Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Zwischennutzung beenden, öffentliches Wohnungsbauprogramm starten

Jan Schalauske

In seiner 51. Plenarsitzung am 2. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Änderung des hessischen Wohnraumfördergesetzes. Dazu die Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Frau Kollegin Förster-Heldmann von den GRÜNEN, da man „In Hessen nichts Neues“ vermelden muss, ist es eben notwendig, im Plenum des Hessischen Landtags öfter eine Grundsatzdebatte über die Wohnungspolitik zu führen. Die Lage am Mietwohnungsmarkt ist nach wie vor katastrophal. Die Mieten steigen und steigen, die Menschen werden aus ihren Wohnungen verdrängt, und bezahlbarer Wohnraum ist zumindest in den Ballungszentren und in größeren Städten Mangelware. Obendrauf kommt jetzt die Corona-Pandemie, deren Folgen für die Mieterinnen und Mieter noch immer nicht ganz abzusehen sind.

Als Antwort auf diese Misere haben wir in den vergangenen Plenardebatten immer wieder gehört – heute waren die Stimmen ein bisschen leiser –: bauen, bauen, bauen. Ja, gebaut wird – auch darüber haben wir hier öfter diskutiert –, nur leider völlig am Bedarf vorbei. Es entstehen zwar Tausende teure Eigentums- und Tausende teure Mietwohnungen, aber es entsteht nicht der Wohnraum, der wirklich gebraucht wird.

Frau Kollegin Förster-Heldmann, entgegen Ihren früheren Ausführungen, in denen es von Ihnen immer hieß, man dürfe es sich mit den Playern auf dem Wohnungsmarkt nicht verderben, haben Sie heute gesagt: Nein, wir GRÜNE wollen auch nicht, dass der Markt alles regelt. – Es bleibt trotzdem der Eindruck, dass diese Landesregierung bei der Lösung der Wohnungsfrage vor allem auf den Markt und auf die privaten Player setzt, und die lösen die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht, sondern sie schaffen sie erst. Das ist unsere feste Überzeugung.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen wollen wir zur Lösung der Probleme eine konsequente öffentliche Förderung des bezahlbaren Wohnraums: eine soziale Wohnraumversorgung für die vielen Menschen ohne hohes Einkommen, an deren Bedürfnissen der freie Markt systematisch vorbeibaut. Wenn Herr Lenders sagt, es gibt auch Leute, die dringend eine bezahlbare Wohnung brauchen, aber für eine Sozialwohnung zu viel verdienen, sage ich: Meine erste Maßnahme wäre, endlich das umzusetzen, was Schwarz-Grün schon vor Langem verkündet hat, nämlich dass es den zweiten Förderweg nicht nur in einem Regierungsbezirk gibt, sondern in ganz Hessen. Auf diese Maßnahme warten wir schon seit vielen Monaten.

(Beifall DIE LINKE)

Aber schauen wir uns noch einmal die Zahlen an. Die sind wichtig, und man kann auch nicht so leichtfertig von einer leichten „Delle“ reden. Wir wollen uns die Zahlen des sozialen Wohnungsbaus in Hessen anschauen. Wir warten immer noch auf die Antwort auf unsere Kleine Anfrage.

Aber unsere Bundestagsfraktion hat schon Zahlen vorgelegt. Über sie ist berichtet worden. Diese Zahlen zeigen, dass auch im Jahr 2019 keine Trendwende gelungen ist, trotz der hier immer wieder mantraartig vorgetragenen Rekordfördersummen. Weiterhin fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neue hinzukommen. Das ist die traurige Bilanz der schwarz-grünen Landesregierung. Waren es 2018 noch 80.300 Sozialwohnungen, waren es ein Jahr später 79.728. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 gab es noch über 111.000 solcher Wohnungen. Das ergibt bei der Zahl der Wohnungen ein Minus von über 31.000 in sechs Jahren Schwarz-Grün.

