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Rede

Jan Schalauske zum Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz

Jan Schalauske
Jan SchalauskeWohnen

In seiner 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über das ohnrauminvestitionsprogrammgesetz. Dazu die Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Auch zu fortgeschrittener Stunde bleibt die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum eine so wichtige Frage, dass man sie auch mit entsprechender Zeit diskutieren muss. Erlauben Sie mir nur eine kurze Vorbemerkung zu dem, was die Kollegin Förster-Heldmann gerade gesagt hat. Sie hat so ein bisschen das Bild gezeichnet, die Politik solle der Vermittler sein zwischen dem Wunsch der Bauindustrie, der auch stark von der FDP unterstützt wird, und den Kommunen und der öffentlichen Hand auf der anderen Seite.

Ich hätte einen ganz anderen Vorschlag: Sie könnten als Land Hessen damit beginnen, keine öffentlichen Flächen mehr zu verkaufen, öffentliche Flächen, die dann den Kommunen oder dem Land Hessen als Gestaltungsspielraum fehlen. Beim Verkauf des Frankfurter Polizeipräsidiums hat sich das Land wie ein Spekulant verhalten, hat es meistbietend verramscht. Hören Sie damit auf. Das wäre ein gutes Handeln des Landes Hessen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Wir beraten jetzt in zweiter Lesung über die Änderung des Wohnrauminvestitionsprogrammgesetzes, WIPG, und ich will gleich zu Beginn das sagen, was ich auch schon bei der ersten Lesung gesagt habe: Es ist völlig richtig, die Geltungsdauer dieses Gesetzes zu verlängern. Es ist auch richtig, die Mittel aufzustocken. Angesichts der Mietenund Wohnungskrise, die wir in Hessen haben, ist jeder Schritt sinnvoll, der das Angebot an bezahlbarem sozial geförderten Wohnraum ausweitet. Darüber gibt es auch wenig unterschiedliche Meinungen. Deswegen stimmen wir dem Gesetzentwurf zu, ganz unideologisch, so, wie Sie das von uns gewohnt sind.

(Zurufe)

Dies vorausgeschickt, muss man aber etwas Wasser in den Wein gießen, und man muss natürlich auch der Selbstinszenierung von Schwarz-Grün etwas entgegensetzen.

Erst letzte Woche hat sich der zuständige Minister, Herr Staatsminister Al-Wazir, mit den Worten zitieren lassen, der soziale Wohnungsbau ziehe in Hessen wieder an. – Grund für diese, wie wir finden, sehr optimistische Sichtweise ist der Umstand, dass 2020 scheinbar über 3.000 Wohnungen zur Förderung gemeldet wurden. Immerhin, besser spät als nie. Aber allein die Tatsache, dass dies der höchste Wert seit 2009 ist, zeigt einerseits die Größe des Problems und andererseits, wie sehr die Wohnungspolitik unter Schwarz-Grün in den letzten Jahren geschlafen hat.

In all diesen Jahren ist es Ihnen nicht gelungen, die Zahlen des sozialen Wohnungsbaus anzukurbeln. Im Gegenteil, Sie wissen, 10.000 Wohnungen sind aus der Bindung gefallen. Laut der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, die wir letzte Woche nach über fünf Monaten endlich erhalten haben, sind es in Hessen aktuell nicht mehr als 80.000 Sozialwohnungen, die Tendenz ist weiter fallend. Bis 2024, das wissen Sie, sollen weitere 8.800 Wohnungen aus der Bindung fallen, darunter knapp 6.000 Wohnungen im Regierungsbezirk Darmstadt, also in der Rhein-Main-Region. Sogar Kollege Lenders hat darauf hingewiesen, dass wir es hier mit einer sehr angespannten Situation zu tun haben.

Herr Staatsminister, da hilft es auch wenig, wenn Sie dann an Berlin verweisen. Das können Sie alles gerne machen. Aber der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus in Hessen liegt in den letzten Jahren in Ihrer Verantwortung, in der Verantwortung eines grünen Ministers. So darf es nicht weitergehen.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn angesichts solcher Zahlen Frau Förster-Heldmann in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs von einer „Delle“ im sozialen Wohnungsbau spricht, dann zeigt es letztlich nur, wie weit Sie von der Realität weg sind. Diesen Niedergang als „Delle“ zu bezeichnen, das ist für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen, die wirklich betroffen sind von dieser Wohnungskrise und diesem Mietenwahnsinn, nicht nachzuvollziehen. Wie diese Menschen solche Bezeichnungen empfinden, das sollten Sie sie am besten einmal fragen. Viele Menschen wissen überhaupt nicht mehr, wie sie ihre Miete noch bezahlen sollen, wie sie an eine bezahlbare Wohnung kommen. Sie sprechen von einer „Delle“ in einer ansonsten doch ach, so positiven Entwicklung.

