Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Rüstungsexporte verbieten, denn: jede Waffe findet ihren Krieg

Willi van Ooyen
Willi van OoyenFriedenInternationales

- unredigiertes Manuskript - es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Ich finde es beeindruckend, dass sich der Hessische Landtag mit Krieg und den Konsequenzen zweier Weltkriege beschäftigt. Allerdings nur Erinnern (ich kenne Ypern und Verdun) an Millionen Tote darf nicht das Ende der notwendigen Konsequenzen sein – wie es der schwarz/grüne Antrag vorsieht. Das ist mir zuviel „Gut, das wir mal darüber geredet haben.“

Ich will in meinem Beitrag nicht jammern über Kriegstote und militärische Barbarei, sondern an diejenigen erinnern, die sich immer entschieden gegen Krieg und Kriegsvorbereitung gewehrt haben und auch heute gegen Aufrüstung, Rüstungsexporte und Militarisierung unserer Gesellschaft zur Wehr setzen.  Als Utopisten, als Friedensheulsusen, gar als Friedenshetzer hat man sie diffamiert, als Träumer und unmännliche Naivlinge, die von der wirklichen Welt der Lebenskämpfe und Kriege keine Ahnung hätten. Man begegnete ihnen jedoch nicht nur mit Spott, sondern auch mit bösartigen Anfeindungen, weil man sie für politisch gefährlich hielt.

Bürgerliche PazifistInnen waren keine bombenden Terroristen

Tatsächlich waren die bürgerlichen PazifistInnen am Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhundert keine bombenden Terroristen, vor denen sich der Staat fürchten musste,  auch keine revolutionären Kämpfer, die den Militärstaat aushebeln wollten. Vielmehr handelte es sich um bürgerliche Honoratioren, deren Anliegen fraglos hochpolitisch war. Ich will an Alfred Hermann Fried, Ludwig Quidde und Alva Myrdal und Bertha von Suttner, sie starb am 21. Juni 1914 – praktisch am Vorabend des 1. Weltkrieges, erinnern.

Allerdings schienen in den Vorkriegsjahren etliche Entwicklungen in Europa im Sinne der Friedenserhaltung zu wirken. Bürgerliche PazifistInnen in England, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Schweden (ich will, an Alfred Nobel erinnern, was aus dem von ihm gestifteten Friedens-Preis geworden ist, ist eher abstrus) und Deutschland pflegten auf persönlicher Basis internationale Kontakte. In den Haager Friedenskonferenzen (1899 und 1907) wurde die Einrichtung eines Internationalen Schiedsgerichtshofs beschlossen, der 1913 in Den Haag in den "Friedenspalast" einzog und seine Arbeit begann. (Ein Vorläufer der universellen UN-Konvention)

Die Anhänger des Militarismus begriffen allein schon die Propagierung der Idee des Friedens als einen Generalangriff auf das eigene Weltbild.
Sie drohte das Fundament des nationalen Machtstaats, also des Militärs, und der "kriegerischen Kultur" insgesamt zu erschüttern.  Als Beispiele nenne ich auch Rosa Luxemburg und den einzigen Abgeordneten, der gegen die Kriegskredite im Jahre 1914 stimmte, Karl Liebknecht. Beide wurden später für ihre antimilitaristische Überzeugung erst eingesperrt und dann ermordet. Die Antikriegsidee bestimmte den Vorabend des 1. Weltkrieges.  Die Kundgebungen von September 1913 bis im Juli 1914 waren große Massenveranstaltungen, bei denen die Menschen – auch die bürgerlichen Friedensanhänger – auf die Durchsetzung einer friedlichen Politik durch die Sozialdemokratie hofften. Dies war dann mit dem 4. August 1914 aber zur Illusion geworden.

Ich will nicht alle Schritte der pazifistischen und Friedensbewegung nachzeichnen. Aber der gravierende Einschnitt nach Faschismus und zweiten Weltkrieg war von einer aktiven – auch öffentlich wahrnehmbaren - Friedensbewegung geprägt.

