Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler zu Windkraftanlagen

"Aber wenn die FDP den Bau eines Windrades verhindern will, dann heißt es: 'Mein Freund, der Baum', dann wird um jeden Ast gekämpft"

Janine Wissler
Janine WisslerEnergieUmwelt- und Klimaschutz

Klima wirksam schützen – keine Windkraft im Wald (Dringlicher Antrag Fraktion der Freien Demokraten, Ds. 20/114)

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die FDP beschäftigt den Landtag ja gefühlt in jeder zweiten Plenarwoche mit ihrem Kampf gegen die Windmühlen. Diesmal heißt die Aktuelle Stunde „Keine Windkraft im Wald – Walderhalt ist für effektiven Klimaschutz unverzichtbar“. Nun, dass ausgerechnet die FDP sich als Schutzpatronin der hessischen Wälder aufspielt, ist schon ein Witz.

(Beifall DIE LINKE – René Rock (Freie Demokraten): Sonst macht es ja niemand! – Weitere Zurufe)

– Das stimmt, Herr Kollege Hahn. Aber wenn Sie zum hundertsten Mal die gleiche Aktuelle Stunde beantragen, dann müssen Sie sich auch zum hundertsten Mal meine gleichen Gegenargumente dazu anhören.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Mit Ihrer Unterstützung wurden z. B. 228 ha besonders geschützter Bannwald für den Ausbau des Flughafens gerodet. Auf dieser Waldfläche, die für die Nordwestlandebahn gerodet wurde, hätte man übrigens rein rechnerisch 400 bis 500 Windräder aufstellen können, die auch noch deutlich leiser gewesen wären.

(Vereinzelter Beifall DIE LINKE und Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Oder nehmen wir den Kiesabbau der Firma Sehring in Langen. Da hat das Regierungspräsidium die Rodung von 63 ha Wald genehmigt – unter einer schwarz-gelben Landesregierung. Die FDP hat also mehr Wald auf dem Gewissen, als es mit Windrädern so schnell zu schaffen wäre.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere mich an Debatten auf Antrag der FDP – es ist noch gar nicht lange her –, dass naturrechtliche Regulierungen fallen müssten, damit man Ausbauvorhaben von Straßen voranbringen und beschleunigen könnte. Aber wenn die FDP den Bau eines Windrades verhindern will, dann heißt es: „Mein Freund, der Baum“, und dann wird um jeden Ast gekämpft.

(Heiterkeit Hermann Schaus (DIE LINKE))

Frau Kollegin Knell, das muss ich schon sagen: Im Hambacher Forst sind Sie als Baumschützerin nicht so aktiv gewesen;

(Beifall DIE LINKE)

denn dieser Wald kann weg, da geht es ja um RWE und deren Interessen. Dazu will ich nur sagen: Der Eingriff durch Kohleabbau in die Natur und in die Wälder ist schon um einiges heftiger als der Bau von Windrädern. Sie wären als Baumschützerin noch glaubwürdiger, wenn Sie z. B. auch im Hambacher Forst aktiv gewesen wären und auch dort um den Erhalt des Waldes gekämpft hätten.

(Beifall DIE LINKE und Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

So ähnlich verhält es sich auch bei Ihrer Argumentation zum Artenschutz: Ob eine Art schützenswert ist oder aussterben darf, entscheidet die FDP danach, welchem Bauprojekt sie im Wege steht.

(René Rock (Freie Demokraten): Nein, da verwechseln Sie uns mit den GRÜNEN!)

Der Rotmilan oder die Fledermaus müssen geschützt werden; denn sie können den Bau von Windrädern verhindern. Der Kammmolch aber kann gerne aussterben; denn er gefährdet den Bau von Autobahnen. – Das ist die Artenschutzpolitik der FDP, es geht ihr nicht um die Art, sondern darum, welches Bauprojekt verhindert werden kann.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD – René Rock (Freie Demokraten): Nein, das sind die GRÜNEN!)

