Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske über den Antrag der Linksfraktion "Umsteuern und Durchsetzen-Steuergerechtigkeit in Hessen herstellen"

Jan SchalauskeHaushalt und FinanzenRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 141. Plenarsitzung diskutiert der Hessische Landtag am 20.07.2023 über den Antrag der Linksfraktion "Umsteuern und Durchsetzen - Steuergerechtigkeit in Hessen herstellen". Dazu der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion Jan Schalauske

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die soziale Ungleichheit hat in Deutschland und Hessen dramatische Ausmaße angenommen. Während in Hessen jeder Fünfte von Armut bedroht und jedes vierte Kind von Armut betroffen ist, ist die Zahl der Einkommensmillionäre mittlerweile auf über 2.000 angestiegen. In Deutschland besitzen fünf Familien mit knapp 153 Milliarden € mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung, sie besitzen mehr als rund 40 Millionen Menschen. Allein der reichste Deutsche, der Lidl-Chef Schwarz, besitzt rund 40 Milliarden €. Während viele Menschen in diesen Tagen mit Blick auf Inflation und steigende Preise um ihre Existenz bangen, ist die Zahl der Millionäre in den Krisen der letzten Jahre weiterhin

gewachsen.

Enorme soziale Ungleichheit hat aber Auswirkungen auf nahezu alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens. Ungleichheit in den Eigentumsverhältnissen ist ein entscheidender Faktor, auch für andere Ungleichheiten. Wenn Arm und Reich finanziell auseinanderdriften, dann wachsen auch die Ungleichheiten bei Lebenserwartung, Gesundheit, Bildung, Schutz vor Gewalt, Teilhabe an gesellschaftlicher Willensbildung und vielen anderen Aspekten des Lebens. Eine starke Konzentration von Reichtum bei kleinen und mächtigen Gruppen ist nicht weniger als eine große Gefährdung der Demokratie, und das dürfen wir nicht weiterhin zulassen.

(Beifall DIE LINKE)

Wie wird denn jemand reich? Eher selten durch Erwerbsarbeit, häufiger durch Kapitaleinkünfte oder hohe Erbschaften. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hat einmal gesagt:

Es gibt Geld wie Dreck, es haben nur die falschen Leute.

Wenn eine Krankenschwester 350 Jahre lang arbeiten müsste, um auf das Jahresgehalt eines Vorstandsvorsitzenden zu kommen, dann hat das mit Leistungsgerechtigkeit doch überhaupt nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Häufig sind es schlicht Erbschaften, die Reiche zu Superreichen machen; und hier hätte der Staat eine entscheidende Verantwortung. Jedes Jahr werden über 400 Milliarden € vererbt, aber nur 10 Milliarden € an Steuern eingenommen. Große Erbschaften werden dabei im Durchschnitt niedriger besteuert als mittelgroße, und besonders krass ist die weitgehende Freistellung der Besteuerung von Betriebsvermögen. Man kann auch sagen: je fetter das Erbe, desto kleiner der Steuersatz. So betrug der durchschnittliche Steuersatz bei Erbschaften und Schenkungen von unter 20 Millionen € in den Jahren 2011 bis 2020  9 %. Ab 20 Millionen € betrug der durchschnittliche Steuersatz auf Erbschaften und Schenkungen nur noch 2,8 %. Die wenigen, die das Glück hatten, in der richtigen Familie geboren worden zu sein, können Häuser, Jachten, Firmenanteile, Aktien und all dies erben, zum Teil leistungslos.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Schlösser haben Sie noch vergessen!)

Man muss sich dabei klarmachen, dass die meisten Menschen in ihrem Leben praktisch gar nichts erben, und wenn doch, dann sind es lediglich geringe bis mittlere Vermögen von ihren nächsten Verwandten. Wir reden hier eben nicht davon, dass jemand das Haus der Eltern oder der Großeltern erbt. Wir reden davon, dass Menschen ganze Unternehmen und Konzerne erben und darauf so gut wie keine Steuern zahlen.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bundesrat endlich dafür einzusetzen, Steuervergünstigungen bei großen Unternehmenserbschaften zu streichen. Das wäre gegenüber den wirklich hart arbeitenden Menschen und den Steuerzahlern in diesem Land nur fair.

Meine Damen und Herren, neben einer Reform der Erbschaftsteuer müssen wir auch über die Wiedererhebung der Vermögensteuer sprechen. Ich weiß, weiten Teilen des Hauses passt das nicht so ganz. Was Sie dabei aber völlig außer Acht lassen, ist: Sie ist Teil der deutschen Finanzverfassung. Ihre Nichterhebung seit 1997 bedeutet eine Missachtung des Grundgesetzes, des Art. 106, in dem sie verankert ist. So werden diejenigen geschont, die sich höhere Steuern am ehesten leisten können. Deswegen wollen wir Vermögen über 1 Million € wieder besteuern. Es gäbe also einen Freibetrag von 1 Million €, eine Forderung, die im Übrigen auch SPD und GRÜNE in ihren Bundestagswahlprogrammen erhoben haben. Leider haben sie dies für den Pakt mit Finanzminister Lindner schon vor den Koalitionsverhandlungen entsorgt, obwohl sogar mehr als die Hälfte der FDP-Anhänger für die Wiedererhebung der Vermögensteuer sind.

Warum ist das für uns im Hessischen Landtag so wichtig? Weil die Erbschaft- und Vermögensteuer Ländersteuern sind. Auch wenn der Bund über die Erhebung und Gestaltung entscheidet, ist es aus Sicht der Länder zentral, dass diese Steuern erhoben und gerecht ausgestaltet werden.

