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Rede

Jan Schalauske zum Bericht des Landesschuldenausschusses

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 131. Plenarsitzung am 22. März 2023 nahm der Hessische Landtag den Bericht des Landesschuldenausschusses entgegen. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Zunächst einmal will ich feststellen, es ist gut, dass wir heute über den Landesschuldenbericht sprechen. Ich will daran erinnern, dass der Landesschuldenbericht viele Jahre vom Parlament einfach so und ohne Aussprache zur Kenntnis genommen worden ist und dass es erst unsere Fraktion war, die in den vergangenen Jahren, auch aufgrund der Diskussionen über die Derivategeschäfte, dafür gesorgt hat, dass wir hier und heute wieder darüber sprechen.

(Beifall DIE LINKE)

Ja, andere waren eher für Derivategeschäfte. Das alles kann man in den Protokollen nachlesen. Aber ich glaube, im Kern gibt es, zumindest zwischen der SPD und den LINKEN – das hat auch die Rede der Kollegin Hartdegen gezeigt –, keine Differenz in der Bewertung, dass es ein Fehler war, dass im Schuldenmanagement des Landes Hessen ab dem Jahr 2010 Derivategeschäfte in einem erheblichen Umfang getätigt worden sind, die zu einem milliardenschweren Schaden für die öffentliche Hand in Hessen geführt haben. Da gibt es eine große Einigkeit. Diese Geschäfte waren eben keine Zinssicherungsgeschäfte, sondern sie waren, wie man deutlich sagen muss, Zinswetten, mit denen man darauf spekuliert hat, wie sich die Zinsen in der Zukunft entwickeln würden. Sie haben das Land Hessen einen mittleren Milliardenbetrag gekostet.

Diese Sichtweise haben nicht nur die LINKEN oder auch die SPD hier eingebracht, sondern diese Sichtweise hat der Landesrechnungshof in seinem Sonderbericht zur Evaluation des Derivateeinsatzes des Landes Hessen eindeutig bestätigt. Klar, der Rechnungshof spricht etwas freundlicher von finanziellen Nachteilen, die entstanden sind, aber er benennt sie deutlich. Da wundert es mich doch, dass das Finanzministerium bis heute darauf beharrt, dass die Derivate eigentlich ein gutes Geschäft gewesen seien und dass man – das ist auch etwas, was der Kollege Reul immer wieder sagt – ihr wirtschaftliches Ergebnis erst nach Ablauf der Geschäfte beurteilen könne.

Ein Blick in den Landesschuldenbericht zeigt aber eindeutig das Gegenteil. Der Schaden – oder auch der Nachteil – ist bei Abschluss der Geschäfte entstanden, und er kann errechnet werden, indem man den Zins zum Abschlusszeitpunkt, der für die Zukunft gedacht war, mit dem Zins zum Anlaufzeitpunkt vergleicht. So kommt der Rechnungshof zu einem Nachteil von über 4 Milliarden €. Auch das steht in diesem Landesschuldenbericht. Wer dann noch davon spricht, dass das gute Geschäfte gewesen sind, hat, glaube ich, diesen Bericht nicht richtig zur Kenntnis genommen.

(Beifall DIE LINKE)

Daran ändert auch überhaupt nichts, dass sich die Barwerte geändert haben; denn der Schaden ist zum Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäfte entstanden. Wenn man jetzt einmal den Alltagsverstand darauf anwendet, muss man sagen: Es kann einem doch niemand erklären, dass es eine gute Idee ist, im Jahr 2011 Zinsen für Kredite, die man ab 2020 braucht, festzulegen und dafür Laufzeiten von über 50 Jahren zu vereinbaren, in der Spitze über 60 Jahre. Man wollte über mehr als ein halbes Jahrhundert die Zinsen sichern. Im Ergebnis hat man nicht in dem Maße von der Niedrigzinsphase profitieren können, wie es möglich gewesen wäre. Das, was normale Bürgerinnen und Bürger nicht machen, sollte insbesondere auch die öffentliche Hand, bei der es um den sorgsamen Umgang mit Steuergeldern geht, nicht machen, nämlich solche Geschäfte abzuschließen.

Das sieht mittlerweile auch die Mehrheit in diesem Landtag so. Sie hat nämlich für die Zukunft darauf verzichtet, neue Derivategeschäfte abzuschließen. Diese Ermächtigung ist aus dem Gesetz gestrichen worden. Wenn die Geschäfte in der Vergangenheit so gut gewesen wären, könnte man fragen: Warum kommen Sie jetzt, da wir veränderte Zinsbedingungen haben, nicht auf die Idee, erneut Derivategeschäfte abzuschließen? Aus den Reihen der CDU kommt kein solcher Vorschlag, und ich glaube, das ist ein weiterer Beleg dafür, dass diese Geschäfte nicht besonders gut gelaufen sind.

Wenn man sich die aktuellen Entwicklungen auf dem Kreditmarkt anschaut, stellt man fest, die Sorge ist groß – das hat auch die Debatte gezeigt –, dass die Zinsen weiter steigen werden. Es wird zu steigenden Zinsausgaben kommen. Ich glaube allerdings, man kann mit einer gewissen Gelassenheit damit umgehen. Entscheidend ist nämlich nicht nur die Frage, wie hoch die Zinsausgaben sind, sondern am Ende ist auch immer die Frage entscheidend, wie es um die Einnahmenseite bestellt ist.

Da haben wir als LINKE viele gute Vorschläge, dass, wenn sie sich dann durchsetzen, dieser Entwicklung mit einer gewissen Gelassenheit begegnen werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)