Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez zum Hessischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz

Saadet SönmezMigration und IntegrationWirtschaft und Arbeit

In seiner 115. Plenarsitzung am 11. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Änderung des Hessischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes. Dazu die Rede unserer integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dorn, Sie haben gesagt, dass die Novellierung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes zur Beschleunigung beitragen soll. Sie haben aber auch gesagt, dass dieser Gesetzentwurf im Anschluss an die Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes auf den Weg gebracht wurde. Deshalb ist es für uns schon ein bisschen verwunderlich, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis Sie diese Novellierung eingebracht haben. Andererseits ist es so, dass manche Gesetze darauf überprüft werden, ob sie überhaupt noch notwendig sind. Von daher gesehen, kann man dafür dankbar sein, dass der Gesetzentwurf jetzt endlich auf den Weg gebracht wurde.

Zu den nennenswerten Veränderungen – das haben Sie eben ausgeführt – gehört die zaghafte Digitalisierung von Antragsverfahren. Fachkräfte, die nach Hessen kommen möchten, die eine Arbeitsaufnahme in Hessen anstreben, können ihre Unterlagen künftig digital einreichen und sich mit der zuständigen Sachbearbeitung per E-Mail austauschen. Auch auf die Gefahr hin, der FDP ihren Markenkern strittig zu machen, können wir dazu nur sagen: Glückwunsch an die Landesregierung, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Auch an anderer Stelle – das müssen wir schon gestehen – rüttelt der Gesetzentwurf gewaltig an den tief sitzenden Selbstverständlichkeiten in der deutschen Bürokratie: Arbeitswillige Drittstaatler können nun Kopien, die auch noch von nicht vereidigten Dolmetschern übersetzt wurden, einreichen. Auch das ist erfreulich.

Alle diese Maßnahmen, die das Verfahren vereinfachen und beschleunigen sollen, waren aber, genau genommen, schon in der geltenden Fassung des Gesetzes enthalten. Von diesen Möglichkeiten, so die Praxisbeobachtung der Liga, hat aber kaum eine hessische Ausländerbehörde Gebrauch gemacht – sehr zum Schaden der hessischen Wirtschaft, ganz zu schweigen, der betroffenen Menschen.

Deshalb hätte die Aussage des Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks treffender nicht sein können, Ausländerbehörden sollten richtigerweise „Ausländerabwehrbehörden“ genannt werden. Ich glaube, das bringt es bei der Herangehensweise wirklich auf den Punkt.

(Beifall DIE LINKE – Jan Schalauske (DIE LINKE): Das hessische Handwerk!)

Das Innenministerium kann seinen untergeordneten Behörden durchaus auch unterhalb eines Gesetzes Anweisung darüber geben, wie die Verwaltungspraxis auszusehen hat, z. B. in Form von Erlassen oder Rundschreiben. In anderen Bundesländern klappt das hervorragend, nur bei uns geht so etwas immer sehr schleppend voran. Wir haben eine sehr erlassfaule Landesregierung, und da muss sich dringend etwas ändern.

Der Bundesgesetzgeber rät den Ländern sowieso, die Expertise für solche Verfahren bei einer zentralen Ausländerbehörde zu bündeln. Hessen, eines der wenigen Länder, die schon zentrale Ausländerbehörden haben, setzt das aber nicht um. Stattdessen werden 31 hessische Ausländerbehörden geschult, die ohnehin schon heillos überlastet sind. Das ist dann wohl die hessische Effizienz, von der hier vonseiten der Landesregierung ständig die Rede ist.

Meine Damen und Herren, ganz grundsätzlich sollten wir uns aber schon fragen, wie solidarisch es ist, unseren Bedarf an Fach- und Arbeitskräften durch einen Braindrain aus anderen Ländern zu decken, statt den Menschen, die sich schon hier befinden, eine Chance zu geben. Hier kommen wieder die Ausländerabwehrbehörden ins Spiel. Unsere hessischen sind leider dafür bekannt, in einem Kopfan-Kopf-Rennen mit Bayern das Aufenthaltsrecht sehr restriktiv anzuwenden und auszulegen. Da werden langjährig berufstätige Geduldete mit Arbeitsverboten überzogen oder Menschen, die sich in Ausbildung befinden, abgeschoben

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Frau Sönmez, kommen Sie bitte zum Schluss.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

– jawohl – und weitere nicht nachvollziehbare Maßnahmen ergriffen.

Meine Damen und Herren, es gäbe da eine Reihe von Maßnahmen, wie z. B. der Ausbau der InteA-Klassen, niedrigschwellige Angebote für geflüchtete Menschen, sich auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Ausbildungsmarkt zu integrieren. Es gäbe da eine Reihe von Maßnahmen und Möglichkeiten, um das Fachkräftepotenzial der hiesigen Bevölkerung auszuschöpfen. Ergreifen Sie diese bitte auch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)