Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Modernisierung des Dienstrechts: "Gesetz scheint nur dem Zweck zu dienen, Nachwuchsprobleme in den eigenen Reihen zu umgehen"

Zum Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften

Rede bei der zweiten Lesung zum Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften


Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bevor ich auf den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag eingehe, lassen Sie mich Folgendes voranstellen. Wir teilen den in der Anhörung von der kommunalen Familie geäußerten Unmut über die Vorgehensweise bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs. Ich bin mir sicher, dass bei einer gemeinsamen Evaluierung der aktuellen Gesetzeslage ein deutlich besserer Gesetzentwurf herausgekommen wäre als das, was wir in zweiter Lesung vorliegen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir bleiben dabei: Auch nach der Anhörung und dem von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Änderungsantrag zum Gesetzentwurf zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten können wir die Notwendigkeit einer solchen Änderung der hessischen Kommunalverfassung nicht erkennen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es einzig und allein darum geht, altgedienten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern – eher Bürgermeistern – und Wahlbeamten eine längere Zeit auf ihren Sesseln zu gewähren. Bei der CDU kann ich das durchaus verstehen; da regierte schon immer eine Altherrenriege.

Aber bei den GRÜNEN?

(Zuruf von der CDU)

– Das stimmt. Wir sind hier aber in der Bundesrepublik. Da kommen auch bei den GRÜNEN die einstmals jungen Wilden in die Jahre, und daher gibt es sicherlich auch für die GRÜNEN Gründe, Ämter zu sichern. Anders lässt sich die Aufhebung des Höchstalters für die Wählbarkeit nicht erklären.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hast du einmal in deine eigene Fraktion geschaut? – Weitere Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten eine solche Politik für ein völlig falsches Signal, da wir mehr junge aktive Menschen für die Kommunalpolitik begeistern wollen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist da aus unserer Sicht einfach nur kontraproduktiv.

Schwarz-Grün lässt zukünftig weiterhin alte Männer regieren, statt frischen Wind, junge Menschen in die Rathäuser einziehen zu lassen. Das ist die Konsequenz aus Ihrem Gesetzentwurf.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon bisher konnten Bürgermeister bis zum 67. Lebensjahr kandidieren, bei einer sechsjährigen Amtszeit also bis zum 73. Lebensjahr im Amt bleiben. Ich finde, das reicht. Das sollte wirklich genug sein.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie berufen sich, wie ich dem Zwischenruf entnehme, darauf, dass mit der Aufhebung der Altersobergrenze für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – es geht wohl eher um Männer – eine angeblich bestehende Altersdiskriminierung aufgehoben werde. Das ist allerdings falsch. Ich habe bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen und ich will es an dieser Stelle noch einmal tun: Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2013 in seiner Entscheidung zur bayerischen Kommunalverfassung bestätigt, dass Altersgrenzen nicht pauschal als Diskriminierung anzusehen sind. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts heißt es, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter steige, sei an einer Altersgrenze für die Wählbarkeit berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten festzuhalten. So urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2013. Altersgrenzen stellen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an der Stelle also keinen Verstoß gegen Art. 3 und Art. 12 des Grundgesetzes dar. Die Aufhebung der Altersgrenze ist demnach keine notwendige Reaktion auf eine höchstrichterliche Entscheidung – anders, als Sie das immer darzustellen versuchen.

Die Senkung der Altersgrenze von 25 auf 18 Jahre ist zudem nichts weiter als Augenwischerei. Sie ist ein fauler Kompromiss von CDU und GRÜNEN. Es ist doch völlig absurd, zu glauben, dass jemand mit 18, 19 oder 20 Jahren seine ersten Schritte in der Kommunalpolitik als Bürgermeister unternimmt. Die Aufhebung der unteren Altersgrenze wird faktisch keinerlei reale Bedeutung erlangen. Davon bin ich überzeugt. Der vorliegende Gesetzentwurf mitsamt dem Änderungsantrag entspricht in keinster Weise einer fortschrittlichen Kommunalpolitik, wie wir sie uns als LINKE vorstellen und wünschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Gegenteil, mit Ihrem Änderungsantrag fallen Sie sogar noch hinter Ihre Vorhaben im ursprünglichen Entwurf zurück. Sie senken das Alter zum Erreichen des Anspruchs auf Mindestversorgung noch einmal um fünf Jahren. Waren im Gesetzentwurf das 60. bzw. das 55. Lebensjahr vonnöten, sind es nun das 55. Lebensjahr für den Bezug von Ruhestandsgeldern und das 50. Lebensjahr für die Möglichkeit der Beantragung von Ruhestandsbezügen.

Meine Damen und Herren, Sie verlangen, dass die Menschen immer länger arbeiten. Sie reden von der Rente mit 67. In der CDU gibt es sogar eine Diskussion über eine weitere Anhebung des gesetzlichen Rentenalters. Gleichzeitig wollen Sie aber Bürgermeisterinnen und Bürgermeister weiterhin mit der Möglichkeit privilegieren, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das passt aber nicht zu dem, was du eben gesagt hast!)

Herr Frömmrich, wer sich auf ein Wahlamt einlässt, das zudem gut dotiert ist, der muss sich darüber im Klaren sein, dass damit auch Risiken verbunden sind. Deshalb wäre aus unserer Sicht über eine angemessene Übergangsvergütung statt über eine Frühpensionierung ab dem 50. Lebensjahr zu reden. Wir halten Ihren Änderungsvorschlag für kein gutes Zeichen. Ich gestehe zu, dass die derzeitige gesetzliche Regelung noch schlimmer ist. Sie gehen diese Überversorgung mit dem Gesetzentwurf aber nur halbherzig an. Das ist und bleibt Fakt. Die hessische Kommunalverfassung benötigt aus unserer Sicht in der Tat einige Reformen: mehr Bürgerbeteiligung, bessere Transparenzregelungen, die Abschaffung der scharf formulierten Subsidiaritätsklausel in §121 HGO und eine Ausweitung des Wahlrechts – um nur einige Beispiele zu nennen –, ganz zu schweigen natürlich von einer besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen.
 
Keines dieser Probleme haben Sie bisher lösen können oder wollen. Stattdessen geben Sie ein Jahr vor der Kommunalwahl einen Gesetzentwurf vor, der einzig und allein dem Zweck zu dienen scheint, die Nachwuchsprobleme in den eigenen Reihen zu umgehen. Den Entwurf werden wir in zweiter wie auch in dritter Lesung ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)