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Rede

Jan Schalauske - Der CDU-Generalsekretär hat sich politisch disqualifiziert

Jan Schalauske
Jan SchalauskeBundespolitikRegierung und Hessischer LandtagWirtschaft und Arbeit

In seiner 66. Plenarsitzung am 4. februar 2021 diskutierte der Hessische Landtag über die kontroversen Äußerungen von CDU-Generalsekretär Manfred Pentz. Dieser hatte in einer internen Sitzung zu den Corona-Wirtschaftshilfen gesagt: "So hart es klingt, ich hätte es zugelassen, dass der Markt diese Volkswirtschaft auch mal bereinigt." Außerdem bezeichnete er die Anhänger von Friedrich Merz als "Merz-Dschihadisten".

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir erleben zweifelsohne eine der größten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik. Infolge der Corona-Epidemie und der notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bangen Millionen Menschen um ihre Existenz. Sie sorgen sich darüber, ob sie mit ihrem Kurzarbeitergeld über die Runden kommen, ob sie mit ihrem Laden oder mit ihrem Geschäft Insolvenz anmelden müssen oder ob sie gar ihren Job verlieren werden, und das alles wegen eines Virus, für das die Menschen überhaupt nichts können.

Deshalb will ich es an dieser Stelle ganz einfach und ganz deutlich sagen: Wer in einer für unzählige Menschen so existenziellen Situation sinngemäß sagt: „So hart es klingt, ich hätte es zugelassen, dass der Markt diese Volkswirtschaft auch mal bereinigt“, hat sich politisch wirklich disqualifiziert.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Pandemie hat nämlich gezeigt, gerade in der Krise regelt der Markt eben nicht alles. Es braucht einen handlungsfähigen Staat, der mit Gesetzen, Regeln und staatlicher Hilfe alles dafür tut, dass der Markt in einer Krise nicht die Menschen, ihre Existenzgrundlagen und die Unternehmen hinwegfegt. Wer sich in der Krise auf die freie Hand des Marktes verlässt, dem droht ein böses Erwachen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber zur Wahrheit gehört auch: Es sieht alles danach aus, als ob der Generalsekretär der CDU Hessen, Manfred Pentz, das Opfer einer Intrige von Parteifreunden, insbesondere der Jungen Union – wohl vom rechten Flügel der Hessen-CDU –, geworden wäre.

(Zurufe CDU)

Parteifreunde des Generalsekretärs Pentz scheinen nichts Besseres zu tun gehabt zu haben, als Äußerungen, die er auf einer internen Onlinekonferenz gemacht hat, direkt an die „Bild“-Zeitung weiterzugeben. Hier scheint leider das alte Motto zu gelten: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde. – Das sagt auch viel über das Klima in der Hessen-CDU aus.

(Beifall DIE LINKE)

Ob man dazu allerdings eine Aktuelle Stunde braucht, ist eine Frage des politischen Geschmacks. Das will ich offen gestehen. Dass aber ausgerechnet die AfD eine solche Aktuelle Stunde beantragt, entbehrt nicht einer gewissen Komik; denn mit einer elaborierten Wortwahl ist sie hier bisher noch nicht aufgefallen.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt hat der CDU-Generalsekretär die Wiedergabe seiner Aussagen zurückgewiesen. Er hat sich nach der Kritik aus den eigenen Reihen entschuldigt, auch nach der Kritik aus den Reihen der Opposition.

Dabei könnte man es eigentlich belassen. Aber es sind nicht nur die Äußerungen über die Wirtschaftspolitik, sondern Herr Pentz soll noch gesagt haben, der Parteivorsitzende Friedrich Merz sei „der größte Spalter der Partei“, und er hat die Anhänger von Merz als „Dschihadisten“ bezeichnet. Ich will jetzt gar nicht so viel über die Wortwahl des Kollegen Pentz sagen. Ich will hier nicht weiter darüber diskutieren. Sie scheinen mir eher nicht im Einklang mit den sonst so hochgehaltenen bürgerlichen Tugenden zu stehen.

Aber seis drum. Ich bin auch froh, dass Friedrich Merz nicht Parteivorsitzender geworden ist. Da sind Manfred Pentz und ich, ob es ihm gefällt oder nicht, vielleicht gar nicht so weit auseinander. Ich will Ihnen auch sagen, warum: Friedrich Merz stimmte 1997 gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe. Im Jahr 2000 schlug er vor, das Renteneintrittsalter nicht auf 67, sondern auf 70 Jahre zu erhöhen. 2004 forderte er die Abschaffung des Kündigungsschutzes. Beides ein Schlag in das Gesicht hart arbeitender Menschen.

In jüngster Zeit hat Friedrich „BlackRock“ Merz mit Blick auf die Corona-Pandemie sogar gefordert, alle staatlichen Leistungen auf den Prüfstand zu stellen. Den Rechtsextremismus wollte er damit bekämpfen, dass er Grenzschließungen thematisiert. Das hat ja schon bei Horst Seehofer „wunderbar“ funktioniert. Nein, wir finden es richtig: Den neoliberalen und den rechtskonservativen Positionen von Friedrich Merz muss man entschieden Paroli bieten.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn sich Generalsekretär Manfred Pentz gegen Friedrich Merz stellt und sich dabei der Kritik der Wagners, Irmers, Kochs und Willschs der Hessen-CDU erwehren muss, wäre ich der Letzte, der ihn in dieser Position kritisieren würde. Wenn Manfred Pentz nun Friedrich Merz und seinen Jüngern die Stirn bietet, steht das im Übrigen kurioserweise im Gegensatz zu seinen vorher geäußerten Marktliberalisierungs- und -bereinigungsfantasien; denn diese sind dem Programm von Friedrich Merz gar nicht so unähnlich. Aber es scheint beim Kollegen Pentz noch ein Rest soziales Gewissen vorhanden zu sein. Immerhin, möchte ich sagen.

Zudem ist uns aufgefallen, dass Manfred Pentz mit seinen qualifizierten Zwischenrufen grundsätzlich ein großes und ausgeprägtes Interesse an der Entwicklung von real oder vermeintlich sozialistischen Staaten im 20. Jahrhundert oder auch in aktueller Zeit beweist. Da gibt es auch einen gemeinsamen Interessengegenstand – aber geschenkt.

Wer jetzt aber vor zu vielen Gemeinsamkeiten zwischen Manfred Pentz und der LINKEN im Hessischen Landtag Sorgen hat, den kann ich beruhigen: Die letzte Rede des Kollegen Pentz, an die ich mich erinnern kann, trug den Titel „Auch in Hessen gilt: klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft statt sozialistischer Enteignungsfantasien“. Leider zeugte dieser Beitrag nicht von besonders großen Kenntnissen unserer Verfassungsgrundlagen und unserer Geschichte, sodass wir da auch weiterhin in entschiedener politischer Gegnerschaft sind. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)