Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung statt Öffnungsklauseln zum weiteren Postengeschachere"

Hermann Schaus

Zum Gesetzentwurf der CDU und FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes und anderer Gesetze

Zum Gesetzentwurf der CDU und FDP (18/1626) für ein
Gesetz zur Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes und anderer Gesetze sowie zum Änderungsantrag DIE LINKE (18/2044):

 

Sehr geehrte/r Frau Präsidentin / Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

wie von meinen Vorrednern bereits dargestellt, werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/FDP-Fraktionen einige Änderungen im Kommunalwahlgesetz vorgenommen, welche aus Sicht der LINKEN die Welt weder entscheidend zum Guten noch zum Schlechten verändern werden. Es geht vielmehr um einzelne Regelungen die man ganz nüchtern diskutieren kann.

Wenn ich das mache, dann stelle ich im Ergebnis allerdings fest, dass die Regierungsfraktionen in Teilen zu ihrem Vorteil an diesen Schrauben herumdrehen und sich dabei auch nicht vom Sachverstand der angehörten Verbände und Experten beeindrucken lassen, geschweige denn von der Opposition. Auch hierauf werde ich deshalb kurz eingehen. Wir hatten im Innenausschuss, nach der Anhörung der Experten einen Änderungsantrag eingebracht

Unser Änderungsantrag hätte dem Ergebnis und den Forderungen der Sachverständigen Rechnung getragen, wurde aber abgelehnt. Es erscheint wenig sinnvoll, aufwendige Anhörungen zu veranstalten, wenn die Ergebnisse immerzu schon vorher feststehen.

Aus unserer wäre es dringend an der Zeit, die Hessische Kommunalverfassung weitergehend und grundlegend zu novellieren: Zum Beispiel die von der Hessischen Landesregierung eingeführte Benachteilung öffentlicher Eigenbetriebe gegenüber der Privatwirtschaft durch die verschärfte Subsidiaritätsklausel. Sie ist ebenso unzeitgemäß, wie der Mangel an Transparenz und Mitbestimmung für die Bürgerinnen und Bürger. Auch hier gilt: Hessen hinten, weil andere Bundesländer und erst Recht andere Staaten hierbei viel weiter sind.

Zunächst zu den weitestgehend unstrittigen Regelungen dieses Gesetzentwurfes:

1.Die Zusammenlegung von kommunalen Wahlen und Abstimmungen mit Landtags-, Bundes-, und Europawahlen ist ebenso sinnvoll wie die Verschiebung der Frist für die doppische Haushaltsführung, technisch zwingend notwendig ist. Gleiches gilt für die Erleichterung der Briefwahlen und die mögliche Aufnahme zusätzlicher Merkmale von Kandidatinnen und Kandidaten auf den Stimmzetteln. All das sind keine bahnbrechenden Weiterentwickelungen.

Soweit könnte man mit den Regierungsfraktionen dann zufrieden sein, wenn nicht – und das muss ich natürlich ansprechen – in der Anhörung einhellig darauf hingewiesen wurde, dass man es so, wie sie es mit den zusätzlichen Merkmalen auf den Stimmzetteln gemacht haben, eigentlich nicht haben möchte.

Denn die Skepsis der kommunalen Spitzenverbände, was die Aufnahme vieler weiterer Merkmale wie Beruf, Stand, Geburtsjahr, Geburtsname usw. auf den Stimmzetteln angeht war und ist, dass die Stimmzettel dann völlig unübersichtlich und Telefonbuchartig werden. Das ist ja berechtigt. Und dass ein Merkmal wie "Stand" völlig sach- und weltfremd und somit  überflüssig ist, auch das hätten sie einfach lösen können. Leider meinen sie aber sich einen Zacken aus der Krone zu brechen und lehnen lieber unseren Änderungsantrag hierzu ab, als ihren eigenen Gesetzentwurf zu verbessern. Und das ist für uns inhaltlich nicht nachvollziehbar.

Und die Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf muss bei den letzten beiden Punkten noch wesentlich deutlicher ausfallen, weil es sich dabei - aus Sicht nicht nur der LINKEN, das wurde ja auch in der Anhörung sehr deutlich! – um rein materielle Zugeständnisse der CDU an ihren Koalitionspartner FDP handelt. Denn sowohl von der kompletten Aufhebung der Begrenzung der Zahl hauptamtlicher Beigeordneter in den Kreisen, als auch von der Einführung von Ein-Personen-Fraktionen in Gemeinden unter 5.000 Einwohner, wird in Zukunft ja vor allem die FDP profitieren.

Ich hoffe meine Herren von der FDP, sie sind in der Lage plausibel zu antworten, wenn wir öffentlich mit ihnen die Frage diskutieren werden, wie denn ausgerechnet in Zeiten absolut klammer kommunaler Kassen, die sie mit ihrer Steuergesetzgebung weiter plündern und auf Landesebene durch Absenkung des kommunalen Finanzausgleiches ein weiteres mal austrocknen wollen, wie sie denn ausgerechnet in so einer Situation auf die Idee kommen, mehr hauptamtliche Stellen bei den Kreisen zu schaffen? Überall sollen die Leute sparen und man soll das Personal im Öffentlichen Dienst zusammenstreichen. Aber nicht so bei politischen Kommunalbeamten, die sollen jetzt mehr werden können. Das Ganze ohne Begrenzung nach oben und ohne dass die Gemeinden überhaupt mitreden können. Die sollen es bloß bezahlen.

Eine weitere Lex FDP ist die Einführung von Ein-Personen-Fraktionen in Gemeinden unter 5.000 Einwohnern. DIE LINKE hat vorgeschlagen es wieder so zu machen, wie es in der Kommunalverfassung Jahrzehntelang geregelt war, dass nämlich alle Parteien und Wählergruppen, die in eine kommunale Körperschaft gewählt werden, Fraktionsstatus erhalten. Das war gut so, weil es unverdächtig war. Alle wurden gleich behandelt, zumindest was ihre Rechte angeht.

Sie hingegen wollen wieder die Ausnahme zur Regel machen, wollen da, wo sie nur mit wenigen Mandaten vertreten sind, die FDP-Extrawurst haben, und dadurch materiell die abgeschaffte 5%-Hürde durch die Hintertür faktisch wieder einführen.

Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger können das beurteilen und werden auch als Wählerinnen und Wähler ihre Konsequenzen ziehen.

Wie wohltuend und notwendig wäre hingegen eine grundsätzliche Debatte darüber gewesen, wie wir es denn tatsächlich erreichen wollen, wieder mehr Menschen für die Mitwirkung in ihrer Stadt oder Gemeinde zu mobilisieren. Damit sich Menschen wieder interessieren für ihre Heimat und teilnehmen am notwenigen politischen Diskurs. Damit die nächste Kommunalwahl nicht eine Beteiligung von gerade noch einem Drittel der Wählerinnen und Wähler hat.

Wir als LINKE stehen für mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung, gerade in der Kommunalpolitik und wehren uns gegen Öffnungsklauseln zum weiteren Postengeschachere.

Deshalb werden wir den Gesetzentwurf auch ablehnen!