(Zuruf Hildegard Förster-Heldmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich glaube, dass es keine Delle ist, es ist ein strukturelles Problem. Die Wohnungsfrage ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit. Es wäre endlich Aufgabe, auf den Regierungsbänken entschlossene Lösungen zu präsentieren, statt das Problem in immer neuen Debatten weiter zu verharmlosen.

Jetzt stellen Sie sich hin und sagen: Wir sind auf einem guten Weg, wir investieren Rekordsummen. – Genau das ist schon wieder passiert, genau das hat Frau Förster-Heldmann gerade wieder getan. „Wir haben die Förderkonditionen verbessert, es werden so viele Wohnungen zur Förderung angemeldet wie noch nie“ – das klingt alles auf den ersten Blick prima. Aber schauen wir uns doch einmal die Zahlen des Wohnrauminvestitionsprogrammgesetzes an.

Eine Verdoppelung der Mittel um 257 Millionen € klingt natürlich erst einmal spektakulär herausragend. Schaut man aber auf die verlängerte Laufzeit und auf die Landesmittel, die jenseits von Darlehen fließen sollen, dann sieht man, am Ende sind es eben ein paar Millionen Euro pro Jahr mehr, mehr aber auch nicht.

Das künstliche Hochrechnen von Fördersummen ist bei Schwarz-Grün Programm. Das hat System bei der Landesregierung. Laut der Antwort auf unsere Kleine Anfrage wurden von 2015 bis 2019 Fördermittel im Bereich der Wohnraumförderung in Höhe von 541 Millionen € bewilligt, knapp 9.100 Wohnungen. Das klingt erst einmal nach einer ganzen Menge. Im selben Zeitraum sind allerdings Kompensationsmittel des Bundes in Höhe von 379 Millionen € geflossen. Das bedeutet, dass der Anteil des Landes in diesen fünf Jahren faktisch nur 161 Millionen € beträgt; das macht pro Jahr 32 Millionen €. Das ist natürlich weit entfernt von den Fantasie- und Fabelsummen, mit denen sich die Landesregierung so gerne schmückt. Es lohnt sich also, genauer auf Ihre Zahlen zu schauen.

(Beifall DIE LINKE)

Das gilt auch für die über 3.000 Wohnungen, die 2020 laut Ministerium zur Förderung angemeldet wurden. 2019 waren es 1.676 solcher Vorhaben, 2018 noch 1.983 Vorhaben. Das klingt erst einmal nicht schlecht, das klingt nach einer großen Steigerung. Allerdings, was bis heute unklar ist: wann aus diesen Anmeldungen tatsächlich Wohnungen werden. Es sind Wohnungen, die zur Förderung angemeldet wurden.

Wir haben Erfahrungswerte. Als das Ministerium im Sommer 2019 in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage zugeben musste, wie viele Sozialwohnungen gebaut wurden, wurde gesagt, 2017 waren es nur 693 und im Jahr 2018 nur 892. Ich zitiere:

Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen in den kommenden Jahren weiter zunehmen werden. Denn in den vergangenen Jahren wurden jeweils rund 2.000 Wohnungen bei der Landesregierung zur Förderung angemeldet. Diese befinden sich jetzt im Planungs- oder Bauprozess und werden in den nächsten Jahren fertiggestellt.

Es ist ja schön, wenn Sie diese Zahlen immer wieder vermelden. Wie viele dieser Wohnungen sind denn 2019 tatsächlich fertiggestellt worden? Sind die Zahlen wie prognostiziert gestiegen? – Nein, wir glauben, das genaue Gegenteil ist der Fall. Im Jahr 2019 wurden in ganz Hessen lediglich 618 geförderte Wohnungen fertiggestellt.

Präsident Boris Rhein:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Das ist ein neuer Negativrekord. Sie stellen sich hierhin und jonglieren mit großen Zahlen, die angeblich die Erfolge Ihrer Wohnungspolitik dokumentieren sollen. Diese Zahlen halten einer genauen Betrachtung nicht stand. Das ändert nichts daran, dass wir heute diesem Gesetzentwurf zustimmen werden. In Sachen Wohnungspolitik ist bei Ihnen aber noch sehr viel Luft nach oben.

(Beifall DIE LINKE)