Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Momentan ist der beste Datenschutz eine Verhinderung weiterer Sicherheitsgesetze"

Hermann Schaus

Zum 38. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten

Zum 38. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten:

 

Frau Präsidentin,
verehrte Damen und Herren,
sehr verehrter Herr Prof. Ronellenfitsch,

lassen Sie mich Ihnen, Herr Professor und natürlich allen Ihren Mitarbeitern im Namen meiner Fraktion zunächst herzlich für ihre wichtige, und engagierte Arbeit danken. In unseren Dank schließen wir natürlich auch die Beschäftigten beim Regierungspräsidium Darmstadt mit ein.

Zugleich wünsche ich Ihnen Kraft und Ausdauer beim Start in die vor ihnen liegenden, neuen Aufgaben. Denn spätestens seit dem Urteil des europäischen Gerichtshofes zur notwendigen Unabhängigkeit des Datenschutzes zeichnen sich ja Umbrüche in der Organisation des hessischen Datenschutzes ab.

Ich hoffe, dass die politischen Debatten und das hierfür notwendige Gesetzgebungsverfahren dazu alsbald konstruktiv abgeschlossen werden können.

Das Ziel sollte dabei sein, dass die Zusammenlegung des Datenschutzes im öffentlichen und privaten Bereich unter einem Dach, insgesamt zu einer Stärkung des Datenschutzes in Hessen führt.

Herr Professor Ronellenfitsch,
meine Damen und Herren,

der rasante technische Fortschritt und das Primat der Sicherheitsgesetzgebung können das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährden. Es gilt deshalb, Menschen für den Umgang mit ihren persönlichen Daten weiter zu sensibilisieren. Und es gilt, Menschen für den Umgang mit persönlichen Daten anderer noch mehr zu sensibilisieren. Denn: Persönliche Daten gehören weder ins Netz, noch auf fremde Festplatten. Gerade junge Menschen müssen deshalb früh lernen, mit Informationen richtig umzugehen.

Ich denke deshalb, dass nicht nur Informatik, sondern auch Medienkompetenz und Datenschutz ein stärkerer Bestandteil unserer schulischen Bildung sein sollten.

 

Die vielen und massiven Datenschutzskandale machen seit langem ein Arbeitnehmer-Datenschutz-Gesetz notwendig.

Auf die öffentlich bekannten negativen Fälle von Bespitzelung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Lidl, der Deutschen Bahn, Deutschen Bank, der Telekom und weiteren Betrieben möchte ich in diesem Zusammenhang hinweisen.

Es ist zu kritisieren, dass der Bundesgesetzgeber hieraus bis heute keine ernsthaften Konsequenzen gezogen hat.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund haben hierzu längst Eckpunkte und Positionen entwickelt.

Das Bundeskabinett hat zwar im letzten August endlich einen Entwurf verabschiedet. Aber der Entwurf wird den notwendigen Anforderungen nicht gerecht. Im Gegenteil: Ein Gutachten von Hugo Sinzheimer vom Institut für Arbeitsrecht konstatiert, dass das geplante Gesetz den Datenschutz für die Beschäftigten in einigen Punkten sogar noch verschlechtern würde.

Die verdeckte Videoüberwachung wäre demnach zulässig, wenn sie nicht länger als 24 Stunden am Stück oder insgesamt nicht länger als vier Tage dauert. Die offene Videoüberwachung wäre ohnehin erlaubt, wenn sie etwa an den Schutz des Eigentums gebunden ist.

Auch die Überwachung von Email-Verkehr, Erhebung von Daten über Angestellte und Internetrecherchen sollen möglich sein. Das ist quasi eine Totalüberwachung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hat mit Datenschutz gar nichts mehr zu tun.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar meinte hierzu: "Schwarz-Gelb möge doch den Wünschen von Arbeitgeberverbänden bitte nicht so großzügig nachgeben".

Ich sage dazu: Bei schwarz-gelb hat man aus den Datenskandalen offenbar nur gelernt, dass man dem Datenmissbrauch durch Arbeitgeber nun eine gesetzliche Grundlage geben muss. Und die Begründung lautet wie immer: Notwendige Maßnahmen zur Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung.

Stellen wir uns aber mal ein Gesetz vor, mit dem die Telekommunikation und die Sitzungen der Unternehmens-Vorstände komplett überwacht würden, natürlich auch nur zur Korruptions- und Verbrechensbekämpfung. Da würden Sie und die Unternehmer aber im Dreieck herumspringen und dies sogar zu Recht.

Nach unserer Ansicht ist momentan der beste Datenschutz eine Verhinderung weiterer Sicherheitsgesetze. Wir sprachen im Tagesordnungspunkt zuvor schon über die Vorratsdatenspeicherung, welche vor allem die CDU wieder einführen will.

Wir sagen: Die Rolle des Staates im Informationszeitalter darf nicht darin bestehen, immer mehr Datensätze der Bürger zu erheben, zu speichern und weltweit unkontrollierbar auszutauschen. Die Rolle des Staates muss im Schutz der Menschen vor Datenmissbräuchen liegen.

 

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zuletzt noch zwei konkrete Punkte aus dem Bericht des Datenschutzbeauftragten aufgreifen.

Ich will mich dafür bedanken, dass nach offensichtlich intensiven und langen Bemühungen schließlich festgestellt wurde, dass die verdeckten Bildaufnahmen bei der Räumung des Camps der Flughafen-Ausbau-Gegner durch die Fraport AG rechtswidrig war. Wir hatten dies seinerzeit kritisiert und sind froh, dass dies nun festgestellt und von Seiten der Fraport AG auch akzeptiert wurde.

Auch finde ich die Ausführungen des Datenschutzbeauftragten zum novellierten HSOG, dem Gesetz über die Sicherheit und Ordnung bemerkenswert. Herr Ronellenfitsch hält das Gesetz - sie formulieren es sehr zurückhaltend - für "nicht in allen Punkten gelungen".

Auch hier teilen wir Ihre Kritik. Sie wurde ja auch von zahlreichen Sachverständigen schon im Gesetzgebungsverfahren geäußert.

Hier sind hoch sensible Bereiche offenkundig unklar und unzureichend geregelt, sodass sich erneut die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit stellt. Gegen die Kennzeichenerfassung wird ja auch schon wieder geklagt.

Ich würde mir wünschen, dass CDU und FDP nicht jedes Mal die Grenzen der Verfassung ausloten, sondern endlich ein verfassungsmäßiges Augenmaß an den Tag legen und dabei den Bürgerrechten eine weit höhere Bedeutung zukommen lassen. Damit wäre dann sicher auch dem Datenschutz besser gedient.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.