Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Den 1. Dezember in Hessen zum Feiertag machen!

Jan SchalauskeRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 92. Plenarsitzung am 14. Dezember 2021 diskutierte der Hessische Landtag zu unserem Gesetzentwurf, wonach der 1. Dezember ein Feiertag werden soll. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen jährte sich das Inkrafttreten der Hessischen Verfassung zum 75. Mal. Hessen hat bekanntermaßen die älteste und eine durch eine Volksabstimmung in Kraft gesetzte Landesverfassung. Die ihre Entstehung prägenden Lehren waren: nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Das waren die Lehren aus Nazibarbarei und Weltkrieg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass eine politische auch eine wirtschaftliche Neuordnung bedeuten müsste, und dieser Konsens ist nicht nur von Parteien wie SPD und KPD vertreten worden, sondern das erstreckte sich bis in die Reihen der Union. Ich glaube, ich habe schon in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass es die CDU war, die 1947 festgestellt hat:

Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.

So stand es im Ahlener Programm der CDU geschrieben.

Die Hessische Verfassung ist – völlig unstrittig – ein Bekenntnis zum Frieden, zum Antifaschismus, zur Freiheit und Gleichheit der Menschen, zu sozialen Rechten und zur Beschränkung wirtschaftlicher Macht. Sie fordert eine Demokratisierung der Wirtschaft, eine Sozialisierung der Schlüsselindustrien, sie ächtet den Krieg, und – das kann man schon sagen – sie trägt in Teilen durchaus antikapitalistische Züge. Man kann es auch ein bisschen anders formulieren, so, wie es der ehemalige CDU-Minister Stein gesagt hat:

Von allen Nachkriegsverfassungen ist die Hessische Verfassung das erste Staatsgrundgesetz, das den Wandel von der nur liberal-humanitären zur sozialhumanitären Ordnung vollzogen hat.

Uns LINKE erinnert der 75. Geburtstag unserer Landesverfassung daran, dass gerade die Herausforderungen in unserer Zeit, nämlich die Corona-Pandemie, die wachsende soziale Ungleichheit und auch die Klimakrise, letztlich nur sozial gerecht, demokratisch und friedlich gelöst werden können.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen gilt für uns, dass die hessische Landesverfassung ein ganz großes Versprechen ist, das immer noch einzulösen ist.

Jetzt kann man sagen, man braucht den Blick der LINKEN auf unsere hessische Landesverfassung nicht zu teilen. Aber einig sollten wir uns doch darin sein, dass wir sie in ihrer Bedeutung wahrnehmen und würdigen.

Deswegen ist uns die Landesverfassung nicht nur in ihrem 75. Jahr besonders wichtig und bedeutend, sondern wir schlagen in unserem Gesetzentwurf sogar vor, den 1. Dezember, den Verfassungstag, in Hessen zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen. Wie Sie wissen, gibt es immer wieder Überlegungen, die Zahl der gesetzlichen Feiertage zu ändern und gesetzliche Feiertage umzuwidmen. Der Hessische Landtag hat hier zweifelsohne die Gesetzgebungskompetenz.

Bei der Anzahl der arbeitsfreien Feiertage gibt es auch noch viel Luft nach oben. Zehn arbeitsfreie Feiertage hat Hessen – das sind mit am wenigsten in Deutschland –; zwei arbeitsfreie Tage mehr gibt es in Thüringen, in Sachsen, in Baden-Württemberg, dem Saarland und in den evangelischen Gebieten Bayerns. Drei arbeitsfreie Tage mehr gibt es in den katholischen Gebieten Bayerns, und in Augsburg sind es sogar vier arbeitsfreie Tage mehr. Aus der Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reden wir also über immerhin zwei bis vier weitere Tage.

Man kann auch noch einmal in Richtung FDP sagen – die immer die Befürchtung hat, dass die Wirtschaft darunter leidet –: Wir haben nicht den Eindruck, dass in Bayern die Wirtschaft darunter leidet, dass es mehr arbeitsfreie Zeit gibt. Im Gegenteil, man kann sich fragen, ob arbeitsfreie Zeit nicht ein Mehr an guter Arbeit bedeutet, was am Ende auch immer der Wirtschaft nutzt.

(Yanki Pürsün (Freie Demokraten): Beim Söder merkt man das nicht!)

Mehr Feiertage bedeuten nicht nur mehr Zeit für Erholung und für die Familie, sondern Feiertage haben jeweils eine kulturelle und eine geschichtliche Bedeutung. Sie erinnern an Ereignisse und an Bedeutungen, die wir aus der Geschichte für die Zukunft mitnehmen sollten.

Sie wissen, wir haben einmal vorgeschlagen, den 8. Mai als Feiertag einzuführen. Damit hatten wir jedoch keinen Erfolg. Trotzdem haben hier alle Rednerinnen und Redner die Bedeutung des 8. Mai hervorgehoben: das Ende des Zweiten Weltkriegs, die Befreiung vom Faschismus und der Neubeginn für Frieden und Demokratie in Deutschland.

Wir können uns auch vorstellen, den 8. März, den Internationalen Frauentag – das wissen Sie –, als einen Tag, der an die Durchsetzung der Gleichberechtigung erinnert, zu einem Feiertag zu machen, aber eben auch den 1. Dezember, den Tag der Hessischen Verfassung, die dadurch, dass sie die erste und zudem durch eine Volksabstimmung in Kraft gesetzte Verfassung war, sicherlich einen besonderen Platz in der Reihe der Länderverfassungen einnimmt. Es geht in diesem Fall darum, den Geist von Frieden und Sozialstaatlichkeit lebendig zu halten, und genau dazu könnte der hessische Verfassungstag als Feiertag einen sehr wichtigen Beitrag leisten.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen will ich meine Rede mit den Worten des Landtagspräsidenten Boris Rhein beschließen. Er hat kürzlich formuliert:

Die Hessische Verfassung ist der wichtigste Text unseres Bundeslandes. Wir alle stehen in der Verantwortung, unsere Verfassung mit Leben zu füllen und die Grundwerte der Demokratie hochzuhalten. Ein erster, wichtiger Schritt auf diesem Weg ist es, diese Verfassung zu kennen.

Um diese Ziele zu erreichen, wäre ein gesetzlicher Feiertag, der die Hessische Verfassung dann auch im gesellschaftlichen Leben Hessens verankert, ein erster, ein weiterer und sicherlich ein sinnvoller Schritt. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)