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Rede

Elisabeth Kula: Guter Deutsch-Unterricht braucht gute Bedingungen – Kultusminister wirft Nebelkerzen

Elisabeth KulaBildung

In seiner 81. Plenarsitzung am 08. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Verbot der sogenannten ‚Schreiben nach Gehör‘-Methode in Grundschulen. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich starte auch mit einem Zitat, aber mit einem etwas älteren. Ich zitiere den Kultusminister:

Wogegen aber etwas zu sagen und was nicht hilfreich wäre, wäre es, die Rechtschreibung der Kinder nicht mehr zu korrigieren. Denn: „Schreiben nach Gehör“ ist Unsinn! Aber genau das passiert auch nicht. Es gibt keine Rechtsschreib-Anarchie in hessischen Grundschulen.

Dieses Zitat stammt aus einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2017. Da fragt man sich schon, warum sich die CDU jetzt, vier Jahre später, mit der Aktuellen Stunde vor den Sommerferien dafür feiert, etwas abgeschafft zu haben, was es nach der Aussage des Kultusministers überhaupt nicht gibt und was scheinbar gar kein Problem darstellt. Das alles ist schon ein bisschen komisch.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten) – Tobias Eckert (SPD): Es gibt kein Problem, aber die Union löst es!)

Aber der Kultusminister und die CDU-Fraktion werfen gerne Nebelkerzen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Der Minister sagt, es gehe darum, die bildungssprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu fördern – schön und gut –; aber durch Verbote von pädagogischen Methoden, die sowieso kaum zur Anwendung kommen? Denken Sie denn wirklich, dass „Schreiben nach Gehör“, was eigentlich „Lesen durch Schreiben“ heißt, schuld daran sein soll, dass Kinder nicht mehr richtig lesen und schreiben können?

Damit suggerieren doch die CDU und auch der Kultusminister, dass die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen unverantwortlich mit pädagogischen Methoden umgehen würden. Deswegen muss man sie jetzt an die kurze Leine nehmen. Ich finde das einfach nicht in Ordnung; denn nicht die sowieso schon überlasteten Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen tragen die Hauptverantwortung für fehlende Qualität im Unterricht, sondern der Kultusminister und die Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Sie waren es doch, die 2015 die Zuweisungen zu den Intensivklassen gekürzt haben, in denen Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Deutsch die nötige Unterstützung bekommen haben. Sie waren es doch auch, die die Mär der demografischen Rendite und der sinkenden Schülerzahlen gerne geglaubt haben und sich jahrelang geweigert haben, auch nur einzugestehen, dass wir einen eklatanten Lehrermangel in Hessen haben, vor allem an Grundschulen.

Sie sind es auch, die die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen – es sind hauptsächlich Frauen – immer noch schlechter bezahlen als die Kolleginnen und Kollegen in anderen Schulformen. Jetzt schieben Sie denjenigen, die Ihre politische Untätigkeit ausbaden müssen, die Schuld für die schlechte Qualität in der sprachlichen Bildung an den Schulen zu. Das ist wirklich ein starkes Stück.

(Beifall DIE LINKE)

Darüber, ob die Methode „Lesen durch Schreiben“ pädagogisch sinnvoll ist, kann man sicherlich fachlich sehr ausgiebig diskutieren. Ich bin dem Kollegen Degen dankbar für das Beispiel. Was aber nicht geht, ist, so zu tun, als würde durch Ihr Maßnahmenpaket mit Verboten und mehr Notendruck für die Schülerinnen und Schüler irgendetwas an der Qualität des Unterrichts verbessert.

Im Gegenteil: Wie kommt man denn bitte gerade jetzt auf die Idee, die Häufigkeit von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern in den Klassen 9 und 10 von 2022 an in die Note der Klassenarbeiten einfließen zu lassen? Gerade jetzt, wo uns alle Bildungsforscher sagen, dass wir weniger Notendruck und mehr Lernzeit brauchen? Da fragt man sich wirklich, in welcher Welt der Kultusminister lebt. Vielleicht können in der Traumwelt von Herrn Lorz die Grundschulen auch die 100 geschaffenen Stellen für die zusätzliche Deutschstunde dann ohne Probleme besetzen.

Wir brauchen bessere Unterrichtsbedingungen an den Grundschulen, individuelle Sprachförderung, eine Aufwertung des Grundschullehramtes – Stichwort: A 13 für alle –, und wir müssen endlich den Lehrermangel ernsthaft angehen. Dann kann auch durch kleinere Klassen die Qualität des Unterrichts verbessert werden.

Was wir aber nicht brauchen, ist ein Kultusminister, der permanent die Verantwortung abschiebt, aber nichts an den Lern- und Arbeitsbedingungen verbessert. Das sorgt nämlich für Frust und Ärger. Dass die GRÜNEN die Politik so geräuschlos akzeptieren, ist zwar immer noch enttäuschend, aber in Hessen leider nicht mehr überraschend. Frau Anders, ich sage es einmal so: Dass Anträge der Koalition so unterschiedlich interpretiert werden können, ist wirklich erstaunlich. Es ist erstaunlich, was Schwarz-Grün immer wieder hinbekommt. Ich finde das aber für die Bildungspolitik in Hessen sehr bedauerlich.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zurufe)