Natürlich ist es sinnvoll, Windkraftanlagen bevorzugt auf Freiflächen zu errichten. Aber Hessen ist ein waldreiches Bundesland, und deshalb dürfen Waldgebiete natürlich nicht ausgeschlossen werden, wenn wir das 2-%-Ziel erreichen wollen. Über 95 % der hessischen Waldfläche bleiben übrigens vollkommen unberührt von jeglicher Windkraft, auch wenn 80 % der ausgewiesenen Windkraftstandorte in Waldflächen liegen. Wald ist auch nicht gleich Wald. Natürlich müssen wir im Vorfeld genau bewerten, welche Qualität ein Wald hat, ob es sich um alte, naturnahe Wälder handelt, die besonders schützenswert sind. Richtig aber ist – und da haben Sie recht –: Ja, der Wald ist gefährdet, und zwar am stärksten durch den Klimawandel und dessen Folgen. Wer den Bau von Windrädern und damit den Klimawandel verhindern will, der beschleunigt den Klimawandel, und damit schützt man keinen Wald, wie die FDP vorgibt, sondern man gefährdet ihn.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Folgen für den Klimawandel sind noch gar nicht absehbar. Deshalb wäre es auch einmal gut, eine Anhörung im Landtag zu den Folgen des Klimawandels für die hessischen Wälder durchzuführen. Aber, liebe FDP, ich verstehe gar nicht, warum Sie sich so über die Energiewende in Hessen aufregen; denn sie findet doch gar nicht statt.

(Heiterkeit und Beifall Torsten Warnecke (SPD) und Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten))

Bis Ende Juli wurde in Hessen nur eine einzige Windkraftanlage neu in Betrieb genommen, eine einzige. Viel weniger als die GRÜNEN hätte die FDP gar nicht hinkriegen können.

(René Rock (Freie Demokraten): Doch, eine weniger! – Heiterkeit)

Ich verstehe das nicht ganz. Die Landesregierung hat den Ausbaustopp für die Windenergie, den Sie fordern, längst umgesetzt.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Dabei muss man sagen, dass die Landesregierung den Ausbau der Windenergie ja selbst in der Hand hat. Die meisten Flächen gehören dem Land, sie könnten den Kommunen und Bürgerenergiegenossenschaften pachtfrei überlassen werden. Das würde die Energiewende beschleunigen. Aber das wollen Sie leider nicht, Frau Umweltministerin. Man könnte auch einmal über die vorgegebenen Mindestwindgeschwindigkeiten sprechen und diese Vorgaben endlich abschaffen. Und wir merken auch, dass der Plan, 2 % der Landesfläche für die Windkraft zur Verfügung zu stellen, oft nicht ausreicht, weil es – zu Recht – naturschutzrechtliche Beschränkungen gibt, aber auch, weil es Widerstand vor Ort gibt; wohlgemerkt: Widerstände, die einige CDULandtagsabgeordnete vor Ort gleich mit organisieren. Insofern scheitert Hessen an den selbst gesteckten Klimazielen, und die waren schon nicht sehr hoch gesteckt. Wenn man den Klimawandel aufhalten oder ihn zumindest begrenzen will, muss man jetzt handeln. Man darf nicht versuchen, den Klimawandel immer weiter durch Abwarten oder das reine Setzen auf Marktmechanismen zu bekämpfen.

Vizepräsidentin Karin Müller: Das gesteckte Redeziel ist auch erreicht.

Janine Wissler (DIE LINKE):

Das gesteckte Redeziel ist erreicht, ein letzter Satz. – Wir brauchen politischen und gesellschaftlichen Druck. Deswegen ist es gut, dass jeden Freitag Tausende von Schülerinnen und Schülern im Namen der „Fridays for Future“-Proteste auf die Straße gehen. Am 20. September ist weltweiter Aktionstag, dazu ruft auch ver.di auf. Ich denke, wem die Umwelt und das Klima am Herzen liegen, der sollte sich an genau solchen Aktionen beteiligen, statt Windräder zu bekämpfen. – Vielen Dank.