Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler - Die Energiewende stockt gewaltig Teil 1

Die Energiewende stockt gewaltig Teil 1

Janine Wissler
Janine WisslerEnergie

In seiner 28. Plenarsitzung am 12.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der FDP zum Thema Energiepolitik ideologiefrei gestalten. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und energiepolitischen Sprecherin Janine Wissler (Teil 1)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die FDP hält im vorliegenden Antrag die Meinungsfreiheit hoch und das ehrenamtliche Engagement in Bürgerinitiativen, die sich für den Naturschutz einsetzen. Herr Rock, wir werden Sie daran erinnern, wenn es das nächste Mal wieder um Autobahnausbau, Kiesabbau oder Logistikzentren geht. Wir werden Sie noch daran erinnern, welche hohe Bedeutung der Naturschutz offensichtlich gerade für die FDP hat.

(Beifall DIE LINKE)

Genau das ist das Problem dabei, nämlich dass Sie ein total instrumentelles Verhältnis zum Naturschutz haben. Natürlich erklärt sich Ihre Begeisterung für Naturschutz und umweltpolitisches Aufbegehren einzig und allein daraus, dass es gegen Windräder geht. Es geht gegen Windräder, und wenn es gegen Windräder geht, entdeckt die FDP auf einmal die bedrohten Arten, die Wälder und den Bürgerprotest für sich. – Sie nicken sogar, schön.

(Widerspruch René Rock (Freie Demokraten))

Sie haben ein instrumentelles Verhältnis zu diesen Fragen, und genau das ist Problem.

Im Antrag empören Sie sich dann über den grünen Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer, der von „Anti-Windkraft-Taliban“ gesprochen hatte, und fordern von den hessischen GRÜNEN eine Distanzierung. Ich will nur einmal sagen: Ganz so zart besaitet waren Sie auch nicht immer, zumindest wenn es ums Austeilen ging, Herr Rock. Ich erinnere mich noch: Es waren Stimmen aus der hessischen FDP-Fraktion – namentlich Herr Noll, der das Programm der GRÜNEN im Jahr 2013 als „Ökofaschismus“ bezeichnet hat.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

Daran sei nur erinnert. Damals hieß es aus der FDP-Fraktion, das solle man nicht überbewerten. Ich will nur einmal daran erinnern; denn Ihren Aufschrei habe ich damals auch nicht gehört, Herr Rock. „Ökofaschismus“ ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte gegenüber dem Programm wohl völlig daneben. Ein bisschen weniger Empörung wäre vielleicht angebracht, wenn man in der Vergangenheit selbst so ausgeteilt hat.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie ehrenamtliches Engagement und Proteste begrüßen, dann nehmen Sie doch bitte auch zur Kenntnis, dass sich Hunderttausende Menschen in diesem Land und Millionen weltweit für Klimaschutz einsetzen, nämlich bei „Fridays for Future“, bei „Ende Gelände“, bei den globalen Klimastreiks und aktuell im Umfeld der UN-Klimakonferenz in Madrid. Es sind zahlenmäßig deutlich mehr als diejenigen, die gegen Windräder kämpfen.

Deswegen bringen Sie bitte diesen Menschen den gleichen Respekt und das gleiche Verständnis entgegen, und nehmen Sie auch deren Sorgen ernst. Die sorgen sich nämlich um den Fortbestand der Menschheit, wenn das 1,5-GradZiel nicht erreicht wird, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Nun haben Sie große Teile Ihrer Redezeit auf Dieter Nuhr verwendet, offenbar als Beispiel für die angeblich gefährdete Meinungsfreiheit und als Beispiel dafür, dass es Mut brauche, um in diesem Land seine Position zu vertreten.

(René Rock (Freie Demokraten): Ist auch so!)

– Ist auch so, sagen Sie. – Na ja, ich sage es einmal so: Was daran mutig sein soll, sich als bekannter Kabarettist über eine 16-jährige Schülerin lustig zu machen, das bleibt Ihr Geheimnis. Ich habe politisches Kabarett immer so verstanden, dass sie sich mit den Herrschenden anlegen und die Obrigkeit auf die Schippe nehmen und sich nicht über 16-jährige Schülerinnen lustig machen, aber bitte.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich, ehrlich gesagt, auch, wo da die Meinungsfreiheit gefährdet sein soll. Herr Nuhr kann das, was er für lustig hält, in der ARD vor einem Millionenpublikum sagen und bekommt nicht wenig Geld dafür. Wo, bitte, ist denn da die Meinungsfreiheit gefährdet? Meinungsfreiheit bedeutet nämlich nicht Freiheit von Widerspruch. Und wenn Dieter Nuhr solche Positionen vertritt, dann muss er, verdammt noch mal, auch mit heftigem Widerspruch rechnen; das gehört nämlich auch zur Meinungsfreiheit, Herr Rock.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Im Übrigen finde ich, dass die Kabarettistin Christine Prayon recht hat. Sie hat unter anderem mit Blick auf Dieter Nuhr einmal gesagt: „Comedy bedient Klischees, Kabarett bekämpft sie.“ Das kommt meinem Verständnis von Kabarett näher. Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt habe ich mich genug an der FDP abgearbeitet. Reden wir mal über die Landesregierung und darüber, was im Bereich der Energiewende ansteht. Eines ist offensichtlich: Hier werden Ängste vor einer Energiewende geschürt, die in Hessen derzeit gar nicht stattfindet.

