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Rede

Rede Marjana Schott zum Antrag der LINKEN „Gute, flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Hessen“ – Drucks. 19/6167

Marjana Schott
Marjana SchottGesundheit

Rede Marjana Schott am 22. März 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Meldungen reißen in den letzten Tagen nicht ab. In die Horst-Schmitt-Klinik wurden 80 Patient*innen innerhalb von 24 Stunden mit einem Rettungswagen eingeliefert. Ein Patient wurde im Rettungswagen von Rüsselsheim ins knapp 150 Kilometer entfernte Fulda gebracht. Keine näher gelegene Klinik konnte ihn aufnehmen. Im Klinikum Fulda werden inzwischen wegen der vielen Notfälle geplante Operationen aufgeschoben, das führt zu Mindereinnahmen. Auch in Frankfurt mit der relativ hohen Dichte an Krankenhäusern, sind die Leitstellen für den Rettungsdienst überlastet. Die Frankfurter Krankenhäuser mit Intensivbetten haben sich fast durchgehend bei Ivena abgemeldet. Nach Auskunft der Frankfurter Berufsfeuerwehr, die den Einsatz der 56 Rettungsfahrzeuge in der Stadt koordiniert, müssen derzeit täglich zwischen 450 und 500 Fälle statt der üblichen 300 bis 350 Einsätze bewältigt werden.

(Nein, Herr Minister, Sie brauchen jetzt nicht zu schimpfen. Wir wissen, dass die Kliniken trotzdem aufnehmen. Da bleiben halt die Patient*innen auf dem Flur stehen oder müssen in ein anderes Bundesland gebracht werden.)

Aus allen Teilen Hessens werden zurzeit Probleme bei der Unterbringung von Notfallpatienten gemeldet. Ein ärztlicher Leiter eines Rettungsdienstes macht neben der Grippewelle die Krankenhausplanung dafür verantwortlich: "Allenthalben werden Betten abgebaut. Ich kann das für die Notfallpatienten nicht nachvollziehen. Und gerade jetzt, wo wir diese Grippe-Epidemie haben, überhaupt nicht."

Er führt weiter aus: "Ein Patient, den wir zu einem bestimmten Zeitpunkt als stabil einschätzen, kann später nicht mehr stabil sein. Längere Verlegungsfahrten haben natürlich Risiken. Ich hoffe, dass deswegen niemand stirbt."

Jetzt ist die sicher hartnäckige und weit verbreitete Grippe daran schuld. Aber das ist ja nicht das erste Mal, sondern gefühlt jedes Jahr um diese Zeit. Ich kann mich noch gut, an die Situation mit dem Abbau der Notfallbetten in der Horst-Schmitt-Klinik vor zwei Jahren erinnern.

Schultern müssen dies die Ärztinnen und Ärzte, die Rettungsdienste und die anderen Mitarbeiter*innen in der Notfallversorgung. Wir stimmen dem Notarzt in seiner Aussage zu: „Der Fehler liege im System. Wir haben so eine Situation jedes Jahr. Und jedes Jahr klagen wir darüber, dass wir zu wenige Behandlungskapazitäten haben. Und es ändert sich praktisch nichts daran."

Im Gegenteil: mit dem Krankenhausstrukturfonds hat die hessische Landesregierung nichts Besseres zu tun, als den Trägern Abwrackprämien zu zahlen, wenn sie ganze Stationen oder Kliniken schließen. Damit wurde auch Helios geködert, die Klinik in Bad Schwalbach zu schließen. Die Patientinnen und Patienten sollen dann nach Idstein, Rüdesheim oder in die ohnehin überlasteten Kliniken nach Wiesbaden. Die Frage ist tatsächlich, ist die Klinik in Bad Schwalbach für die Versorgung verzichtbar. Der Minister erntete ungläubiges Staunen im Ausschuss, als er erklärte, dass weder die Topografie noch die Straßen- oder Wetterverhältnisse eine Rolle spielen bei der Frage, ist eine Klinik notwendig oder nicht. Vielleicht hätte die Agentur nochmal nachlesen im Internet sollen: „Der Kreis ist in weiten Teilen von den Höhen und Ausläufern des Taunus durchzogen, die ihm insgesamt eine gebirgige Struktur mit überwiegend rauhem Klima verleihen.“

Man sollte den Strukturfonds, wie es andere Bundesländer auch tun, lieber dafür verwenden, eine Gesundheitsinfrastruktur vor Ort zu gestalten, in dem man den Kliniken das Geld für Umstrukturierungen, für die Überwindung der Sektorengrenzen ambulant und stationär, für die Zusammenarbeit von Kliniken zur Verfügung stellt. Schließlich haben sich auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte im Untertaunus für den Erhalt der Klinik ausgesprochen. Nicht nur, dass Ärzte und Patienten mit der Klinik zufrieden sind, die Ärzte sehen die Klinik unbedingt erforderlich, um die Grundversorgung im Landkreis zu erhalten.

