Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Petra Heimer – Fachkräftemangel in hessischen Kitas ist hausgemacht – Kommunen endlich besser ausstatten

Petra HeimerBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 142. Plenarsitzung am 19. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag über den Gesetzentwurf der FDP in erster Lesung mit dem Betreff „Neuntes Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches“. Dazu die Rede unserer familienpolitischen Sprecherin Petra Heimer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Die Situation für Eltern ist alarmierend: Die Zahl der betreuten Kleinkinder verharrt auf niedrigem Niveau, nur 33,3 % der Kleinkinder unter drei Jahren sind zeitweise in einer Kita oder Tageseinrichtung untergebracht. Die Quote stieg innerhalb eines Jahres nur um 0,8 Prozentpunkte. Im Vergleich dazu liegen die ostdeutschen Bundesländer wie auch Hamburg und das Saarland bei 50 %. In Hessen kommt lediglich Frankfurt auf 40 % Betreuungsquote. Die schlechteste Versorgung haben Kommunen in den Landkreisen Offenbach und Groß-Gerau. Hier hat lediglich jedes vierte Kind einen Betreuungsplatz. Es fehlen immer noch Tausende Kita-Plätze; Herr Rock hat es vorhin angesprochen. Einer der Gründe hierfür ist der Fachkräftemangel bei Erzieherinnen und Erziehern.

Hessen muss eine hochwertige frühkindliche Bildung für alle realisieren. Hier werden das Fundament für Bildungsgerechtigkeit und spätere Bildungswege gelegt sowie Benachteiligungen und Diskriminierungen abgebaut. In den Kitas wird Vielfalt gelebt, und davon sollte kein Kind ausgeschlossen sein.

(Beifall DIE LINKE)

Die Ursachen für den Fachkräftemangel sind vielschichtig.

Wir haben in der letzten Zeit schon öfter darüber gesprochen. Lange Zeit wurden keine neuen Erzieherinnen und Erzieher eingestellt. Es klafft eine Generationslücke unter den Fachkräften, und erfahrene Kolleginnen und Kollegen gehen in den Ruhestand. Ausdruck für die überhandnehmende Belastung und die schwierigen Arbeitsbedingungen ist, dass bundesweit mehr als 20 % der Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger binnen der ersten fünf Jahre aussteigen und den Beruf wieder verlassen.

Wir stimmen der FDP durchaus zu, dass die Öffnung des Fachkraftkatalogs pädagogisch nicht sinnvoll ist. Ich glaube, dieser viel zitierte Schreinermeister ist in der Kita gerne gesehen – aber bitte nicht unter Anrechnung auf den Fachkraftschlüssel. Ich glaube, das ist damit auch eher gemeint gewesen.

Wir glauben auch nicht, dass die Öffnung für pädagogisch nicht qualifiziertes Personal eine falsche Lösung ist; denn dadurch wird der Erzieherberuf entwertet und die Tätigkeit in Kitas für Fachkräfte unattraktiver gemacht.

(Beifall DIE LINKE und René Rock (Freie Demokraten))

Hierzu hat die FDP einige Änderungen formuliert. Als Lösung wird die verlässliche Betreuungszeit gesehen. Auch bei mir sind noch ein paar Fragezeichen geblieben, was die Realisierung angeht. Das können wir dann vielleicht im Ausschuss noch einmal diskutieren. Auch die Erhöhung der Weiterbildung im frühkindlichen Bereich von 160 auf 300 Stunden stellt eine Verbesserung der Nachqualifizierung dar.

Wir stimmen auch zu, dass etwas getan werden muss, um die Betreuung zu sichern, und zwar mit nachhaltigen Lösungen. Ich erinnere an unseren Dringlichen Antrag „Frühkindliche Bildung braucht gute Arbeits- und Rahmenbedingungen“.

Unsere Vorschläge dazu – ich möchte einige noch einmal aufzeigen –: einen Studiengang „Lehramt Sozialpädagogik“ an einer oder an mehreren hessischen Hochschulen einrichten, damit weitere Kapazitäten an Fachschulen geschaffen und so mehr Auszubildende für den Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers gewonnen werden können; einen Qualifizierungs-Master für frühkindliche Bildung einführen; eine schnellere Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ermöglichen und die passgenaue Förderung von Nachqualifizierungsmaßnahmen bereitstellen; die Praxisanleitung an den Kitas weiter ausbauen und die mittelbare pädagogische Arbeit endlich anerkennen, gesetzlich verankern und mit Stundenkontingenten berücksichtigen

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): So könnte man es machen!)

– so könnte man es machen –; einen Perspektivplan auflegen, um kleinere Gruppen an den Kitas zu erreichen und die Fachkraft-Kind-Relation zu verbessern; für jede Kita mindestens eine Hauswirtschaftskraft und eine Verwaltungskraft finanzieren, um die Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten und für pädagogische Aufgaben freizuhalten; den Kommunen mehr Mittel zum Inflationsausgleich und zur Gehaltsanpassung für eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher zur Verfügung stellen. Das sind unsere Vorschläge, die in diesem Hause jedoch leider abgelehnt wurden.

Für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Eltern berufstätig sein können, ist zentral, ob sie einen Kita-Platz haben oder nicht haben. Da ein wesentlicher Anteil der Betreuungsleistungen immer noch von den Müttern getragen wird, wirkt sich der Mangel an Kita-Plätzen negativ auf die Geschlechtergerechtigkeit aus und benachteiligt die Frauen überdurchschnittlich stark.

Besonders betroffen davon, keinen Kita-Platz zu haben, sind die Alleinerziehenden. Hier stehen Existenzen auf dem Spiel. Ohne das Angebot einer öffentlichen Kinderbetreuung, welches ihnen eine Erwerbstätigkeit ermöglicht, verlieren Eltern – meistens sind es die Mütter – ihre Arbeitsplätze. Wenn sie nur stundenweise tätig sein können, steht ihre berufliche Weiterbildung in den Sternen. Da muss sich keiner über das Gender-Pay-Gap und später über das Gender-Renten-Gap wundern. Weniger Erwerbszeiten bedeuten weniger Rente – eine Rente, die oft nicht zum Leben reicht.

Auch die Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern brauchen einen Attraktivitätsschub. Eine hohe Arbeitsbelastung, wenige Aufstiegsmöglichkeiten, fachlich begrenzte Rahmenbedingungen und eine vergleichsweise immer noch zu geringe Bezahlung machen den Beruf nicht attraktiv genug, um mehr Menschen für ihn zu gewinnen.

Versprochen haben Sie von der Landesregierung den Menschen etwas anderes. Wir stehen jetzt unmittelbar vor der Landtagswahl 2023. 2018 sprachen Sie noch von dem Dreiklang aus Ausbau, Qualität und Beitragsfreiheit. Zum Schluss muss ich leider wieder einmal sagen: Nichts davon ist Ihnen gelungen.

(Beifall DIE LINKE)