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Rede

Jan Schalauske zur Änderung des Wohnraumfördergesetzes

Jan Schalauske
Jan SchalauskeWohnen

In seiner 52. Plenarsitzung am 10. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über eine Änderung des Wohnraumfördergesetzes. Dazu die Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir behandeln dieses Thema zu später Stunde. Meine Kollegin Barth hat davon gesprochen, dass wir Geisterstunde haben und dass auf der rechten Seite auch so manche Schreckgespenster sitzen. Man könnte sich jetzt auch noch in das Gruselkabinett Ihrer mieten- und wohnungspolitischen Vorschläge verirren. Man könnte auch einmal darüber reden, wie Sie über Mieterinnen und Mieter sprechen. Das will ich mir aber angesichts der fortgeschrittenen Stunde sparen.

In der Sache ist es so, dass sich die meisten Fraktionen sehr einig sind. Es ist sinnvoll, die sogenannte Nachwirkungsfrist bei vorzeitiger freiwilliger Rückzahlung von Förderdarlehen im sozialen Wohnungsbau von fünf auf zehn Jahre zu verlängern. Die Zahlen, die in der Anhörung von seriösen Expertinnen und Experten genannt wurden, bestätigen das. Frau Barth hat sie genannt. In Wiesbaden sind innerhalb von nur drei Jahren 970 Wohneinheiten durch vorzeitige Bindungsablösung verloren gegangen. Das sind 10 % aller öffentlich geförderten Wohnungen in der Stadt. In Frankfurt war es sogar so, dass dort 4.692 Wohnungen vorzeitig abgelöst wurden. Das sind sogar 20 % des Altbestandes an Sozialwohnungen. Würde man das mit Belegungsrechten kompensieren, entstünden Mehrkosten von 65 Millionen €. Man sieht also, die Verlängerung der Nachwirkungsfrist ist nicht nur sozialpolitisch richtig, sondern auch finanzpolitisch vernünftig.

Interessant finde ich – das sage ich denjenigen, die diese Maßnahmen nicht unterstützten wollen –, was das Frankfurter Wohnungsamt in seiner Stellungnahme berichtet hat:

Aus Gesprächen mit den hiesigen Eigentümerinnen und Eigentümern ist uns bekannt, dass ohne die Mietpreis- und Belegungsbindung wesentlich höhere Mieten erzielt und die Vermietungsentscheidung unmittelbar und ohne Rücksicht auf das Einkommen und Wohnungsgröße getroffen werden können.

Weiter heißt es:

Die Eigentümerinnen und Eigentümer versprechen sich von der vorzeitigen Rückzahlung daher eine weit größere Rentabilität und Flexibilität in ihren Beständen.

Es geht also um die Möglichkeit, die Mieten zu erhöhen. Das sind zwar erfrischend offene Auskünfte. Allerdings sind sie schädlich für die Mieterinnen und Mieter. Deswegen ist es richtig, die Frist wieder zu verlängern.

In einer anderen Stellungnahme sind Aspekte bestätigt worden, die uns LINKEN besonders wichtig sind. Der DGB Hessen-Thüringen hat geschrieben:

Vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt geht der Gesetzentwurf jedoch nicht weit genug. Der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen setzt sich für dauerhafte Sozialwohnungen nach dem Prinzip „einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung“ ein. Die Bindungsfrist sollte dementsprechend entfallen.

Ähnlich argumentieren der Deutsche Mieterbund, die Neue Wohnraumhilfe Darmstadt, das Bündnis MietenwahnsinnHessen und andere Anzuhörende.

Um es am Ende noch einmal etwas spannend zu machen, will ich Ihnen auch die sehr präzise, wenn zu später Stunde vielleicht doch recht anspruchsvolle Stellungnahme von Prof. Sebastian Schipper vom Frankfurter Institut für Humangeografie mit auf den Weg geben, der in seiner Stellungnahme im Rahmen der Anhörung geschrieben hat:

Angesichts der temporär ausgerichteten Logik des hessischen Wohnraumfördersystems und der darin eingeschriebenen Abhängigkeit von den Renditeerwartungen der Investoren wird sich das drängende Problem des Mangels an preisgebundenem Wohnraum ohne eine grundlegende Änderung des Wohnraumfördergesetzes nicht lösen lassen.

Er schreibt weiter:

Die von der SPD formulierte Änderung des Wohnraumfördergesetzes … weist in die richtige Richtung, weil dadurch zumindest die Geschwindigkeit des weiteren Abschmelzens des Sozialwohnungsbestandes in Hessen gebremst werden kann.

(Unruhe)

– Ich weiß, ich mute Ihnen etwas zu. Ich finde die Stellungnahme aber doch sehr lesenswert.

(Unruhe)

Präsident Boris Rhein:

Ich muss Sie kurz unterbrechen, Herr Kollege Schalauske. – Es ist zu laut. Ich bitte, trotz der späten Stunde dem Redner Gehör zu schenken.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Prof. Schipper schreibt:

Um die Wohnungsnöte unterer sowie mittlerer Einkommensgruppen, die sich am Markt nicht angemessen mit für sie bezahlbarem Wohnraum versorgen können, substanziell und langfristig zu lösen und zugleich sozialräumliche Segregationstendenzen … abzuschwächen, wäre aus wissenschaftlicher Perspektive … eine grundlegende Abkehr vom vorherrschenden Prinzip der „sozialen Zwischennutzung“ bzw. die Einführung dauerhafter Sozialbindungen anzuraten.

Dieser Stellungnahme ist nichts hinzuzufügen. Der Gesetzentwurf weist in die richtige Richtung, aber was wir eigentlich brauchen, ist eine dauerhafte Sozialbindung nach dem Motto „einmal gefördert, immer gefördert“.

(Beifall DIE LINKE)