Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Null Gebrauchswert für die Menschen"

Hermann Schaus

Zum Entschließungsantrag der CDU-FDP-Fraktionen betreffend "Eine freie und offene Gesellschaft ist die Grundlage für Demokratie und Zusammenhalt!"

Zum Entschließungsantrag der CDU-FDP-Fraktionen betreffend "Eine freie und offene Gesellschaft ist die Grundlage für Demokratie und Zusammenhalt!" 

 

Herr Präsident,
meine verehrten Damen und Herren,

einige Zeit habe ich darüber nachgedacht, ob es sich überhaupt noch lohnt zu den immer gleichen Sicherheits-Anträgen von CDU und FDP zu sprechen. Inzwischen zimmern Sie ja für jede Landtagssitzung aus den immer gleichen Phrasen fortlaufend gleiche Anträge zusammen.

Die Satzbausteine und der Tenor (zugegeben verkürzt) lauten: Überall Extremisten, wir sind ständig bedroht, brauchen schärfere Gesetze, mehr Polizei und Geheimdienst und weniger Bürgerrechte. Wer dagegen ist, ist selbst ein Sicherheitsrisiko oder gar ein Extremist. Nur die Landesregierung kann uns noch retten.

Allenfalls variieren Sie leicht die Reihenfolge oder tauschen mal den einen oder anderen Begriff aus. Das ist nicht nur ideenlos, es wird auch langweilig.

Welchen Sinn macht es denn, dass Sie dieses Thema zum x-ten Mal einbringen. Der letzte Antrag dieser Art wurde erst in der letzten Sitzungswoche abgestimmt. Heute kommt schon der Nächste.

Ich habe es mal herausgeschrieben: Vor der Sommerpause der CDU-FDP Antrag mit dem Titel "Integration fördern, Extremismus bekämpfen, Demokratie verteidigen und stärken" (Drucksache 18/4135). In der Sitzung davor "60 jährige Tätigkeit des Verfassungsschutzes in Hessen- Verfassungsschutz auch zukünftig unverzichtbarer Pfeiler für Sicherheit und Demokratie" (Drucksache 18/4033). Und im Februar: "Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und sozialer Marktwirtschaft" und so weiter.

Heute diskutieren wir also die herausragende Neuerung "Eine freie und offene Gesellschaft ist Grundlage für Demokratie und Zusammenhalt".

Ihre Anträge sind nicht nur ideenarm, sondern auch ohne jede Konsequenz: Denn allen Anträgen war zu eigen, dass sie null Gebrauchswert für die Menschen draußen haben.

Nicht eine Maßnahme wurde damit entschieden, nicht ein einziger Beitrag geleistet, der tatsächlich zu mehr Sicherheit oder demokratischem Fortschritt geführt hätte. Sie bewegen, wenn überhaupt, stundenlang und immer und immer wieder lauwarme Luft.

Angesichts der tiefen Krisen, die die Staaten und westlichen Demokratien momentan ja tatsächlich erleben und die gesellschaftliche Antworten eigentlich dringend notwendig machen, finde ich das beschämend.

Übrigens: Einen Antrag von Ihnen, in dem das Wort Sozialstaat auftaucht, habe ich nicht gefunden. Dass die immer tiefere Kluft zwischen arm und reich für eine freie, offene und demokratische Gesellschaft auch ein Problem sein könnte, negieren sie offenbar völlig.

Auch der wirksame Ausbau von Bürgerrechten war Ihnen in letzter Zeit keinen Antrag wert. Dass eine freie und offene Demokratie durch mehr Bürgerrechte, Transparenz und demokratischer Teilhabe gestärkt werden könnte, ist Ihnen keine Debatte Wert gewesen.

So kann man fröhlich weiter aufzählen: Klima-, Lärm- und Umweltschutz in Hessen, Jugendperspektiven, Partnerschaft und Entwicklungszusammenarbeit, Friedensarbeit ... alles Fehlanzeige.

Dass das Treiben der Finanzmärkte die größte Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft bedeutet und ihr eigenes Klientel inzwischen politisch völlig irritiert bis desillusioniert ist – auch kein Thema für einen Antrag von FDP und CDU.

Deshalb also wieder ein Antrag über Extremismus. Das stimmt immer! Da weiß man wenigstens wo der Feind steht. Zum vierten Mal in diesem Jahr die Forderung nach Überwachung, Polizei, Geheimdienst.

Ich will aber wenigstens kurz inhaltlich auf ihren Antrag eingehen, um zum vierten Mal aus Sicht der LINKEN zu zeigen, dass auch dieser Antrag völlig untauglich ist.

Zu Absatz eins und zwei: Niemand hier bezweifelt, dass wir alle gerne in einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft leben wollen. Das muss nicht monatlich abgestimmt werden. Niemand bezweifelt auch, dass terroristische Anschläge eine Bedrohung sein können, denen man staatlich und gesellschaftlich begegnen muss. Auch das muss nicht ständig abgestimmt werden.

Diese beiden Absätze waren aber nur die Ouvertüre!

Haarsträubend wird es nämlich, wenn endlich halbwegs klar wird, worum es im Antrag eigentlich wieder geht. Sie sprechen sich uneingeschränkt für Vorratsdatenspeicherung, Sicherungsverwahrung, die Verlängerung der "Anti-Terror-Gesetze" und gegen ein NPD-Verbot aus. Dies soll, so der einzige Anspruch daran, innerhalb des verfassungsmäßigen Rahmens passieren. Na, was denn sonst, könnte man fragen!

Genau hier aber liegt ihr Problem: Denn die Vorratsdatenspeicherung, die Sicherungsverwahrung und die Anti-Terror-Gesetze (z.B. Rasterfahndung, Flugzeugabschüsse usw.) waren ja nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes verfassungswidrig. Nun einfach zu sagen, macht es einfach wieder, so viel wie möglich, aber diesmal richtig, ist an Schlichtheit nicht zu überbieten.

Selbst die Bundes-FDP hat sich zudem gegen die Verlängerung der Anti-Terror Gesetze gewehrt und damit ein kleines Steinchen für mehr Bürgerrechte ins Wasser geworfen. Bei der Hessen-FDP sind die Bürgerrechte hingegen längst untergegangen. Sie sind ihnen an absolut zentralen Punkten der Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit nicht ein einziges Wort mehr wert.

Und lustig ist dann ihre wiederholte Selbstbelobigung beim Thema Polizei im Absatz 5. Offenbar haben Sie ja das gesamte letzte Jahr und auch die letzte Anhörung zur Besoldungserhöhung im Innenausschuss nicht wahrgenommen.

Ich will das mal so zusammenfassen: Die Landesregierung lobt die Polizistinnen und Polizisten, aber die Polizistinnen und Polizisten loben nicht die Landesregierung. Im Gegenteil. Die Polizistinnen und Polizisten sind stinksauer, weil sie für immer weniger Geld immer länger arbeiten müssen und dann auch noch ständig von der Landesregierung politisch vereinnahmt werden.

Die Gewerkschaft der Polizei hat es sich in der Anhörung sehr deutlich verbeten, ständig von ihnen in Anträgen benutzt zu werden. Also streichen sie doch mal aus ihrer Antragserstellungsmaschine wenigstens diesen Textbaustein raus.

Wen oder was wollen sie also mit diesem Antrag bewegen?

Ich sage, sie zeigen nur auf, dass sie mit ihrer Politik meilenweit von den wirklichen Sorgen und Nöten der Menschen draußen entfernt und angesichts der tatsächlichen Probleme ideen- und kraftlos sind.