•    Kampf gegen die Remilitarisierung ab 1956
•    Kampf dem Atomtod (1960 – mit Helmut Schmidt) mit den ersten Ostermärschen
•    Massenkriegsdienstverweigerung (bis zu 50 % der Wehrpflichtigen in den 80er Jahren). Die Forderung der Kriegsdienstverweigerung ist bis heute aktuell; sie bezieht auch Deserteure, auch ausländische, die bei uns Asyl bekommen müssen, ausdrücklich ein.
•    Ab 1978 die Massenaktionen gegen die Bedrohung durch neues atomares Wettrüsten (Neutronenbombe, Krefelder Appell) , die großen Ostermärsche der 80er Jahre
•    1991 gegen den 2. Golfkrieg
•    1998 gegen den Jugoslawienkrieg (Rolle der Grünen und der SPD)
•    Ab 2001 gegen den Afghanistankrieg
•    2003 gegen den Irak-Krieg

Ostermärsche und Friedensaktionen bleiben – auch aktuell - ein Zeichen für eine radikale Gegenkultur in unserem Land.

Wie bewerten wir die Arbeit der Friedensbewegung?

Neben den öffentlichen Aktionen gegen Krieg und Militarisierung hat die Friedensbewegung in der Bundesrepublik immerhin ein grundsätzlich pazifistisches Klima geschaffen. Die „Drückeberger“ wurden anerkannte Zivildienstleistende, selbst in der Bundeswehr wuchsen und wächst die Zahl der Kriegsdienstverweigerer und Aussteiger. Die Antikriegsstimmung im Land ist sicherlich ein wichtiges Verdienst der Friedensbewegung. Auch wenn es nur zu einigen Ereignissen gelang, Massen gegen die Kriege zu mobilisieren, ist die massive pazifistische Grundstimmung im Land ein wichtiger Nährboden für die langfristige Arbeit der Friedensbewegung.  In diesem Sinne sollten wir den Anfängen der Friedensbewegung unseren Respekt zollen.

Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus sollte unsere Leitidee bleiben.

Aber wir registrieren auch: Die militärische Definition der EU und die neue Selbstbeschreibung der deutschen Nation haben etwas mit dem dominanter werdenden Westeuropa und besonders Deutschlands in der Welt zu tun - und mit der neuen Weltordnungsvorstellung der NATO.
Glaubt man dem Bundespräsidenten Gauck und der Verteidigungsministerin von der Leyen, dann ruft der südliche Kontinent neuerdings virulente Sicherheitsinteressen Europas auf den Plan.
Die offizielle Argumentation schreckt nicht davor zurück, die „Boatpeople“ im Mittelmeer „als Problem für Europa“ zu nennen.
Zugriffsrechte auf Bodenschätze und Landnutzung in Afrika sind Kriegsziele. Afrika, das ist nicht die Zone selbstloser Entwicklungshilfe. Deutschland ist insgesamt reichlich unwissend und uninteressiert bezüglich der ethnisch aufgeladenen, bewaffneten Konflikte in den verschiedensten afrikanischen Staaten.

Es ist für uns wichtig, sich mit den Friedensgefährdungen im 21. Jahrhundert umfassender auseinanderzusetzen.

So wichtig es ist, sich gegen den steigenden Waffenexport zu stellen, so wichtig ist es, zu sagen, warum es ihn gibt. Die bipolare Welt ist vergangen, neue Militärbündnisse kommen auf. Ehemals pazifistische Staaten, die im pazifischen Raum neue wirtschaftliche Dynamiken erleben, rüsten auf. Die Welt soll neu aufgeteilt werden. Nicht mit gerechten Handelsbeziehungen, sondern vermittels des Rückgriffs auf militärische Stärke, sollen nationale Interessen gewahrt werden. Wir müssen sagen, welche Rolle der Zugriff auf und die Ausbeutung von Bodenschätzen, die Expansion in neue Märkte, die Schaffung neuer Absatzmärkte in der strategischen Sicherheitspolitik spielen. Diese „Erneuerung“ und Gemeinsamkeit ist eine Reaktion auf die Veränderungen einer multipolar gewordenen Welt, die sich vollzogen hat, weil keine Friedensdividende aus dem Ende des Kalten Krieges gezogen wurde.

