Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler - Luftverkehr sozial-ökologisch regulieren - Mobilität von morgen muss klimafreundlich sein

Janine WisslerVerkehr

In seiner 75. Plenarsitzung am 20. Mai 2021 diskutierte der Hessische Landtag eine Aktuelle Stunde zum Luftverkehr in Hessen und zur Situation am Frankfurter Flughafen. Dazu die Rede unseres verkehrspolitischen Sprecherin Janine Wissler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Frankfurter Flughafen im Speziellen und über den Luftverkehr in Deutschland im Allgemeinen, und das inmitten der Corona-Krise. Die FDP empört sich darüber, dass es aktuell eine Debatte über Kurzstreckenflüge gibt. DIE LINKE fordert schon seit vielen Jahren, dass der Verkehr von Kurzstreckenflügen auf die Schiene verlegt werden soll, und jetzt haben auch SPD und GRÜNE festgestellt, dass hier dringend gehandelt werden muss. Da kann ich nur sagen: „Gut so“; denn es geht um Klimaschutz.

Fliegen ist klimaschädlich, und wir müssen die Zahl der Flugbewegungen dringend reduzieren. Ein Fünftel der Flüge vom Frankfurter Flughafen entfällt auf Verkehr, der ohne effektiven Zeitverlust auf die Schiene verlagert werden könnte, und ein Drittel aller Flüge vom Frankfurter Flughafen hat Ziele, die in weniger als sechs Stunden mit der Bahn zu erreichen sind. Es geht also nicht um den Flug nach Mallorca, sondern es geht z. B. um Flüge von Frankfurt nach Stuttgart. Die hat es nämlich vor der Corona-Krise immer noch gegeben, und es ist doch wirklich Wahnsinn, dass man von Frankfurt nach Stuttgart fliegt. Es ist nur sinnvoll, das auf die Schiene zu verlegen. Das geht selbst bei der heutigen Kapazität.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ein Problem, wenn eine kurzfristig gebuchte Bahnfahrt teurer ist als ein Kurzstreckenflug; und das muss man auch ändern. Auch darauf ist in der Debatte hingewiesen worden. Der ganze Flugverkehr wird laut Umweltbundesamt mit 12 Milliarden € pro Jahr subventioniert. Ganz selbstverständlich übrigens, während wir bei jeder neuen Bahnstrecke um das Kosten-Nutzen-Verhältnis feilschen müssen, wird hier der Flugverkehr, obwohl er so klimaschädlich ist, einfach subventioniert.

Nun hat die Corona-Krise den Flugverkehr massiv reduziert. Sicherlich werden auch einige Effekte bleiben. Man wird vielleicht doch mehr Videokonferenzen machen, statt für eine Sitzung um die Welt zu fliegen. Aber im Großen und Ganzen werden alte Gewohnheiten zurückkehren und damit auch die Probleme des Luftverkehrs, nämlich der immense CO2-Ausstoß, lokale Schadstoffe und natürlich Lärm.

Da kann die FDP jetzt sagen: Fliegen ist Freiheit. – Ja, es geht um Freiheit, aber es geht eben auch um die Freiheit der kommenden Generationen. Da hat das Bundesverfassungsgericht gerade sehr deutlich gemacht, dass unsere Art, zu wirtschaften, und die Mobilität die Freiheitsrechte der künftigen Generationen gefährden. Darüber sollten Sie als selbst ernannte Freiheitspartei einmal nachdenken: wie viel die Freiheit am Ende noch wert ist, wenn der Meeresspiegel steigt.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Natürlich ist der Frankfurter Flughafen Arbeitsplatz für Zehntausende Menschen, und Klimaschutz muss mit der sozialen Absicherung einhergehen. Wir brauchen einen sozial-ökologischen Umbau. Schon vor der Krise haben sich die Bedingungen am sogenannten Jobmotor Frankfurter Flughafen deutlich verschlechtert. Subunternehmen wurden eingesetzt. Dadurch wurden Tarifverträge unterlaufen. Die Bodenverkehrsdienste wurden liberalisiert. Ungeliebte Tochterfirmen wurden verkauft. Mit Ryanair wurde ein Unternehmen, das aggressives Sozialdumping betreibt, mit Rabatten nach Frankfurt gelockt – genehmigt vom hessischen Wirtschaftsministerium.

