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Rede

Hermann Schaus - An der Spitze der Landespolizei sollten keine politischen Beamt:innen stehen

Hermann SchausInnenpolitik

In seiner 86. Plenarsitzung am 9. November 2021 diskutierte der Hessische Landtag über eine Änderung im Beamtenrecht, die es möglich macht, dass die Landesregierung künftig politische Beamt:innen an der Spitze der Landespolizei einsetzen kann. Dazu die Rede von Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute beraten wir erneut ein sehr umfangreiches Gesetz, das nahezu in 15 beamtenrechtlichen Gesetzen Änderungen vorsieht. Diese vielen Detailregelungen sind auf 51 Seiten nachzulesen. Die Anzuhörenden wie auch uns als Abgeordnete hat dieser Gesetzentwurf aufgrund der völlig unterschiedlichen Themenkomplexe vor sehr große Herausforderungen gestellt – zumindest diejenigen, die sich mit möglichst allen Detailregelungen beschäftigen wollten. Ich kann heute in der zweiten Lesung auch nur, wie zuvor in der ersten Lesung, auf wenige Punkte dieser Fülle eingehen. Vorgesehen sind bei den einzelnen Gesetzen und Verordnungen manchmal nur scheinbar kleine Anpassungen, wie z. B. die schon erwähnte Erweiterung des Kreises der politischen Beamtinnen und Beamten auf den zukünftigen Landespolizeipräsidenten. Dieser Punkt hat in der ersten Lesung und auch in der öffentlichen Berichterstattung bereits eine Rolle gespielt. Wer die Polizeipräsidenten und jetzt auch noch den Präsidenten des LKA zu politischen Beamten erklärt, die jederzeit vom Innenminister in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, schafft bewusst und gewollt indirekte politische Abhängigkeiten. Herr Heinz, das hat mit einzelnen Personen überhaupt nichts zu tun. Aus unserer Sicht muss bei der Besetzung der Stelle der Polizeipräsidentin oder des Polizeipräsidenten allein die Fachlichkeit entscheiden, aber nicht das Parteibuch. Alle Stelleninhaber und alle Stelleninhaberinnen müssen ihre Funktion unabhängig und neutral ausüben und dürfen nicht von der Willkür des Innenministers abhängig sein. (Beifall DIE LINKE) Das ist das, was Sie hier mit diesem Gesetzentwurf einführen. Wir werden hierzu dem Änderungsantrag der FDP zustimmen. (Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Sehr gut!) Im Gesetzentwurf vorgesehen ist auch, das Höchstalter für Bewerbungen bei Einstellungen in den Vorbereitungsdienst der Polizei von 32 auf 36 Jahre anzuheben. Zudem soll für bei den Tests zweimal durchgefallene Bewerber eine erneute Bewerbung nach drei Jahren möglich sein. Beides deutet auf erhebliche Probleme bei den Bewerbungen bei der Polizei hin. Auch zu meinem Erstaunen – da muss Herr Frömmrich bei einer anderen Veranstaltung gewesen sein als ich – stieß die kleine formale Änderung im HPVG durch die nun dauerhaft – ursprünglich wegen Corona – eingeführte Möglichkeit, Onlinesitzungen durchzuführen und Umlaufbeschlüsse zu fassen, auf erhebliche Kritik bei den betroffenen Personalräten und den Gewerkschaften; zumindest habe ich das so in Erinnerung. (Günter Rudolph (SPD): Ja, so war es auch! – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Du warst doch gar nicht da!) Frau Mohr vom Hauptpersonalrat des Innenministeriums oder Frau Müller vom Gesamtpersonalrat der Stadt Frankfurt sprachen sich z. B. gegen eine dauerhafte Regelung aus und wollten nur eine Übergangsregelung bis 2023. Wenn schon, dann solle wenigstens der Vorrang von Präsenzsitzungen ins Gesetz aufgenommen werden. So habe ich es in Erinnerung von der Diskussion, Herr Frömmrich. Wie gesagt, vielleicht waren Sie da draußen. Da dies aber nicht vorgesehen ist, sehen wir die vorliegende Änderung ebenso kritisch. Allerdings fragten in diesem Zusammenhang nahezu alle Personalrats- und Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter – das hat Herr Frömmrich vergessen zu erwähnen –, wann denn nun endlich die bereits vor Jahren von der Koalition angekündigte umfangreiche Novelle des Hessischen Personalvertretungsgesetzes kommt. (Günter Rudolph (SPD): Stimmt!) Die SPD hat dazu zu einem Punkt einen Änderungsantrag vorgesehen. Wir werden dem zustimmen; denn wir stehen zum Ausbau der Mitbestimmung der Personalräte ohne Wenn und Aber. (Beifall DIE LINKE) Aber ein großer Wurf ist auch dies nicht, um der seit dem gigantischen Mitbestimmungsabbau der Regierung Koch bestehenden Verschlechterung der Lage der Personalräte zu begegnen. Dafür brauchen wir eine umfassende Novellierung. Personalstellen und Dienststellenleitungen müssen endlich wieder auf Augenhöhe verhandeln können. Dazu brauchen wir aber auch wieder ein Letzteinigungsrecht von Einigungsstellen, wie es zuvor über viele Jahre und Jahrzehnte bestanden hat. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält durchaus auch begrüßenswerte Teile, Herr Frömmrich. Dazu zähle ich die Verbesserung der Anspruchsvoraussetzungen für den Unfallausgleich oder die vorgesehene Angriffsentschädigung. Natürlich muss es aber immer Priorität sein, tätliche Angriffe auf Bedienstete durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu verhindern. Das dürfen wir dabei nicht vergessen. Positiv bewerte ich auch die Änderung der Polizeilaufbahnverordnung, weil sie dazu beitragen kann, eine berufliche Aufstiegsperspektive zu geben. Insgesamt begrüßen wir auch die vorgesehenen Änderungen in der Beihilfenverordnung. Allerdings gibt es dort Änderungsbedarf im Detail, insbesondere was die Erstattungen von freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung verbliebenen Beamteninnen und Beamten angeht. Hier wären Änderungen hin zur Einführung der pauschalen Beihilfegewährung sinnvoll, damit eine echte Wahlfreiheit überhaupt erst möglich wird. Kritisch sehen wir hingegen auch die vorgesehenen Änderungen im Hessischen Disziplinargesetz, für die es aus unserer Sicht keine Notwendigkeit gibt. Im Gesetzespaket leider nicht enthalten sind die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage, als ein zentraler Punkt gewerkschaftlicher Forderungen, sowie die längst fällige Erhöhung der Polizeizulage. „Da liegt Hessen leider im hinteren Mittelfeld, wie es Herr Mohrherr, der Vorsitzende der GdP, formulierte. Viele Regelungen also, die es wert gewesen wären, sie in einem geordneten Anhörungsverfahren, so wie im Beamtenrecht vorgesehen, ausführlich mit den zuständigen Gewerkschaften im Einzelnen vor der Einbringung des Gesetzentwurfes zu beraten. Diese Beratungen sind bei Gesetzentwürfen der Landesregierung deshalb auch gesetzlich vorgeschrieben, weil es, anders als bei den Tarifverträgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes, eben keine Tarifverhandlungen für Beamte gibt. Darüber werden wir uns am Donnerstag noch einmal bei dem jetzigen Dringlichen Gesetzentwurf unterhalten müssen. Leider fand dies nur unzureichend statt und wurde dementsprechend auch von den Gewerkschaftsvertretern in der Anhörung kritisiert. Auch deshalb werden wir den vorgelegten Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.