Waffenlieferungen in Konfliktgebiete sind unmoralisch

Natürlich sind Waffenlieferungen in Konfliktgebiete unmoralisch und wir kennen seit den Kriegen gegen Afghanistan, den Irak, gegen Libyen, Sudan, Mali und Syrien einen islamistisch gewalttätigen Fundamentalismus mit verheerenden Folgen. Natürlich sind nicht alle bewaffneten Konflikte rein ökonomisch zu deuten oder zu lösen. Aber eine große Friedensgefährdung geht von der globalen Gerechtigkeitsfrage aus. Verweigerte Lebens- und Entwicklungschancen, gestohlene Gemeinwohlorientierung andernorts, davon profitieren wir als Exportnation mit unseren Wachstumsraten.
Das Volk wird überrumpelt. Die etablierten Parteien aber auch die bürgerliche Presse vermeiden es, die Demokratiegefährdungen und militaristisch ausgeprägten Dominanz-Ansprüche der EU anzusprechen.

Deutschland sollte aus historischer Erfahrung, eine wichtige friedensstiftende Diplomatie entwickeln, statt damit aufzuwarten, als „erwachsene Nation“ kämpfende Soldaten ins Ausland zu schicken.  Ziviler Friedensdienstleistender, das wäre eine ethisch und moralisch noble Rolle. Als größte europäische Wirtschaftsmacht sollte Deutschland den Primat der zivilen Konfliktlösung an die UN zurückgeben, anstatt sich im Verbund mit anderen EU-Staaten einer kohärenten zivil-militärischen modernen Kriegsführungsfähigkeit zu befleißigen.Mein Eindruck und mein Wunsch ist: Nehmt die Vorschläge für eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa unter Einbeziehung Russlands auf. Lasst Rationalität walten. Wir brauchen eine globale Sicherheitsarchitektur für das 21. Jahrhundert, um mit den Verwerfungen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung friedlich fertig zu werden.

Jetzt herrscht die Große Koalition und ein schärferer Ton

Als „erwachsene Nation“ müsse Deutschland kriegsführungsfähig und zu zivil-militärischen „out of area“-Einsatz bereit sein, sagt Frau von der Leyen. Sie adelt die militärpolitische Modernisierung, indem sie dieses „Kultur der Verantwortung“ nennt. Wir haben allen Grund vor dieser geschönten militärischen Machtpolitik zu warnen.Ich bin davon überzeugt. Wir als Friedensbewegung und LINKE repräsentieren das Volk in dieser Frage mehr, als das die übrigen Parteien im Parlament tun. Ich spüre: Die Kultur des Friedens mit friedlichen Mitteln hat viele Verteidiger Wir werden öffentlich über eine zivilisierte Friedenskultur, globaler Verantwortung und nicht militärischer Sicherheitspolitik sprechen. Damit auch in den Parlamenten darum gerungen wird.

Rüstungsexporte wollen wir verbieten, denn: jede Waffe findet ihren Krieg

Wir sind neben den USA der größte Waffenexporteur der Welt. DIE LINKE fordert Programme, mit denen die Rüstungsindustrie umgebaut und die Beschäftigung gesichert wird. Wir müssen die atomaren Waffen endlich abschaffen – auch in Deutschland. Die Kampfdrohnen von heute sind die Chemiewaffen des Ersten Weltkrieges Beides muss geächtet werden. Das Töten von deutschem Boden muss ein Ende haben. Wir dürfen auch der amerikanischen Kriegsmaschinerie nicht tatenlos zusehen. DIE LINKE streitet für eine Flüchtlingspolitik, die die Menschenrechte achtet und alle Länder in die Verantwortung nimmt. Wir wollen die Abschottungssysteme FRONTEX und EUROSUR auflösen. Denn: kein Mensch ist illegal!

Als Lehren aus den verheerenden Kriegen brauchen wir eine grundlegend andere Politik. Hessen hat das in der Verfassung formuliert:
„Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig.“
Wir brauchen nicht die Rückkehr des Krieges in die Politik, sondern eine sozial gerechte Politik, an deren Ende dann hoffentlich ein besseres Leben für Alle steht!