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Rede

Jan Schalauske zum Hessischen Wohnraumfördergesetz

Jan SchalauskeWohnen

In seiner 110. Plenarsitzung am 13. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag das Hessische Wohnraumfördergesetz und wohnungsbindungsrechtliche Vorschriften. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden heute hier über den Entwurf für ein Gesetz zum sozialen Wohnungsbau in Hessen. Worüber reden wir, wenn wir uns die Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land anschauen? Wir reden heute nicht nur über die Menschen, die in einer der noch vorhandenen knapp 80.000 Sozialwohnungen leben, sondern auch über Menschen, die in einer der 120.000 ehemaligen Sozialwohnungen leben, die seit 1990 aus der Bindung gefallen sind.

(Stephan Grüger (SPD): Hört, hört!)

Wir reden heute über Menschen, die in den 46.000 Haushalten leben, die auf Wartelisten für Sozialwohnungen stehen, und wir reden über knapp 750.000 Mieterinnen- und Mieterhaushalte, die Anspruch auf eine Sozialwohnung in Hessen haben. Nach den Zahlen, die uns vorliegen, ist es mehr als die Hälfte der Haushalte, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Kurz: Wir reden heute über nicht mehr und nicht weniger als über wichtige Antworten auf die Frage des sozialen Wohnungsbaus in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir uns das anschauen, was Sie hier vorgelegt haben – Gesetzentwurf zur Wohnraumförderung und Wohnraumbindung –, stellen wir fest: Das macht leider deutlich, dass Sie entgegen allen öffentlichen Bekundungen das Problem in seiner Grundsätzlichkeit bis heute nicht verstanden haben, obwohl Sie hin und wieder das Gegenteil beteuern. Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, warum Sie dort lediglich ein paar formale Fragen angehen und ein paar redaktionelle Änderungen vornehmen, aber keine substanzielle Novellierung der wirklich wichtigen sozialen Themen anstreben, die hinter diesem Gesetz stehen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Da kann ich Ihnen leider nicht die Rückmeldungen ersparen, die uns aus der hessischen Mietenbewegung erreicht haben. Ein Aktivist aus der Mietenbewegung kommentierte etwas lakonisch: Geändert wird eigentlich nichts, aber, immerhin, wenigstens wird jetzt richtig gegendert. – Und ja, wir finden es richtig, dass in dem Gesetzestext gegendert wird, im Unterschied zu den Menschen hier rechts außen, die keine Debatte auslassen, um ihre reaktionären ideologischen Vorstellungen einzubringen.

(Lachen und Zurufe AfD)

Aber das allein reicht nicht. Wir brauchen vielmehr eine andere Wohnungspolitik. Wir brauchen kein grünes Anstreichen der Fortschreibung der bisher gescheiterten Wohnungspolitik. Das machen Sie mit diesen Gesetzentwürfen, und das reicht eben nicht aus.

(Beifall DIE LINKE)

Man kann natürlich darüber reden, dass Sie zu Beginn der Gesetzgebung – auch beim Regelungsbereich – nicht den großen Wurf machen, den es eigentlich bräuchte. Aus unserer Sicht sollten sich diese Gesetze darauf konzentrieren, sozialen Mietwohnraum zu schaffen. Wir sind uns in den Debatten immer einig, dass das die zentrale Aufgabe unserer Zeit ist. Aber wenn es denn so ist – das ist unsere Auffassung –, sollten wir die Mittel, um die es hier geht, ausschließlich für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus verwenden. Das sollten wir auch gesetzlich klarstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Dann reden wir über ein wichtiges Thema, das die Kolleginnen und Kollegen vorhin schon angesprochen haben: die Einkommensgrenzen. Die aktuellen Einkommensgrenzen, deren Unterschreitung zum Bezug einer geförderten Mietwohnung berechtigt, liegen für einen Einpersonenhaushalt bei gerade einmal 16.351 € Jahreseinkommen. Das entspricht 1.362 € pro Monat. Bei einem Zweipersonenhaushalt sind es 24.807 €, also 1.033 € pro Person und Monat. So geht es immer weiter.