(Zuruf: Dank der Bürger! So ist es!)

Die Landesregierung hat den Ausbaustopp für Windenergie, der hier gefordert wird, längst umgesetzt. Eine Windkraftanlage in diesem Jahr, Herr Minister – das mag für die FDP noch eine zu viel sein, aber für alle anderen Menschen ist das nach vernünftigen Maßstäben viel zu wenig.

Wenn die Bundesregierung mit ihrem Vorhaben durchkommt, jede Ansammlung von fünf Gebäuden als Siedlung anzusehen, von der Windräder einen Abstand von 1.000 m halten müssen, und das auch noch für Repowering gilt, dann ist in Hessen – das muss man leider sagen – vermutlich Schluss mit dem Ausbau der Windkraft, und alle Klimaziele im Stromsektor sind Makulatur.

Elektroautos, Hybrid-Dienstwagen, Stromtankstellen – alles das, was Sie vorgeschlagen haben, ist klimapolitisch hinfällig, wenn nicht perspektivisch vornehmlich erneuerbare Energien im Netz sind. Da würde mich schon interessieren: Wie verhält sich die Landesregierung zu alledem? Haben denn CDU und GRÜNE in Hessen eine gemeinsame Linie, was die Pläne von Peter Altmaier angeht? Sind wir uns einig, dass die Pläne den Windkraftausbau in Hessen auch auf lange Sicht völlig zum Erliegen bringen würden? Das würde mich interessieren.

Mich würde auch interessieren, was der hessische Klimaschutzplan eigentlich macht. Wie stehen wir denn da? Seit der hessische Klimaschutzplan 2025 geschlossen wurde, gibt es keine Auskunft darüber, wie und ob die Maßnahmen überhaupt geeignet sind, die Klimaschutzziele von Paris einzuhalten. Die Umweltministerin kann oder will die Frage nicht beantworten, wie viele Tonnen CO2 durch die Maßnahmen in Hessen eingespart wurden.

Die Landesregierung behauptet weiter, dass die hessischen Reduktionsziele im Einklang mit den internationalen Zielen stünden. Es gibt aber keine Zahlen, die diese Behauptung stützen könnten. Das wäre aber auch interessant zu wissen.

Der Klimaschutzplan der Landesregierung war von Anfang an auf das 2-Grad-Ziel ausgelegt, und die Maßnahmen wurden nie auf das für viele Menschen überlebensnotwendige 1,5-Grad-Ziel angepasst. Dass es keine Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen gibt, um gegebenenfalls nachsteuern zu können, halten wir für grob fahrlässig.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir schon dabei sind, wäre es auch interessant, zu wissen, wie sich die Landesregierung im Bundesrat zum Klimapaket verhalten hat bzw. wie sie sich im Vermittlungsausschuss verhalten wird. Das Klimapaket – das diesen Namen im Grunde nicht verdient – ist von der CDU auf Bundesebene mit durchgesetzt worden. Es ist von den GRÜNEN auf Bundesebene zu Recht stark kritisiert worden. Deshalb würde ich gerne wissen, wie die Landesregierung die Sache hier in Hessen einschätzt und welche Linie sie da fährt.

Das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels ist mittlerweile ein sehr anspruchsvolles Ziel. Es wird nicht zu erreichen sein, wenn wir nicht eine Energiewende, eine Verkehrswende und eine Agrarwende hinbekommen. Natürlich müssen wir über die Frage der Kohleverstromung sprechen, die nach wie vor der größte Klimasünder ist, und – das möchte in Anbetracht der Debatten noch einmal sagen – die den Ausbau der erneuerbaren Energien behindert.

Kohlestrom ist eine völlig falsche Ergänzung, um die Schwankungen im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien auszugleichen. Kohlekraftwerke sind weder flexibel, noch sind sie effizient. Der Kohlestrom behindert faktisch den dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien und ist keine infrage kommende Ergänzung.

Zuletzt noch ein Wort zu dem Argument, dass die Energiewende teuer sei. Das hört man immer wieder. Das ist hanebüchen angesichts der Milliarden Euro, die an Subventionen in Kohle und Atom versenkt worden sind, und angesichts der Folgeschäden, die durch die Kohlekraft und die Atomkraft entstehen werden.

Wer daher heute einen Ausbaustopp für erneuerbare Energien fordert, wer allen Ernstes den menschengemachten Klimawandel anzweifelt, der gefährdet die Zukunft kommender Generationen. Das sind nicht nur Phänomene, die irgendwann kommen, sondern wir können heute schon absehen, was Klimawandel bedeutet und welche Folgen das am Ende haben wird. Deshalb müssen wir schnell handeln.

Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir haben ein Umsetzungsproblem. Die Bundesregierung muss endlich aufhören, die Energiewende zu verschleppen. Im Land muss es nun vorangehen mit dem Ausbau der Windenergie und mit der Energiewende vor Ort. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)