Jetzt, in der Corona-Krise, bangen Zehntausende Beschäftigte um ihre Jobs. Alleine die Lufthansa will Tausende von Arbeitsplätzen abbauen und kündigt weiteren Stellenabbau an. Ob bei Condor oder bei den Bodenverkehrsdiensten: Die Zeche für die Krise am Flughafen zahlen die Menschen in der Kabine, am Schalter und am Gepäckband, und das, nachdem die Lufthansa mit Milliarden aus Steuergeldern gepampert wurde. Dieses Geld war nicht dafür gedacht, Dividenden zu retten.

Fraport erhält jetzt auch eine dreistellige Millionensumme von Bund und Land. Hier gilt es, wie so oft: In guten Zeiten streichen die Privaten die Profite ein, in schlechten Zeiten zahlt der Steuerzahler die Verluste. – Es gibt überhaupt keine Gegenleistung. Eine Arbeitsplatzgarantie hätte das Mindeste sein müssen. Fraport bekommt 116 Millionen €, baut jetzt Arbeitsplätze ab und setzt das Outsourcing fort – für die große Leistung, dass die Fraport bis 2050 klimaneutral sein will. Das sind fünf Jahre mehr, als das Klimagesetz allen anderen Zeit lässt.

Klar muss sein: Öffentliches Geld gibt es nur gegen demokratische Mitsprache und vor allem zugunsten des Gemeinwohls. Natürlich müssen damit die Arbeitsplätze gerettet werden. Warum hat man denn Milliarden für die Lufthansa ausgegeben, wenn man das nicht mit einer Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verknüpft?

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, Macron hat es in Frankreich vorgemacht. Er hat bei der Air France die Streichung von Kurzstreckenflügen zur Bedingung der Rettung gemacht. Es ist jetzt übrigens per Gesetz geregelt, dass die Inlandsflüge auf die Bahn verlegt werden. Ich meine, in Frankreich sieht man ganz gut, dass man schnelle Zugverbindungen hat und dass das Verlagerungspotenzial groß ist.

Deshalb sind die Eingriffsrechte für den Staat zentral. Flüge müssen reduziert, Bahnstrecken ausgebaut und Tickets günstiger werden. Unsere Vorstellung ist ein öffentlicher Mobilitätskonzern, der Bahn und Luftverkehr sinnvoll vernetzt. So können auch Übergänge im Rahmen einer Verkehrswende besser organisiert werden.

Die Mobilität von morgen ist klimafreundlich und orientiert sich am Bedürfnis der Menschen. Deswegen muss Deutschland zum Bahn-Land werden mit preiswerten und gut getakteten Fernverbindungen, mit einem ÖPNV, der den ländlichen Raum anbindet, damit die Menschen nicht auf das Auto angewiesen sind. Kurzstecken müssen auf die Schiene verlegt werden. Der Bahnverkehr muss ausgebaut und Flüge müssen eingeschränkt werden. Das geht am besten, wenn beides zusammengedacht wird. So kann man dann auch die Arbeitsplätze schützen und – –

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Frau Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Janine Wissler (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Letzter Satz. – Ich finde, man könnte die Corona-Hilfen genau für einen solchen Umbau nutzen. Und ja, in der Tat – weil das angesprochen wurde –: Wir brauchen einen Politikwechsel, auch und gerade in der Verkehrspolitik. Ich finde, es ist höchste Zeit, das Bundesverkehrsministerium aus der jahrelangen Geiselhaft der CSU zu befreien. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)