Ihnen müsste doch klar sein, dass bei diesen Zahlen und den explodierenden Preisen die veralteten Regelungen nicht ausreichen, um mit den steigenden Kosten mitzuhalten. Da reicht Ihre Dynamisierung eben nicht aus.

(Beifall DIE LINKE)

Bei der letzten Änderung des Gesetzes vor zehn Jahren haben wir schon darüber diskutiert. Da hat nicht nur DIE LINKE, sondern auch die SPD gesagt – Frau Barth hat es heute wieder hineingetragen –, dass wir eine deutlich höhere Einkommensbemessungsgrenze brauchen. Damals haben wir 17.000 bis 18.000 € gefordert.

Eigentlich müsste diese Grenze heute deutlich höher liegen. In anderen Bundesländern ist das möglich. In Nordrhein-Westfalen sind das über 20.000 € für eine Einzelperson; das sind 4.000 € mehr als in Hessen. Selbst in dem von der CSU regierten Bayern liegt die Einkommensgrenze höher. Da muss man sich doch fragen: Warum schafft es diese Landesregierung mit einem grünen Wohnungsbauminister nicht, die Einkommensgrenzen angemessen auszugestalten?

(Beifall DIE LINKE)

Die Antwort haben Sie heute gegeben: Sie wollen die Einkommensgrenzen gar nicht erhöhen. Ihre Antwort vor zehn Jahren war, dass das ungerecht gegenüber den Ärmsten der Armen sei. Die Antwort, die Sie heute gegeben haben, lautete, dass es zu wenige Sozialwohnungen gibt. Das war die Antwort der GRÜNEN als auch die der FDP: Es gibt nicht genügend Wohnungen. Also dürfen wir den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht zu stark ausweiten.

Da muss man doch sagen: Das ist die völlig falsche Antwort. Notwendig wären nämlich stattdessen weitere Aktivitäten, um den Bestand an geförderten und an sozialen Mietwohnungen in Hessen auszubauen. Da reicht es eben nicht, schöne Bilder von irgendwelchen Schiffen und Tankern zu entwickeln. Da reicht es auch nicht, eine Stagnation auf einem historischen Tiefstand zu einer Trendwende zu verklären. Vielmehr brauchen wir eine Offensive für den sozialen Wohnungsbau mit Tausenden bezahlbaren Sozialwohnungen mehr, die Jahr für Jahr geschaffen werden sollten, statt immer wieder mit irgendwelchen Zahlen und irgendwelchen Bildern zu agieren. Davon haben die Menschen in Hessen nämlich nichts.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiteres Problem ist aber: Allein mit der Schaffung von neuen Sozialwohnungen, so wichtig das ist und sosehr die schwarz-grüne Landesregierung dabei versagt, ist es nicht getan. Es fallen jährlich unzählige Sozialwohnungen aus der Bindung, und das wird auch von allen als problematisch erkannt.

Jetzt hätten Sie die Chance, etwas dagegen zu tun. Nur heißt es in Ihrem Gesetzentwurf leider, die Förderung werde für einen angemessenen Zeitraum festgelegt. Wir finden aber, der Begriff „angemessener Zeitraum“ reicht nicht. Wir brauchen eine im Gesetz verankerte Mindestdauer. Vor zehn Jahren haben wir einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren vorgeschlagen. Heute ist klar, dass er noch viel länger sein muss. Das Ziel muss grundsätzlich sein: einmal sozial gebaut, immer sozial gebunden. Das müssen wir auch entsprechend verankern.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Abschluss: Der vorliegende Gesetzentwurf wird den Problemen auf dem Wohnungsmarkt nicht gerecht. Chancen, wenigstens an einigen Stellschrauben zu drehen, werden nicht genutzt.

Trotzdem muss sich auch grundsätzlich etwas ändern. Das deutsche System des sozialen Wohnungsbaus ist irreführend; es ist international einmalig. Öffentliche Gelder sollten dazu genutzt werden, öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten: einmal sozial gebaut, immer sozial gebunden.

Über diese Fragen werden wir in der Anhörung weiter diskutieren. Ich gehe davon aus, dass dort sehr viele gute Argumente dafür kommen werden, warum dieses Gesetz mehr verdient als nur ein paar formale Änderungen, nämlich eine grundsätzliche Novellierung.

(Beifall DIE LINKE)