Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske über studentischen Wohnraum

Jan SchalauskeRegierung und Hessischer LandtagWohnen

In seiner 143. Plenarwoche diskutiert der Hessische Landtag am 20.09.2023 über studentischen Wohnraum. Dazu der Fraktionsvorsitzende Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Auch wenn die Beantwortung der Großen Anfrage schon zwei Jahren her ist, hat das Thema überhaupt nichts an Aktualität eingebüßt, ganz im Gegenteil. In Kürze beginnt an den hessischen Universitäten und an den Hochschulen das Wintersemester. Schon jetzt ist völlig klar, dass die Situation zu Semesterbeginn wieder desaströs sein wird. Sehr viele Studierende werden erfolglos eine bezahlbare Wohnung suchen. Tausende werden auf den Wartelisten für Wohnheimplätze stehen. ASten, Studierendenwerke werden sich mit wütenden Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit wenden, verzweifelt an Privatpersonen appellieren, doch bitte Wohnraum an Studierende zu vermieten. Die Medien werden Bilder von Notbetten, von Übergangsquartieren zeigen. In Interviews werden Studierende berichten, dass sie trotz zweier Nebenjobs und einer 50-Stunden-Woche kaum genug Geld haben, um steigende Mieten, hohe Nebenkosten und immer teurer werdende Lebensmittel zu bezahlen – von der Möglichkeit eines fokussierten, eines zügigen Studiums ganz zu schweigen.

Meine Damen und Herren, das ist die Normalität der Wohnungskrise an hessischen Universitäts- und Hochschulstandorten. Diese Normalität ist ein Skandal.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen gleich zu Beginn: Als LINKE unterstützen wir ausdrücklich den Protest von Studierenden gegen diese unhaltbaren Zustände, zuletzt etwa an der Universität in Darmstadt, aber auch in Marburg, wo ich wohne. Jetzt am Wochenende findet in Frankfurt das bundesweite Camp der Initiative Mietenstopp statt. Auch das ist absolut unterstützenswert.

Wo liegen die Ursachen für den eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Studierende in Hessen? Genau dort, wo auch die allgemeinen Ursachen für die Wohnungskrise liegen. Der freie Wohnungsmarkt, der kapitalistische Wohnungsmarkt ist unfähig, für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen ausreichend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Es gibt ja Wohnraum für Studierende am freien Markt.

Nehmen Sie das Beispiel „The Flag“ am Philosophicum am alten Campus Bockenheim in Frankfurt, das einmal dem Land gehört hat. Dort hat ein privater Projektentwickler schicke Mikroappartements eingerichtet mit Empfangsschalter, Fitnessstudio, Dachterrasse usw. Kostenpunkt zwischen 800 und 1.000 € warm für 24 bis 31 m2.

Außerdem können sich Studierende im Cubus130 in Frankfurt-Niederrad einmieten, wo die landeseigene Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte auch Mikroappartements vermietet. Hier kosten 28 m2 1.000 € warm.

Alle, die keine reichen Eltern haben und sich kein möbliertes Appartement für 1.000 € leisten können, müssen dann eben schauen, wo sie bleiben. Sie landen bei normalen Einzimmerwohnungen. Diese kosten in Frankfurt durchschnittlich 700 €. Das sind WG-Zimmer, die ebenfalls kaum unter 500 € zu haben sind.

Nur einmal zur Erinnerung: Die BAföG-Wohnkostenpauschale wurde im vergangenen Jahr auf 360 € erhöht. Mindestens für die Rhein-Main-Region ist das völlig realitätsfern. Das reicht bei diesen Preisen hinten und vorne nicht. Hier bräuchte es regional gestaffelte Zuschüsse in realistischer Höhe. Leider stellt sich die Ampel in Berlin hier quer. Soziale Bildungspolitik ist leider auch aus Berlin nicht zu erwarten.

Der freie Wohnungsmarkt ist völlig überteuert. 30 % der Studierenden sind direkt von Armut betroffen. In einer solchen Situation sind die einzige Lösung öffentlich geförderte preisgebundene Wohnungen, insbesondere Wohnheime der Studierendenwerke. Davon gibt es in Hessen trotz zehn Jahren Schwarz-Grün oder gerade wegen zehn Jahren Schwarz-Grün noch immer viel zu wenige. Daran ändert auch nichts, dass in den vergangenen Jahren tatsächlich eine Reihe von neuen Wohnheimplätzen gebaut wurde.

Mit einer Unterbringungsquote von jetzt 8,12 % liegt Hessen weiter deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 9,52 % und ist weit entfernt von den 10 %, die Sie im Koalitionsvertrag selbst angepeilt hatten. Im Ländervergleich bedeutet das Platz 10 von 16.

Beim Anteil der Studierenden in Wohnheimen liegt Hessen im Bundesvergleich sogar nur auf dem fünftletzten Platz. Hinzu kommt, die Quote bezieht sich auf alle Studierendenwohnplätze. Nimmt man nur die Plätze der Studierendenwerke als Grundlage, liegt die Unterbringungsquote bei schmalen 6 %. Das ist alles, aber auch wirklich alles andere als eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall DIE LINKE und Dr. Daniela Sommer (SPD))

Ein weiteres Problem ist, die Plätze in den Wohnheimen werden immer teurer. Von 2012 bis 2021 ist die durchschnittliche monatliche Warmmiete in Frankfurt um 24 %, in Kassel um 25 % und in Gießen sogar um knapp 35 % gestiegen. Zuletzt haben wegen der Energiekrise viele Studierendenwerke die Grundmiete und die Nebenkostenpauschale noch einmal erhöht, zum Teil um über 10 %. Gerade einkommensschwache Studierende, für die die Wohnheimplätze oftmals die einzige Alternative sind, können diese Belastungen kaum mehr tragen. Hier bräuchte es einen sofortigen Mietenstopp und mehr Landesgeld für die hessischen Studierendenwerke.

(Beifall DIE LINKE und Dr. Daniela Sommer (SPD))

Ich komme zum Schluss. Mit dem Wohnen für Studierende ist es wie mit dem Wohnen für alle. Es ist einfach zu wichtig, um es allein dem Markt zu überlassen. Daher muss das Land gerade jetzt, gerade mitten in der Wohnungs- und Baukrise, konsequent handeln. Es braucht 2.000 Wohnheimplätze pro Jahr, deutlich mehr Mittel im entsprechenden Programm der sozialen Wohnraumförderung, im Übrigen auch für die Sanierung bestehender Wohnheime, dauerhafte Sozialbindung und mehr Unterstützung für Studierendenwerke und Wohnungsunternehmen bei der Suche nach geeigneten Grundstücken und Gebäuden.

Da wir einmal bei diesem Thema sind: So erfreulich es wäre, wenn sich am Kaiserlei in Offenbach eine Gelegenheit auftut, ist doch bezeichnend für die planlose Wohnungsbaupolitik dieser Landesregierung, dass sie auf die Insolvenz von Projektentwicklern hoffen muss, um ihre Ziele überhaupt zu erreichen. Nutzen Sie doch einmal die Gelegenheit, den Liegenschaftsfonds zu aktivieren, der in fünf Jahren nur einen einzigen Ankauf zustande gebracht hat. Die Türme am Kaiserlei, das Alte Polizeipräsidium in Frankfurt, die Dondorf-Druckerei usw. – an Gelegenheiten für eine neue, für eine soziale, ökologische und gemeinwohlorientierte Antwort auf die Wohnungskrise mangelt es aktuell überhaupt nicht. Es ist allein eine Frage des politischen Willens, und dieser fehlte bisher der schwarz-grünen Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)