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Rede

Rede zur Zweiten Lesung zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsrecht

Marjana Schott
Marjana SchottGesundheit

Rede Marjana Schott am 31. August 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


DIE LINKE lehnt den Gesetzentwurf ab, da er die notwendigen Änderungen im Betreuungsrecht nicht erbringt.

  1. Hauptkritikpunkt: es gibt keinen Rechtsanspruch für die Betreuungsvereine auf Finanzierung. Hessen will zwar im Haushalt die Zuwendungen um 50 Prozent auf eine Million erhöhen, was erfreulich ist - dies ist aber immer von Haushaltsberatungen abhängig und nicht der Sache zuträglich. Entweder will man die ehrenamtliche Betreuung und die Vorsorgevollmachten fördern, um höhere Kosten durch Berufsbetreuung en zu verhindern, dann muss man die Betreuungsvereine ordentlich fördern oder man lässt es und zahlt dann mehr aus dem Justizhaushalt.

Ich bedanke mich bei den Betreuungsvereinen für ihr hohes Engagement und bedanke mich bei allen, die Betreuungen durchführen, da dies eine äußerst verantwortungsvolle und oft nicht einfache Tätigkeit ist. Gerade wenn sie ehrenamtlich durchgeführt wird, hat sie große Unterstützung und Hilfe verdient. Hier leisten die Betreuungsvereine eine wichtige Arbeit, die nicht genug Wert geschätzt werden kann.

Für eine Verbesserung der Querschnittsarbeit fordern die Wohlfahrtsverbände eine Bezuschussung der Betreuungsvereine durch die Erstattung von Kosten für ganze oder halbe Stellen. Es gibt 53 Betreuungsvereine, diese würden dann durchschnittlich 18.000 Euro erhalten. Damit kann man keine halbe Stelle finanzieren, das würde gerade mal für zwei Minijobs pro Verein reichen, solche Arbeitsplätze lehnen wir aber auf jeden Fall ab.

Die Qualifizierung, Beratung und Begleitung der ehrenamtlichen Betreuer*innen ist allerdings eminent wichtig. Die Verrechtlichung und restriktive Handhabe der Sozialleistungsträger bei Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen hat enorm zugenommen. Die ehrenamtlichen Betreuer*innen müssen in der Lage sein, die Ansprüche der Betreuten gut zu vertreten. Es ist wichtig, ihnen eine gute Einstellung und Hilfen an die Hand zu geben, so dass sie tatsächlich den Festlegungen des BGB § 1901 entsprechen. Da wird die Aufgabe der Betreuer*innen deutlich festgelegt:

„Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Ehe der Betreuer wichtige Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft. Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.“

Bei den Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen gibt es viele Unsicherheiten bei den Beteiligten. Hier ist eine gute Beratung unerlässlich. Dies gehört auch zur Querschnittsaufgabe der Betreuungsvereine, sie müssen bei allen Angelegenheiten immer gut informiert sein und die neuesten Entwicklung bezüglich der Gesetzes und der Rechtssprechung kennen. Diese anspruchsvolle Arbeit kann nicht einfach so neben einer Reihe von beruflichen Betreuungen gemacht werden. Dies ist aktuell die Situation: die Betreuungsvereine müssen mehr Betreuungen beruflich führen, um die Querschnittarbeit durchführen zu können. Dies ist aber nicht in Ordnung und darf nicht sein. Deshalb ist die Landesregierung verpflichtet, die Vereine besser auszustatten.

  1. Die Kommunalisierung der Mittel ist nicht geeignet, um den Anforderungen zu entsprechen. Nicht alle Betreuungsvereine erstrecken sich auf Kreis- oder Stadtgrenzen. Es geht um eine Pflichtaufgabe, die im ganzen Land gleichermaßen geleistet werden muss und die sonst keine öffentliche Einrichtung macht. Es ist vollkommen richtig, wenn von Wohlfahrtsverbänden auf die Erweiterung der Aufgaben durch § 1908f BGB verwiesen wird. Wenn die Landesregierung jetzt behauptet, dass im Gesetz keine Vorgaben zur Quantität stehen, ist das falsch. Alle Anfragen der Bevölkerung müssen in vertretbarem Zeitraum – also kurzfristig – gründlich bearbeitet werden. Woher die Kommunen zusätzliche Mittel haben sollen, um die Betreuungsvereine zu fördern, bleibt zumindest bei den vielen Kommunen mit nicht ausgeglichenen Haushalten unklar. Die meisten, die es geschafft haben, ihren Haushalt auszugleichen, haben schon alles gestrichen, was nur zu streichen ist. Sonst würde ihnen nämlich die Finanzaufsicht auf die Finger hauen. Der Betreuungsverein kann auch nicht entscheiden, ob er die Beratung macht oder nicht, da seine Anerkennung davon abhängig ist, dass er planmäßig über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen informiert. Nicht zu vergessen ist die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer*innen. Auch dies ist eine gesetzliche Aufgabe des Betreuungsvereins.

  2. Wohlfahrtsverbände, Städtetag und Landkreistag betonten in der Anhörung die Notwendigkeit, die Bildung von regionalen Facharbeitskreisen ins Gesetz aufzunehmen, um Absprachen zu treffen und den Austausch zu gewährleisten. Die Praxis zeigt, dass nur wenn die Betreuungsbehörde bei der Kommune genügend Personal hat, solche Arbeitskreise stattfinden. Ich finde sie wichtig, sie sind meist der einzige kollegiale Austausch von Betreuer*innen, sie müssen mit Gericht und Behörde gemeinsam stattfinden und sinnvolle Regelungen zur Zusammenarbeit im Interesse der Betreuten entwickeln. Solange es noch keine verpflichtende Fortbildung von Betreuer*innen erfolgt, haben sie auch hier eine wichtige Funktion.

Deshalb lehnen wir das Gesetz ab. Wir brauchen keine Befristung und kein Überarbeitungen von Gesetzen, wenn die wichtigsten Probleme nicht angegangen werden. Das ist nur Bürokratieaufbau statt Bürokratieabbau.

Im Gegenteil: wir sehen die Landesregierung in der Pflicht, genauer die Entwicklung der Betreuungen in Hessen in Blick zu nehmen. Der Ausschluss von Menschen mit Beeinträchtigungen durch das Wahlrecht, wurde ja gerade erst bundesweit gerügt. Wenn aber in Hessen viel mehr Menschen als in anderen Bundesländern vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, weil sie eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben, dann muss dies dringend überprüft werden. DIE LINKE bereitet einen Gesetzesentwurf vor, damit diese Personengruppe bei den Landtagswahlen auch Zugang zum Wahlrecht bekommt.