(Beifall DIE LINKE)

Denn mit diesen Geldern könnten Lehrerinnen und Lehrer bezahlt werden, mehr Ausbildungsplätze für Erzieherinnen und Erzieher finanziert und die massive Armut in Hessen durch soziale Programme bekämpft werden. Es ist gut für alle Menschen, die auf ein funktionierendes Gemeinwesen angewiesen sind, wenn Reiche und Superreiche endlich gerechter an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligt werden. Steuergerechtigkeit bedeutet mehr Handlungsfähigkeit für Hessen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Aber neben dem Steuerrecht, das dem Staat die Möglichkeit einer gerechteren Besteuerung gibt, braucht es auch eine gut ausgestattete Steuerverwaltung, um das Steuerrecht anzuwenden und durchzusetzen. Hier hat sich der hessische Finanzminister in den letzten Wochen damit hervorgetan – das ist auch Teil Ihres Entschließungsantrags –, dass Sie die sogenannten Pandora Papers auswerten werden. Ich bin im Übrigen auch gespannt, was dort im Zusammenhang mit dem Flughafen Pulkovo steht; aber darüber reden wir nächste Woche vermutlich im Haushaltsausschuss. Dazu will ich sagen: An der Auswertung ist nichts falsch. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das Land auch hier seine Position geändert hat. Vor vielen Jahren wollten Sie Steuer-CDs und anderes nicht aufkaufen. Man hat mittlerweile also den Kurs gewechselt. Wir finden es richtig, wenn diese Daten ausgewertet und kriminelle Steuerhinterzieher überführt werden können.

(Beifall DIE LINKE)

Aber es reicht eben nicht aus, sich bei besonders prominenten Fällen hervorzutun und damit Schlagzeilen zu produzieren. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass die Steuerverwaltung unterbesetzt ist, dass die Ausbildungskapazitäten, die in diesem Bereich geschaffen wurden, nicht ausreichen und dass die von Schwarz-Grün geschaffenen Stellen in Wirklichkeit gar nicht oder kaum besetzt werden.

Bei der Vermögen- und Erbschaftsteuer – das werden wir gleich wieder erleben – kann sich Schwarz-Grün rausreden, nach dem Motto, dafür sei der Bund irgendwie zuständig; oder man will das gar nicht, wie die CDU. In Bezug auf die Steuerverwaltung, für die Sie verantwortlich sind, muss man sagen: Das ist Ihre Aufgabe, das ist Ihre Verantwortung.

Sie haben seit 2014 Stellen in der Steuerverwaltung geschaffen, von denen bis Ende 2022 fast 60 % nicht besetzt waren. So jedenfalls hat es die Landesregierung auf eine Große Anfrage ausgewiesen. Nur um 3,8 % ist der Personalbestand in der Steuerverwaltung gewachsen. Dabei betont doch der hessische Finanzminister immer wieder, wie wichtig die Beschäftigten dort sind – das sehen wir auch so, das ist vollkommen richtig –, weil sie letztlich dafür sorgen, dass das Land überhaupt Steuern einnehmen kann.

Ich finde aber, die Beschäftigten haben nicht nur unseren Dank und unsere Wertschätzung verdient. Ich finde, sie arbeiten so gut, dass wir deutlich mehr von ihnen gebrauchen könnten. Dafür ist das Land Hessen zuständig, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

In der Corona-Krise war die Finanzverwaltung sehr eingespannt. Zum Teil wirkt sich das auch noch bis heute aus. Ich kann nur ahnen, wie überlastet die Kolleginnen und Kollegen in einigen Bereichen sein müssen. Denn angesichts der zusätzlichen Aufgaben, die sie bewältigen müssen, musste sicherlich auch anderes liegen bleiben. Kaum ist Corona vorbei, gibt es mit der Grundsteuerreform die nächste große Aufgabe.

Meine Damen und Herren, Schwarz-Grün lässt die Steuerverwaltung seit zehn Jahren auf dem Zahnfleisch laufen. Sie haben es zwar geschafft, Stellen in den Haushalt aufzunehmen, besetzen konnten Sie diese aber kaum. Nach zehn Jahren Schwarz-Grün oder fast einem Vierteljahrhundert CDU-geführtem Finanzressort müssen Sie auch eingestehen, dass Sie dafür die politische Verantwortung tragen.

Gerade in dem Bereich, der besonders hoch qualifizierte Kräfte benötigt, ist der Personalmangel besonders eklatant. Mehr als jede vierte Stelle im höheren Dienst der Steuerverwaltung ist unbesetzt. Das ist nicht allein das Resultat eines demografischen Wandels, der nicht vorhersehbar war. Sie haben ja versucht, es wenigstens ein bisschen einzuplanen. Das ist letztlich, trotz allem, die Folge von jahrzehntelanger Fehlplanung. Sie haben es nicht in Griff bekommen, die Steuerverwaltung so aufzustellen und so auszustatten, wie es nötig gewesen wäre, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss. Wir wollen die Ausbildungskapazitäten ausweiten. Wir wollen attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen, statt nur darüber zu reden. Wir müssen die Regierung an dem messen, was sie gemacht hat oder was sie eben nicht gemacht hat.

Was Hessen nicht braucht, ist eine Landesregierung, die sich auf die Schulter klopft, dass sie jetzt Pandora Papers auswertet. Was Hessen braucht, ist eine Landesregierung, die Pandora Papers auswertet und die Finanz- und Steuerverwaltung noch deutlich besser aufstellt.

Wir wollen ein Umsteuern beim Steuerrecht und eine entsprechende Ausstattung der Finanzämter. Wir brauchen ein Umsteuern, um öffentliche Aufgaben zu finanzieren, ein Umsteuern, um Hessen gerecht zu machen.

(Beifall DIE LINKE)