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Rede

Lärmschutz am Flughafen: "Der Gesetzentwurf enthält unserer Auffassung nach mehrere Unverschämtheiten"

Zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs von CDU und FDP für ein Gesetz zur Einrichtung eines Regionalfonds im Rahmen der Allianz für Fluglärmschutz "Gemeinsam für die Region"

Zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs von  CDU und FDP für ein Gesetz zur Einrichtung eines Regionalfonds im Rahmen der Allianz für Fluglärmschutz "Gemeinsam für die Region" (Regionalfondsgesetz – RegFondsG)


Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

Wie es der Zufall so will: Wir haben es gemeinsam nicht geschafft, den Herrn Ministerpräsidenten zu dieser wichtigen Sitzung herbeizurufen. Meine Herren von der CDU und der FDP, das sagt etwas über Sie und über Ihr Demokratieverständnis aus.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

– Ja, das müssen Sie sich anhören. Sie müssen sich das auch gefallen lassen. Natürlich sagt das etwas über Ihr Demokratieverständnis aus und auch darüber, wie diese Regierung arbeitet und wie sie schon seit Wochen und Monaten mit dem Parlament umgeht. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Offensichtlich sind Sie nicht dialogfähig. Das nehme ich zur Kenntnis. Das Abstimmungsergebnis hat das gezeigt.

Dass uns heute ein Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Einrichtung eines Regionalfonds vorgelegt wird, ist zweifellos das Ergebnis der Proteste der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau. Das ist grundsätzlich positiv.

(Ministerpräsident Bouffier betritt den Plenarsaal. – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

– Herr Ministerpräsident, herzlich willkommen! Ich freue mich sehr, dass Sie doch noch zu uns gefunden haben.

Darüber hinaus gehört zur Entstehungsgeschichte der sogenannten Allianz für Fluglärmschutz, die Urheber dieser Regelung sein soll, dass sie in der Phase des heißen Wahlkampfs um das OB-Amt in Frankfurt gegründet wurde. Herrn Rhein hat es bekanntermaßen nichts genutzt.

Dass, wie es in dem Gesetzentwurf einleitend heißt, die Kommunen und die Privatpersonen aus der Region ihre subjektive Betroffenheit durch den Fluglärm erst nach der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest deutlich gemacht haben, ist eindeutig falsch. Die Proteste der Betroffenen sind alt und waren schon Jahre zuvor gut zu hören. Nur die Mitglieder der Landesregierung saßen offenbar auf ihren Ohren, oder sie waren nicht anwesend. So kann man es an dieser Stelle auch sagen.

In dem Gesetzentwurf werden Leistungen des passiven Schallschutzes geregelt. So wichtig der passive Schallschutz auch ist: Es muss allen Beteiligten klar sein, dass wir hierbei über einen nachsorgenden Gesundheits- und Umweltschutz reden. Das war noch nie der Königsweg. Wenn man Menschen mit passiven Maßnahmen vor einer Umweltbelastung schützen muss, hat man vorher beim aktiven Schallschutz offenbar einiges falsch gemacht.

Der Gesetzentwurf enthält unserer Auffassung nach mehrere Unverschämtheiten. Die erste Unverschämtheit ist, dass wir erst jetzt, ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme der Landebahn, über ein solches Gesetz beraten. Nach den einschlägigen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts muss aber ein Lärmschutz zu dem Zeitpunkt vorhanden sein, zu dem die Einwirkungen auftreten, vor denen geschützt werden muss. Es darf ihn nicht erst ein Jahr später geben.

Die zweite Unverschämtheit ist, dass unter "Problem" und auch in der Begründung steht, dass der Kreis der subjektiv betroffenen Kommunen und Privatpersonen größer sei als der nach dem Fluglärmgesetz und der Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs Berechtigten.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Durch die Verwendung des Begriffs "subjektive Betroffenheit" wird die Distanz der Landesregierung zu den Lärmproblemen der betroffenen Menschen auffällig. In guter Tradition stellen CDU und FDP zusammen mit der Landesregierung und den Flugverkehrsakteuren – also gnädigerweise – den Betroffenen Geld in Aussicht, obwohl sie vom Bedarf selbst nicht überzeugt sind. Das ist schlicht eine Frechheit. Sie haben doch die Lärmschutzbereichsverordnung gemacht, die die Anzahl der Berechtigten festlegt. Es war von Anfang an klar – das haben wir im Parlament auch so dargelegt –, dass sich die Planung der Landesregierung nicht an den realen Belastungen der Menschen orientiert, die unter den Flugschneisen leben, sondern an der Kassenlage. Fraport musste für die Verlegung von Ticona über 500 Millionen € zahlen, braucht aber für den passiven Schallschutz nur 150 Millionen € auszugeben.

Kommen wir zu dem Finanzierungsvorschlag in dem vorliegenden Gesetzentwurf. Von den zusätzlichen 265 Millionen €, die ohnehin nicht ausreichen werden, soll der Verursacher, also die Fraport, nur 15 bis 20 Millionen € selbst übernehmen. Der Rest soll durch Einsparungen im Landeshaushalt – wir möchten gerne wissen, wo – und durch Kredite aufgebracht werden.

Wir kennen im Umweltrecht das Verursacherprinzip. Das Verursacherprinzip besagt, dass grundsätzlich derjenige, der die Umweltbeeinträchtigung verursacht, für die Beseitigung, Verringerung oder Kompensation in die Pflicht genommen werden soll. Nach Ihrem Modell würde der Verursacher, also die Fraport AG, lediglich 5 bis 9% der zugebilligten Hilfen tragen. Das ist die nächste Unverschämtheit. Die Landesregierung verstößt hier in eklatanter Weise gegen Prinzipien des Umweltrechts und bürdet der Allgemeinheit die Kosten auf, die eigentlich Fraport komplett zu tragen hätte. Wir haben es hier also wieder mit versteckten Subventionen für die Luftverkehrsgesellschaften zu tun; das ist eindeutig.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch der Vorschlag, die Kommunen über die Abführung eines Teils der Gewerbesteuer an der Finanzierung des Fonds zu beteiligen, ist deshalb nicht von dieser Welt. Zum Schluss möchte ich CDU und FDP und gerade Sie, Herr Milde, weil Sie von einer extrem flexiblen Regelung gesprochen haben, darauf aufmerksam machen, dass Ihr Gesetzentwurf erst dann im Ausschuss beratungsfähig ist, wenn Sie die Kriterien für die Verteilung der 265 Millionen € vorlegen werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Denn wir können doch nicht ernsthaft über einen Gesetzentwurf beraten, sei er auch noch so schlecht, wenn völlig unklar ist, wer den Regionalfonds unter welchen Bedingungen in Anspruch nehmen kann. Das wäre nichts anderes als eine Nasenprämie. So jedenfalls können wir diesem Gesetzentwurf auf keinen Fall zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)