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Rede

Christiane Böhm - Die Rahmenbedingungen von Gemeinschaftlichem Wohnen müssen verbessert werden

Christiane BöhmWohnen

In seiner 88. Plenarsitzung am 11. November diskutierte der Hessische Landtag über die Förderung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Dazu die Rede unserer sozialpolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Ja, langsam zieht hier etwas Fröhlichkeit ein. – Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist auch etwas Besonderes. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN macht in dieser Legislaturperiode die erste Aktuelle Stunde zum Thema Wohnen. Man möchte meinen, es wäre eigentlich ein wichtiges Anliegen von Ihnen. Aber zum letzten Mal gab es das vor fünf Jahren. Alle fünf Jahre eine Aktuelle Stunde und dann nur, wenn Sie vermeintlich eine Erfolgsmeldung haben, (Hermann Schaus (DIE LINKE): Die GRÜNEN glauben das auch!) das ist eigentlich schon ganz schön dünn. Dann meint man, es wäre alles perfekt in der Wohnungspolitik; oder es ist Ihnen vielleicht doch nicht so wichtig, wie Sie es gerade vorgeben zu tun. Umso schöner ist es, dass es die Aktuelle Stunde heute gibt. Der Anlass ist eigentlich erfreulich. 7078 Hessischer Landtag · 20. Wahlperiode · 88. Sitzung · 11. November 2021 Frau Barth, Sie waren jetzt wirklich sehr kritisch. Man kann doch auch einmal über Kleinigkeiten froh sein. Wenn man von dieser Landesregierung einmal einen kleinen Impuls bekommt, dann kann man doch auch zugestehen: Ja, jetzt gibt es immerhin diese Landesberatungsstelle; sie war schon lange versprochen. Dass sie beim Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen angegliedert ist, wo viel Expertise vorhanden ist, ist jetzt auch nicht ganz so schlecht. Ich denke, es war notwendig, dass das irgendwann einmal kommt – und irgendwann ist meistens später. (Beifall DIE LINKE) Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Menschen mehr Alternativen zu traditionellen Formen des Wohnens suchen, die doch sehr individualisiert sind und sich nicht nur auf die Kernfamilie beschränken – die Kernfamilie, von der die Rechtsaußenpartei immer noch träumt, dass da irgendwie Vater, Mutter, Kind und der kleine Hund dabei sind. Aber es gibt viel mehr Menschen, die Alternativen zu diesen Wohnformen suchen. Sie wollen auch Alternativen zu dem alltäglichen Mietenwahnsinn in unseren Städten und zu den fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten im eigenen Wohnumfeld haben. Schauen Sie sich einmal um. Man sieht auch, dass wir immer mehr Haus- und Wohnprojekte haben, die gemeinschaftliches Wohnen anbieten. Ich glaube, es ist schon wichtig, dass sich da bestimmte Tendenzen verstärken, dass sich Prinzipien wie Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Selbstverwaltung, aber auch Inklusion und soziales Zusammenleben über Differenzen hinweg entwickeln. Das ist eine aktive Verbindung von Wohnen und nachbarschaftlichem und gesellschaftlichem Engagement, auch mit dem ganz deutlichen Versuch – das hat Herr Dr. Naas so schön dargestellt –, das Wohnen dem Markt zu entziehen, wie das Beispiel mit dem Mietshäuser Syndikat gezeigt hat. Damit haben Sie uns echt eine Freude bereitet. Dadurch wird deutlich: Die Besetzung von Häusern bietet die Möglichkeit, dem Markt entzogenen Wohnraum wirklich langfristig und gemeinschaftlich zu nutzen. Herzlichen Dank dafür, Herr Dr. Naas. (Beifall DIE LINKE) Ich denke, diese Wohninitiativen bieten doch eine Idee davon, wie eine solidarische, sozial gerechte und von unten getragene Gesellschaft aussehen kann. Sie leisten ihren Beitrag dazu. Allein, was das Thema Barrierefreiheit anbelangt: Wir haben am Dienstag darüber gesprochen. Dort, wo Wohnprojekte stattfinden, ist das gar kein Thema mehr. Es ist gut, dass es diese Beratungsstelle gibt. Allerdings erwarte ich jetzt keine Wunderdinge, und die Landesregierung muss da noch einiges tun, z. B. im Bereich der sozialen Wohnraumförderung. Darin sind die abweichenden Grundrisse oder Wohnungen für Wohngemeinschaften gar nicht vorgesehen. Deswegen verzichten viele Wohnprojekte auch auf Anträge auf Förderung, obwohl sie eigentlich Sozialwohnungen schaffen wollen. Hier müsste die Landesregierung dringend Anpassungen vornehmen. Noch wichtiger ist die Verfügbarkeit von Grundstücken. Angesichts explodierender Bodenpreise haben Wohnprojekte nämlich keine Chance, sich auf dem freien Markt in Konkurrenz gegen Investoren und Unternehmen zu begeben, gerade dann nicht, wenn sie bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen. Wichtig ist, dass die öffentliche Hand tatsächlich eine aktive Liegenschaftspolitik betreibt und die Grundstücke selbst nicht zum Höchstpreis verkauft, sondern sie in Erbpacht und ohne Eigentumsbildung vergibt. Auch hier wäre die Landesregierung gefordert. Ich erinnere nur daran: Das Sondervermögen aus dem Verkauf des Polizeipräsidiums ist vorhin schon genannt worden. Daraus stehen bis zu 60 Millionen € für einen Liegenschaftsfonds zur Verfügung, um in Frankfurt und der Rhein-Main-Region bezahlbaren und geförderten Wohnraum zu schaffen, und zwar indem die Grundstücke erworben werden und dann verbilligt mit Erbbaurecht für Dritte zur Verfügung gestellt werden. Das wäre für Wohnprojekte toll. – Aber Anfragen von uns und der SPD haben ergeben, dass dieser Liegenschaftsfonds bisher kein einziges Grundstück erworben hat. Das ist ein echtes Trauerspiel, meine Damen und Herren. (Beifall DIE LINKE) Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Böhm. Christiane Böhm (DIE LINKE): Ja. – Da beschleicht einen schon der Verdacht der Symbolpolitik. Da macht man eine Beratungsstelle, tut aber nicht das Notwendige zur Förderung gemeinschaftlichen Wohnens. – Danke schön. (Beifall DIE LINKE)