Meine Damen und Herren, das ist auch keine leichte Delle, die irgendwann entstanden ist, sondern das ist eine Katastrophenbilanz, für die die CDU und die GRÜNEN in diesem Land die politische Verantwortung tragen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber – diese kritische Bemerkung muss erlaubt sein – der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus in Hessen liegt nicht allein in der Verantwortung der Landesregierung. Auch die Koalition im Bund macht zu wenig, um da gegenzusteuern. Im Gegenteil, dieses Jahr hat die Koalition die Ausgaben für die soziale Wohnraumförderung um ein Drittel reduziert, von 1,5 Milliarden € in den Jahren zuvor auf jetzt nur noch 1 Milliarde €. So geht der ohnehin schon dramatische Rückgang der Zahl der Sozialwohnungen nahtlos weiter. Das finden wir falsch.

Auch wenn die Bundespolitik hier eine große Mitverantwortung trägt, dürfen sich GRÜNE und CDU nicht aus der Verantwortung stehlen. Natürlich wäre es notwendig, das Hessische Wohnraumfördergesetz endlich zu ändern. Es ist auch, wie es im heute vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion gefordert wird, völlig richtig, die Nachwirkungsfrist im Falle einer vorzeitigen freiwilligen Tilgung von Förderdarlehen wieder auf zehn statt der bisher fünf Jahre zu verlängern.

(Zuruf Jürgen Lenders (Freie Demokraten))

Herr Kollege Lenders, ich finde, wir dürfen es den Investoren nicht so leicht machen, sich aus ihrer sozialen Verantwortung herauszukaufen und die ohnehin begrenzte Zeit der sozialen Zwischennutzungen im sozialen Wohnungsbau durch eine vorzeitige Rückzahlung der Kredite weiter zu verkürzen. Ich kann verstehen, dass Ihnen das alles ganz gut gefällt, weil es für die Privaten attraktiv ist – das haben Sie auch gesagt –; aber für uns ist nicht der Maßstab, was für die Privaten attraktiv ist. Für uns ist der Maßstab, was den Mieterinnen und Mietern hilft, und da müssen wir von der sozialen Zwischennutzung wegkommen.

(Beifall DIE LINKE)

In der Vergangenheit sahen das übrigens auch die GRÜNEN so; Frau Kollegin Barth von der SPD hat heute schon darauf hingewiesen. Auch Kollege Lenders von der FDP hat es erwähnt: Im Jahr 2012 haben die CDU und die FDP gemeinsam die Frist verkürzt.

Damals sprach der Abg. Kai Klose in der Plenardebatte. Er sagte am 26. Juni 2012, diese Maßnahme sei eine „Grußadresse an die vermeintlich eigene Klientel, in diesem Fall die Wohnungswirtschaft“. Es kommt nicht oft vor, dass wir in den Debatten zur Wohnungspolitik den hessischen GRÜNEN in wohnungspolitischen Fragen zustimmen, aber hier muss ich es ausdrücklich tun. Es ist sehr richtig. Der Kollege Klose hat es auf den Punkt gebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, deswegen: Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen, machen Sie Schluss mit der Klientelpolitik für die Immobilienwirtschaft, und verlängern Sie die Nachwirkungsfrist wieder, am besten gleich auf zwölf Jahre, so, wie es SPD, LINKE und GRÜNE in Berlin gemacht haben.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Klar ist aber auch, diese Maßnahme allein wird es nicht richten. Wie Herr Frömmrich genau weiß, wollten die GRÜNEN noch viel mehr verkaufen.

(Fortgesetzte Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen)

– Ja, die GRÜNEN wollten viel mehr verkaufen. Die GRÜNEN tragen die Verantwortung für den Verkauf der Wohnungen der Eisenbahner auch in Hessen; sie sind heute bei Vonovia, und dann wird auch noch von der Erbpacht profitiert. Das ist eine Schande. Die GRÜNEN sollten sich einmal an die eigene Nase fassen, statt wohlfeile Reden im Parlament zu halten.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frömmrich, wir brauchen eine Offensive im sozialen Wohnungsbau. Wir wollen mit der sozialen Zwischennutzung Schluss machen, und wir wollen, dass die Bindungen längerfristig sind, dass sie also nicht einfach nach zehn oder 20 Jahren – oder sogar noch früher – ablaufen. Wir wollen nicht, dass sich Unternehmen damit von sozialen Verpflichtungen freikaufen können. Hier besteht dringender Änderungsbedarf am Hessischen Wohnraumfördergesetz. Aber der Änderungsbedarf geht viel weiter, und das werden wir in diese Debatten tragen, ob es den GRÜNEN passt oder nicht.

(Beifall DIE LINKE)