Schließlich ist die ambulante Versorgung in Hessen an allen Ecken und Enden gefährdet. 13 Mittelbereiche haben bereits jetzt den hausärztlichen Versorgungsgrad von 100 Prozent unterschritten. Die Versorgungsaufträge werden weniger und die Bevölkerung pro Allgemeinmediziner*in mehr. Bei einer immer älter werdenden Bevölkerung und einer immer älter werdenden Ärzteschaft ein Konzept, das nicht aufgeht.

Wir wollen ja nicht sagen, dass niemand etwas dagegen tut. Wir haben aber den deutlichen Eindruck, dass diejenigen, die Verantwortung tragen und das sind die kassenärztliche Vereinigung und die Landesregierung nicht gemeinsam und koordiniert, sondern an einander vorbei und teilweise gegeneinander. Ich frage mich schon, wenn die Landesregierung eine Kabinettssitzung vor Ort zur gesundheitlichen Versorgung macht, warum die kassenärztliche Vereinigung nicht dabei ist. Ich frage mich schon, warum die KV nicht von dem einvernehmlichen Vorhaben, die Erstellung regionaler Versorgungsatlanten aufzugeben, informiert war.

Gerade ging die Meldung durch die Medien, dass das Klinikum Hanau 2017 mit einem Überschuss abgeschlossen hat und somit aus den roten Zahlen kommt. Laut Oberbürgermeister Kaminsky benötigt das Klinikum auch in Zukunft Überschüsse, um notwendige Investitionen zu tätigen, da die pauschale jährliche Förderung seitens des Landes dafür nicht ausreiche.

Aus dem Verhältnis Arzt-Patient ist eine Geschäftsbeziehung geworden.

Weg mit den Fallpauschalen in der Krankenhausfinanzierung

„Bedarfsgerechte und zukunftssichere Krankenhäuser wird es nur geben, wenn wir uns vom Finanzierungssystem der Fallpauschalen verabschieden“, kommentiert Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, den heute erscheinenden Krankenhaus-Report des AOK-Bundesverbands.
Weinberg weiter:

„Die Krankenhäuser leiden an der Kommerzialisierung durch die Fallpauschalen und an der Unterfinanzierung der Investitionskosten durch die Bundesländer. Der doppelt erzeugte Kostendruck schadet der Gesundheit aller Beteiligten. Der irrwitzige neoliberale Glaube, dass eine gute Gesundheitsversorgung durch wirtschaftlichen Wettbewerb hergestellt werden könnte, führt unter anderem dazu, dass Stationen und ganze Krankenhäuser geschlossen werden, wenn sie sich wirtschaftlich nicht lohnen, obwohl sie für die Versorgung notwendig sind. Man muss sich nur das Stationssterben in der Geburtshilfe ansehen.

Auch der gesundheitsgefährdende Personalmangel ist ein Ergebnis dieses Kostendrucks. Deswegen ist es erfreulich, dass im Koalitionsvertrag der Einstieg in den Ausstieg aus dem Irrsinn der Fallpauschalen in Aussicht gestellt wird: Die Ankündigung, die Personalkosten für Pflegekräfte aus den Fallpauschalen herauszunehmen und sie nicht mehr pauschal, sondern krankenhausindividuell zu vergüten, ist ein richtiger Schritt und muss auf alle Berufsgruppen im Krankenhaus ausgeweitet werden. Und vor allem muss diese Ankündigung nun nicht nur rasch, sondern vor allem konsequent umgesetzt werden.

Wenn wir diese Probleme an der Wurzel anpacken und unsere Krankenhausversorgung für die Zukunft aufstellen wollen, müssen wir die Krankenhäuser vom Joch des Wettbewerbs befreien und eine bedarfsgerechte, am Gemeinwohl orientierte Finanzierung entwickeln – dringend.“