Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez - Kommunen bei menschenwürdiger Unterbringung unterstützen!

Saadet SönmezKommunalesMigration und IntegrationSoziales

In seiner 127. Plenarsitzung am 14. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag unseren Gesetzentwurf zur vorübergehenden Unterbringung von Geflüchteten und Asylsuchenden und zur Abwendung von Obdachlosigkeit. Dazu die Rede unserer migrations- und integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

2022 haben so viele Schutz suchende Menschen Deutschland und Hessen erreicht wie noch nie. Ich spreche hier ausdrücklich von „Schutz suchenden Menschen“ und meine damit sowohl Geflüchtete aus der Ukraine als auch Asylsuchende aus anderen Ländern.

In der aktuellen Debatte werden diese zwei Gruppen leider sehr unterschiedlich behandelt. Während die Aufnahme der einen, der Ukrainerinnen und Ukrainer, richtigerweise als selbstverständlich erachtet wird, werden die anderen zu einem Problem stilisiert. Debatten um „Asyltourismus“ sind wieder einmal über sämtliche Parteigrenzen hinweg in vollem Gange, und Forderungen nach mehr Abschiebungen sind mittlerweile wieder salonfähig geworden. Eine solche Stimmungsmache ist unverantwortlich und brandgefährlich.

(Beifall DIE LINKE)

Dabei zeichnet ein nüchterner Blick auf die Zahlen ein ganz anderes Bild. Die Zahl der Asylsuchenden, die im vergangenen Jahr Deutschland erreicht haben, bewegt sich im Durchschnitt der letzten Jahre. Legt man die jährlichen Asylantragszahlen seit 2010 zugrunde, ersuchten jährlich im Schnitt rund 214.000 Menschen in Deutschland um Asyl. Damit bewegt sich die jüngste viel zitierte Zahl aus dem vergangenen Jahr – 217.000 Asylgesuche deutschlandweit – nur knapp über dem Mittelwert der letzten Jahre.

Zudem wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für 72 % der Asylantragsteller der Schutzstatus festgestellt und zuerkannt. Debatten über „gute“ und „schlechte“ Geflüchtete und über „Asyltourismus“ sind schon aufgrund dieser Faktenlage völlig deplatziert. Das Beispiel von der Bergstraße zeigt aber, dass auch ein grüner Kreisbeigeordneter gerne in diesen Chor einstimmt und sich hierfür auch noch fragwürdiger Zahlen bedient.

Meine Damen und Herren, solange mit deutschen Waffen und deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik Menschen zur Flucht gezwungen werden, müssen wir hierfür die Verantwortung übernehmen. Das kann man, glaube ich, nicht oft genug sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Schwierigkeit, Schutzsuchende menschenwürdig unterzubringen, kommt also zum einen durch den doppelten Zuzug zustande; zum anderen ist das Unterbringungsproblem leider vor allem hausgemacht. Zu diesem Problem gehört die reihenweise Schließung der Unterkünfte in den letzten Jahren. Hätte man dabei wenigstens für genug bezahlbaren Wohnraum gesorgt, in den diese Menschen hätten umziehen können, wäre das ein löbliches Handeln gewesen. Dem war aber bei Weitem nicht so. Statt jährlich 7.000 Sozialwohnungen zu bauen, wie es konservativen Berechnungen zufolge notwendig wäre, um den aktuellen Bedarf und den Bedarf in den nächsten Jahren zumindest abzudecken, hat Hessen im vergangenen Jahr nur 1.600 Wohneinheiten geschaffen. Bei solch miserablen Ergebnissen von einer „Trendwende“ zu sprechen, wie es Minister Al-Wazir erst kürzlich tat, ist zynisch.

(Beifall DIE LINKE)

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist mit der Frage der Unterbringung eng verwoben. Geflüchtete, z. B. anerkannte Flüchtlinge, die aus Gemeinschaftsunterkünften eigentlich ausziehen könnten und auch ausziehen sollten, um für neu Ankommende Platz zu machen, verharren mehrere Jahre in den Gemeinschaftsunterkünften, weil sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chancen haben. Dies führt wiederum dazu, dass die Kommunen immer mehr und neue Unterbringungskapazitäten schaffen müssen. Manche Landkreise und Städte entscheiden sich neuerdings für einen ganz anderen Weg und setzen die Menschen, zu deren Unterbringung sie gesetzlich nicht mehr verpflichtet sind, gar auf die Straße. Diese Menschen landen in den meisten Fällen in kommunalen Notunterkünften und konkurrieren damit mit anderen Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, um die sehr raren Unterbringungsplätze. Dem hohen Bedarf vor Ort stehen diverse Problemlagen gegenüber, die die Landräte und Bürgermeister nun in Eigenregie und völlig überfordert lösen sollen.

Mit unserem vorliegenden Gesetzentwurf möchten wir den rechtlichen Spielraum der Kommunen erweitern, damit sie im Falle eines Unterbringungsnotstandes, wie wir ihn vielerorts gerade erleben, eine begrenzte Zeit lang Immobilien sicherstellen und Asylsuchende und Geflüchtete unterbringen können, um deren Obdachlosigkeit abzuwenden.

Die Eigentümer erhalten dafür eine Entschädigung. Bauliche Veränderungen sollen ebenfalls aus der öffentlichen Hand finanziert werden, genauso wie der Rückbau am Ende der Nutzung. Mit dem § 9 HSOG, der den polizeilichen Notstand regelt, wäre es theoretisch schon jetzt möglich, Immobilien in Notlagen sicherzustellen und Menschen darin unterzubringen. Die Konkretisierung, die unser Gesetzentwurf beinhaltet, würde allerdings Handlungssicherheit für die zuständigen Behörden schaffen und somit auch ein schnelleres Handeln ermöglichen;

(Beifall DIE LINKE)

denn aus unserer Sicht ist es eben nicht vertretbar, dass in Hessen Büro- und Gewerbeflächen mit Millionen von Quadratmetern leer stehen, während Kommunen unter großem Kraftaufwand für horrende Summen Zelt- und Containerstädte errichten müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage es ausdrücklich: Es geht nicht um die für den Sohn oder die Tochter gebaute Einliegerwohnung. Um diese geht es genau nicht, um das schon einmal vorwegzunehmen.

(Beifall DIE LINKE – Elisabeth Kula (DIE LINKE): Steht drin!)

Bremen und Hamburg – übrigens damals beide von RotGrün regiert – haben es 2015 vorgemacht und ein solches

Gesetz auf den Weg gebracht. Angesichts der drastischen Lage in einigen hessischen Kommunen sollten wir es ihnen gleichtun. Ein solider Entwurf für ein solches Gesetz liegt Ihnen hiermit vor. Handeln Sie, liebe Landesregierung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)