz als echte Erfolgsgeschichte verkaufen wollen. Das soll eine echte Erfolgsgeschichte sein. Minister Al-Wazir hat das getan. Das ist wirklich hanebüchen.

Man könnte jetzt sagen, das war eine vorgezogene Wahlkampfveranstaltung, das war irgendwie Realsatire. Aber dafür ist der Anlass viel zu ernst. Denn die Rückmeldungen, die wir in der letzten Woche aus Mietervereinen, aus Mieterinitiativen, von Aktiven an der Basis und von den Fachkräften bei den Sozialverbänden oder den Gewerkschaften erhalten haben, waren einfach verheerend. Das Gerede von einer echten Erfolgsgeschichte wurde vielfach als selbstgerecht und als realitätsfern aufgefasst. Auch das Wort Frechheit ist mehr als einmal gefallen.

Herr Minister, vielleicht haben Sie das auch ein bisschen selbst gemerkt. Denn in Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag steht nichts mehr von einer Erfolgsgeschichte, sondern nur noch etwas von einem „positiven Trend“. Das ist auch nicht richtig. Aber es klingt zumindest ein bisschen zurückhaltender und ein bisschen demütiger.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu will ich am Ende meiner Rede schon einmal noch etwas sagen. Die Realität ist eine andere. In den neun Jahren schwarz-grüner Regierungspolitik ist die Zahl der sozial geförderten Wohnungen um knapp ein Viertel gesunken,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viele Wohnungen haben Sie in Berlin verkauft?)

und zwar von 109.000 Wohnungen auf etwas über 82.000 Wohnungen. In den letzten Jahren haben sich die Zahlen ein bisschen stabilisiert.

(Zurufe – Glockenzeichen)

Das ist begrüßenswert. In Hessen haben andere verkauft. Ist das wirklich eine Trendwende? Ist das ein Erfolg? Ich finde, das Absinken der Zahl der Wohnungen um knapp ein Viertel ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall DIE LINKE) Das sagt Ihnen auch die Wohnungswirtschaft. (Unruhe – Glockenzeichen)

– Da können Sie so laut schreien, wie Sie wollen. Das Sinken des Bestands um ein Viertel ist keine Erfolgsgeschichte, unabhängig davon, wie Sie hier brüllen, zetern und schreien.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Sie wollten doch in Berlin noch viel mehr verkaufen! – Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Weitere Zurufe)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Jan Schalauske, bitte einen Moment. – Ich bitte, dem Redner zuzuhören. Wenn ihr Gespräche führen wollt, dafür habt ihr doch Zeit. Geht doch nach der Rede raus und unterhaltet euch, und werdet miteinander einig.

Bitte sehr, du hast das Wort.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Was Herr Kollege Frömmrich nicht wahrhaben will und was er auch nicht gerufen hat, ist, dass zur Wahrheit gehört, dass auch in Hessen in den letzten zehn Jahren von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Wohnungen verkauft wurden. Dafür trägt die schwarz-grüne Landesregierung in den letzten neun Jahren die Verantwortung. Darüber sollten wir viel mehr und viel engagierter reden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme jetzt zu der Frage der sozial geförderten Wohnungen zurück. In Ihrem Koalitionsvertrag steht, Sie wollten den Bau von 22.000 geförderten Wohnungen anstoßen. Das wären immerhin 4.400 pro Jahr. Das würde auch nicht reichen.

Sie sind aber auch von Ihren selbst gesteckten Zielen meilenweit entfernt. Denn es ist so, dass wir einen zusätzlichen Bedarf an geförderten Wohnungen haben. Diese Wohnungen werden dringend gebraucht. Die Zahl der geförderten Wohnungen, die dringend gebraucht werden, beziffert beispielsweise der VdW südwest auf 7.000 pro Jahr. Von diesem Ziel sind Sie in Hessen meilenweit entfernt. Deswegen ist das keine Erfolgsgeschichte.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt ändern sich die Rahmenbedingungen. Die Zinsen steigen. Mit der Änderung der Rahmenbedingungen entsteht ein weiteres Problem. Sie wollen das als Trendwende verkaufen. Das Lieblingsbild des Ministers ist der Tanker des sozialen Wohnungsbaus, der sich vermeintlich gedreht haben soll.

Jetzt, wo sich die Rahmenbedingungen ändern, besteht die große Gefahr, dass der Tanker des sozialen Wohnungsbaus komplett auf Grund läuft. Deswegen muss man jetzt handeln. Es reicht nicht, an den Förderrichtlinien herumzudoktern, die Wohnungsbauförderung aber ansonsten unangetastet zu lassen. So werden Sie in die nächste Krise hineinschlittern. Ihr Tanker wird auf Grund laufen. Das ist ein großes Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Schalauske, Ihre Redezeit läuft auf Grund.

Kommen Sie also bitte zum Schluss.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Wir brauchen für den sozialen Wohnungsbau eine Offensive. Wir brauchen dauerhafte Sozialbindungen. Diesen Hinweis will ich noch den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion geben: Wir brauchen natürlich auch mehr Unterstützung vom Bund. Dort trägt die SPD die Verantwortung für den Wohnungsbau. Auch da fehlt es an Impulsen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)