Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez - Schwarzgrüne Migrationspolitik bedeutet "Abschieben statt Aufnehmen"

Saadet Sönmez
Saadet SönmezInnenpolitikMigration und Integration

In seiner 39. Plenarsitzung am 6. Mai 2020 diskutierte der Hessische Landtag über einen zwischen mehreren Bundesländern ausgehandelten Staatsvertrag, der zukünftig Abschiebungen erleichtern wird. Dazu die Rede unserer migrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Frau Präsidentin, sehr geehrten Damen und Herren!

Es stellt sich zu diesem Tagesordnungspunkt die Frage: Was soll das eigentlich? Was bezweckt die Landesregierung zu diesem Zeitpunkt damit, über einen Staatsvertrag debattieren und abstimmen zu lassen, in dem es um Erleichterungen von Abschiebungen geht, wo es faktisch aber gar keine Abschiebungen geben kann. Herr Beuth, Sie haben es selbst gesagt, es handelt sich hauptsächlich um Flüge; und zurzeit finden bekanntlich keine Flüge statt. Also stellt man sich schon die Frage, was das jetzt soll und warum man uns jetzt damit beschäftigen muss.

(Unruhe)

Wir bekommen einen Staatsvertrag zur Abstimmung vorgelegt – das haben Sie auch gesagt, Herr Beuth –, der lediglich von sechs Landesregierungen unterzeichnet wurde; zehn weitere haben ihn nicht unterzeichnet.

(Zurufe CDU)

Es wäre schön gewesen, wenn Hessen sich zu diesen zehn Ländern gesellt hätte, aber es ist ja bekannt, wir wissen es, dass die Hessische Landesregierung gerne die Vorreiterrolle übernimmt, wenn es darum geht, Menschen in Not ihrer Not zu überlassen.

Während Sie damit beschäftigt sind, Ihre Abschiebepraxis zu optimieren, leben Menschen, und das nicht erst seit Corona, unter katastrophalen Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern und ertrinken weiterhin im Mittelmeer.

(Zuruf CDU: Das ist gar nicht das Thema!)

– Doch, genau das ist das Thema. – Anstatt hiergegen etwas zu tun und uns das schon vor Monaten angekündigte Landesaufnahmeprogramm vorzulegen, lassen Sie uns jetzt über so einen Staatsvertrag abstimmen und wollen ihn durchwinken. Meine Damen und Herren, mit dieser Haltung machen Sie sich aber mitschuldig.

(Zurufe CDU)

Sie machen sich mitschuldig am Elend dieser Menschen, die in den Flüchtlingslagern elendig vor sich hinkrepieren müssen und die reihenweise im Mittelmeer ertrinken. Sie machen sich mit dieser Haltung mitschuldig. Dessen müssen Sie sich bewusst sein.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ja nicht so, dass zum Thema Abschiebung in Zeiten der Corona-Krise, in denen es bekanntlich keine Flüge geben kann, die Landesregierung nichts tun kann. Es ist ja nicht so, dass es da nichts gäbe. Aber da wird leider wieder in die andere Richtung gearbeitet.

(Zurufe CDU)

Angesichts dessen, dass sowieso keine Abschiebungen stattfinden können, sollte von diesen Abstand genommen werden. Dann würde es auch nicht zu solch absurden Abschiebeversuchen kommen wie mit den beiden Iranerinnen. Sie hätten vom Frankfurter Flughafen aus abgeschoben werden sollen. Da es keine regulären Flüge mehr gab, hat man versucht, eigens für diese zwei Personen einen Flug zu chartern, der über 100.000 € gekostet hätte.

(Zuruf Alexander Bauer (CDU))

Nur durch öffentlichen Druck konnte dieser Abschiebewahnsinn gestoppt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Alexander Bauer (CDU))

Um genau so etwas künftig zu verhindern, könnte die Landesregierung einen mehrmonatigen Abschiebestopp erlassen und auch die entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen ziehen,

(Zuruf Alexander Bauer (CDU))

d. h., keine Haft mehr und auch keine leistungsrechtlichen Sanktionen oder Arbeitsverbote wegen angeblich fehlender Mitwirkung.

(Unruhe)

  • Sie wollten eigentlich genau zuhören.

(Zurufe)

Doch anstatt solche Maßnahmen einzuleiten, beschäftigen Sie das Parlament damit, wer an Abschiebeverfahren mitwirken kann und wer nicht. Dieser Staatsvertrag soll regeln, dass zukünftig auch Bedienstete an bundesländerübergreifenden Abschiebungen beteiligt werden sollen, die keine Polizeibediensteten sind.

(Anhaltende Zurufe)

  • Dann gehört es abgeschafft. – In der Begründung heißtes, und Herr Beuth hat es auch vorgetragen, es werde sowieso schon gemacht, aber man könne es jetzt gesetzlich verankern, dass Bedienstete, die keine Polizeivollzugsbediensteten sind, namentlich Wachpolizisten, an Abschiebevorgängen beteiligt werden können.

Es ist schon besorgniserregend, dass es gemacht wird und dass es jetzt in Gesetz gegossen werden soll. Es ist besorgniserregend, weil das doch sehr hoheitliche Maßnahmen sind. Diese Maßnahmen sind mit sehr schweren Grundrechtseingriffen verbunden. Das Angestellten zu überlassen und zuzumuten, die gerade einmal eine 18-wöchige Ausbildung hinter sich haben, das ist schon interessant, wenn man es einmal so sagen kann.

Anstatt für gut ausgebildete und ausreichend gut bezahlte Polizei zu sorgen, wollen Sie jetzt Wachbedienstete für diese Dienste mit einbeziehen.

Vizepräsidentin Karin Müller:

Frau Abg. Sönmez, Sie müssten zum Schluss kommen.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

Aber den von Abschiebung betroffenen Menschen dürfte es eigentlich auch egal sein, ob sie von Wachpolizisten oder von Polizeivollzugsbediensteten abgeschoben werden.

Für sie ist und uns bleibt die Abschiebung ein unmenschlicher Akt, ein Herausreißen aus dem bisherigen Leben und ein gewaltvolles Verbringen an einen anderen Ort, an dem sie nicht sein können und vielleicht auch nicht sein wollen, meine Damen und Herren.

Wir LINKE werden uns deshalb grundsätzlich gegen das Instrument der Abschiebung stellen, weshalb wir auch diesen Gesetzentwurf, der Abschiebungen noch mehr erleichtern soll, ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe)