Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske zu grünen Finanzanlagen

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 88. Plenarsitzung am 11. November 2021 diskutierte der Hessische Landtag über grüne und nachhaltige Finanzanlagen. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man muss sagen, bei der Lage der CDU in Bund und Land ist aktuell noch viel Luft nach oben. Ob es in so einer Situation dann hilft, mit einer solchen Aktuellen Stunde mit einem relativ unverfänglichen und vermeintlich freudigen Thema an politischem Profil zu gewinnen, darf eher bezweifelt werden. Aber natürlich entscheidet die CDU selbst darüber, welche Aktuellen Stunden sie beantragt. (Beifall DIE LINKE) Es kann sein, dass es aus Ihrer Sicht noch einmal sinnvoll ist, am Lob der Landesregierung jetzt nicht zu sparen. Wir haben gleich noch eine Debatte über die Rolle des Finanzministers. Dass Sie Ihren Finanzminister daher noch einmal in ein besonders helles Licht rücken wollen, ist durchaus verständlich. Jetzt ist die frohe Botschaft, die fast alle Fraktionen hier verkündet haben: Frankfurt wird zum Hauptsitz des geplanten internationalen Gremiums zur Setzung von weltweiten Standards für nachhaltige Finanzberichterstattung, ISSB. Die „FAZ“ titelt prompt: „Frankfurt setzt Standards für nachhaltige Finanzberichte“. Für mich ist es relativ zweitrangig, ob nun Bundesfinanzminister Olaf Scholz oder Ministerpräsident Volker Bouffier oder Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, oder wer auch immer, am meisten dazu beigetragen hat, dass dieses Institut nach Frankfurt kommt. Ich glaube, Sie alle eint die Hoffnung, dass damit geholfen wird, Geld in nachhaltige Finanzprodukte und klimafreundliche Investitionen zu lenken und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wenn ich mir anschaue, was uns da auf Bundesebene droht, frage ich mich, was ein Finanzminister Christian Lindner dazu beitragen wird. Das wollen wir heute nicht diskutieren. (Widerspruch Freie Demokraten) Bei aller Freude, die das bei Ihnen allen auslöst, muss ich jetzt noch ein bisschen Wasser in den Wein schenken. Ich erinnere an ein populäres Werk der Alltagsliteratur, das ich bei diesen Gelegenheiten schon öfter zitiert habe. Es sind jetzt auch ein paar neue Kollegen dabei, da lohnt sich das. Ich möchte Sie gerne an die „Känguru-Chroniken“ des Autors und bedeutenden Kleinkünstlers Marc-Uwe Kling erinnern. (Zuruf Robert Lambrou (AfD)) In diesem lesenswerten Werk (Beifall Lisa Gnadl (SPD)) handelt es sich um ein ziemlich subversives und aufmüpfiges Känguru. Ich gebe zu, für viele Linke ist das ein echter Sympathieträger. (Beifall Lisa Gnadl (SPD)) In einer Episode geht das Känguru in eine Bank und möchte eine halbe Million Euro anlegen. – Stefan, das ist doch wie aus deinem Alltag. (Heiterkeit – Zurufe) Das Känguru hat verstanden, dass Geld nicht arbeitet, sondern am Ende arbeiten immer noch Menschen. So erklärt das Känguru dem Bankberater kühl: „Ich möchte mein Portfolio, meine Finanzanlagen so, wie ich mein Steak möchte.“ Der Bankberater fragt verdutzt: „Ah, Sie möchten es well done?“ Dann sagt das Känguru: „Nein, nicht well done, ich möchte es blutig.“ So erklärt das Känguru nämlich dem verdatterten Bankberater: „Je größer die Ausbeutung, je schmutziger das Geschäft, umso größer die Rendite.“ Das Känguru sagt: „Ich will dahin, wo es wehtut, denn da wartet der größte Profit.“ Da sind wir beim Kernproblem vermeintlich nachhaltiger Finanzprodukte. Wirklich nachhaltige Finanzprodukte gibt es nämlich nicht, bestenfalls als Nischenprodukt. Wollte man sie fördern, dann braucht man nicht nur Berichterstattung, sondern dann braucht man echte Regulierung. Darüber ist heute kaum ein Wort gesprochen worden. (Beifall DIE LINKE) Das können wir auch belegen, wenn wir uns das im Lande Hessen anschauen. Es wird versucht, viele Geldanlagen möglichst nachhaltig und grün darzustellen. Sie alle entrinnen aber nicht dem Problem, dass saubere Geldanlagen in einem dann doch sehr schmutzigen und unangenehmen Wirtschaftssystem ein großer Widerspruch sind. Das wird auch am Beispiel Hessens deutlich. Das Land Hessen, darauf haben Vertreter von CDU und GRÜNEN hingewiesen, bemüht sich seit einiger Zeit um nachhaltige Geldanlagen am Beispiel der Versorgungsrücklage für die Beamtinnen und Beamten. Das heißt, dabei wird Steuergeld an Finanz- und Immobilienmärkten angelegt, um zukünftige Beamtenpensionen zu refinanzieren. Aber auch hier scheitert Ihre Vorstellung von nachhaltiger Finanzanlage an der Realität. Man investierte in Banken, die den Bau der umstrittenen Dakota-Pipeline finanzierten. Das Land sah sich genötigt, den VW-Konzern wegen des Abgasskandals zu verklagen – immerhin ist das Land dort auch Aktionär. Bei allem Respekt für das Bemühen um Kennzahlen und nachhaltige Investments und bei aller Freude, dass das jetzt in Frankfurt passieren soll – am Ende führt nichts daran vorbei, (Zuruf René Rock (Freie Demokraten)) dass wir in erster Linie unser Wirtschaften nachhaltiger gestalten wollen. Vizepräsidentin Karin Müller: Herr Abg. Schalauske, Zeit für Ihren letzten Satz. Jan Schalauske (DIE LINKE): Hier sehen wir bei der schwarz-grünen Landesregierung enormen Nachholbedarf; denn das Känguru würde sich freuen (Zuruf René Rock (Freie Demokraten)) über den Bau von Autobahnen durch mittelhessische Wälder, über öffentliche Subventionen für einen Flughafenbetrieb – aber mit nachhaltigem Wirtschaften hat das alles nichts zu tun. Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) Da muss die Landesregierung noch gehörig nachsitzen. (Beifall DIE LINKE – René Rock: Das ist eben komplexer als ein Comic! – Gegenruf Lisa Gnadl (SPD): Das ist kein Comic! – Holger Bellino (CDU): Nachhaltigkeit haben wir in der DDR kennengelernt!)