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Rede

Jan Schalauske zum kostenlosen Meisterbrief

Jan SchalauskeWirtschaft und Arbeit

In seiner 107. Plenarsitzung am 2. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag über den kostenlosen Meisterbrief. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden Jan Schalauske.

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, für das Handwerk sind es in der Tat bewegende Zeiten. Manche Branchen boomen. Das sind z. B. der Bau und die Heizungstechnik. Sie leiden aber gleichzeitig unter eklatantem Material- und Personalmangel.

Darüber hinaus gibt es weiterhin problematische Folgen aufgrund der Deregulierung in der Vergangenheit. Das ist z. B. die Zunahme der Zahl der Soloselbstständigen. Sie arbeiten häufig unter prekären Bedingungen und setzen auch noch den einen oder anderen klassischen Handwerksbetrieb unter Konkurrenzdruck.

Unserer Ansicht nach wäre es wichtig, dass wir die Mittel, die wir haben, auch nutzen. Zum Beispiel sollten wir beim Vergaberecht des Landes weitere Schutzplanken einziehen. Da geht es um den Tariflohn und gegen das Dumping durch das Unterlaufen der sozialen und ökologischen Standards. Es geht um die Arbeit mit Subunternehmen. Am Ende stehen dann oft gerade auf dem Bau quasi rechtlose Schein- und Soloselbstständige. Da müssen wir aufräumen. (Beifall DIE LINKE)

Man muss einmal sagen, was durchaus richtig ist. Es ist natürlich sinnvoll, dass das Land Hessen jetzt eine Stoffpreisgleitklausel bei Aufträgen der öffentlichen Hand ermöglicht. Das konnte man in den letzten Tagen wirklich sehr häufig vernehmen: Die Preissteigerung beim Baumaterial hat die Handwerksunternehmen enorm in die Bredouille gebracht. Denn sie können die Preise nicht nachverhandeln. – So viel zum Lob.

Das reicht natürlich nicht aus. Die sozial-ökologische Novellierung des Vergaberechts in Hessen steht weiterhin aus. Sie ist Schwarz-Grün uns schuldig geblieben. Die brauchen wir.

Das wäre auch für die Unterstützung der Handwerksbetriebe wichtig, die z. B. ihrer Verantwortung nachkommen, auszubilden. Denn das Handwerk ist weiterhin nicht nur ein sehr wichtiger Arbeitgeber, sondern auch eine sehr wichtige Säule im dualen Ausbildungssystem. Die Ausbildungsplätze im Handwerk gehen vor allem darauf zurück, dass Betriebe, bei denen jemand einen Meisterbrief hat, häufiger als solche ohne jemanden mit einem Meisterbrief ausbilden.

Jetzt hört man oft die Klagen über den angeblichen Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Das hört man auch aus einer sehr merkwürdigen Ecke. Oft wird so getan, als sei das ein bloßes Vermittlungsproblem. Sehen wir uns aber doch einmal die Realität der jungen Menschen in den vielen Gewerken ganz genau an. Die Realität ist, dass es viel Arbeit und wenig Geld gibt, und das nicht immer unter den besten Arbeitsbedingungen.

Das kann man auch mit Zahlen belegen: Mittlerweile arbeitet nur noch jeder dritte Beschäftigte in einem Handwerksbetrieb mit Tarifbindung. Bereits vor einigen Jahren hat der DGB dazu eine Umfrage gemacht. Demzufolge fanden nur 10 % der im Handwerk Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen gut. Das ist die Einschätzung der Beschäftigten.

Knapp die Hälfte berichteten, dass ihr Arbeitseinkommen nicht oder nur gerade so zum Leben reicht. 80 % gehen davon aus, dass ihre Rente später nicht reichen wird. 52 % sagen, dass sie unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen ihren Job bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters nicht durchhalten werden.

(Zuruf: Hört, hört!)

Auch das hört man in den Gesprächen: Was die Menschen allerdings durchhalten lässt, ist häufig die besondere Hingabe zu ihrem Beruf. 81 % der Beschäftigten im Handwerk identifizieren sich mit ihrer Arbeit. Umso trauriger ist es, dass der Lohn häufig oder mitunter nicht zum Leben reicht.

Zu diesem Bild passt dann auch, dass etwa zwei von drei Auszubildenden im Handwerk in die Industrie, in den Handel oder auch an die Hochschulen abwandern. Da muss man schon sagen, dass dieser Teil des Fachkräftemangels selbst gemacht ist.

Das Handwerk zu stärken heißt am Ende auch, das Handwerk attraktiv zu machen. Das Handwerk attraktiv zu machen, heißt, neue Fachkräfte auszubilden und die vorhandenen Fachkräfte zu sichern. Das bedeutet für uns, dass es eine Politik geben muss, die gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen z. B. durch Verbesserungen im Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz unterstützt. Denn da kann die öffentliche Hand Macht entfalten. Da hat SchwarzGrün bis heute nicht geliefert.

(Beifall DIE LINKE)

Auch das will ich sagen: Wir diskutieren heute über den Meisterbrief. Selbstverständlich ist es wichtig, den Besitz des Meisterbriefs wieder zu stärken. Vor einigen Jahren wurden weitere Gewerke zurück in die Meisterpflicht geführt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Die Meisterpflicht ist ein Schutz gegen die Zunahme der Solo- und Scheinselbstständigkeit. Die Meisterbetriebe bilden häufiger aus. Sie sind häufiger tarifgebunden.

Nach den Irrungen der Deregulierung durch die Europäische Union und auch durch die Hartz-Reformen muss die Meisterpflicht wieder ausgebaut werden. Dazu gehört im

Gegenzug natürlich auch, dass die Ausbildung zum Meister kostenfrei sein muss, damit mit der Einführung der Meisterpflicht eben keine neuen sozialen Hürden geschaffen werden.

Für uns gilt das aber auch aufgrund eines sehr grundsätzlichen humanistischen Verständnisses. Bildung muss generell kostenfrei sein. Das gilt von der Krippe bis zum Master und zum Meister. Bei den Studiengebühren haben wir das bereits gezeigt. Die hat Hessen abgeschafft. Dann lassen Sie uns doch auch die Gebühren zur Meisterprüfung abschaffen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Als Partei der sozialen Gerechtigkeit sind wir naturgemäß auch die Partei für die kleinen, mittleren und mittelständischen Unternehmen.

(Vereinzeltes Lachen AfD und Freie Demokraten)

Das sind die Unternehmen, in denen man die Chefs noch persönlich kennt. Sie stellen die meisten Ausbildungsplätze bereit. Herr Dr. Grobe, in der Regel bezahlen sie in diesem Land ihre Steuern und Sozialabgaben mit Anstand. Da gibt es einen Unterschied zu manchen Unternehmen, die Sie unterstützen. An der Seite dieser Unternehmen und dieser Beschäftigten im Handwerk steht DIE LINKE.

(Beifall DIE LINKE)