Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Sonntagsarbeit: "Politik durch die Hintertür"

Hermann Schaus

Zur Aktuellen Stunde der LINKEN betreffend "Keine weitere Sonntagsarbeit in Hessen - Bedarfsgewerbeverordnung verhindern!"

 

Zur Aktuellen Stunde der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag betreffend "Keine weitere Sonntagsarbeit in Hessen - Bedarfsgewerbeverordnung verhindern!"

 

Herr Präsident,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im November 2010 gründete sich landesweit eine "Allianz für den freien Sonntag". Sie besteht aus kirchlichen Organisationen und den DGB-Gewerkschaften. Ihr Ziel ist es, eine gesellschaftliche Debatte über Sonntagsarbeit zu führen. Diese Allianz ging bei ihrer Gründung davon aus, dass die Novellierung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes in diesem Jahr mit einer mündlichen Anhörung im hessischen Landtag verbunden sei.

Dass die Landesregierung nun aber das Ladenöffnungsgesetz in einem Sammel-Gesetz hinter weiteren 18 Gesetzesänderungen versteckt hat und CDU und FDP eine Herausnahme aus dem Paket verhindert haben, ist ein Schlag ins Gesicht der Initiatoren. Sie machen Politik durch die Hintertür und verweigern diese wichtige Debatte. Das ist weder christlich noch arbeitnehmerfreundlich. Deswegen haben wir es heute auf die Tagesordnung gesetzt.

Fast parallel und in aller Stille will die Landesregierung eine Bedarfsgewerbeverordnung erlassen, in der weitestgehende Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot vorgenommen werden. Denn mit dieser Verordnung soll die bisher notwendige Antragstellung für Sonntagsarbeit in verschiedenen Branchen aufgehoben werden.

Genannt werden die Branchen:

  1. Videotheken und öffentliche Bibliotheken,
  2. das Bestattungsgewerbe,
  3. Garagen und Parkhäuser,
  4. Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken und Schaumwein, sowie Betriebe des Großhandels, die diese Erzeugnisse vertreiben,
  5. Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis und Betrieben des Großhandels (von April bis Oktober),
  6. das Immobiliengewerbe (bis zu 6 Stunden),
  7. Musterhausausstellungen (bis zu 6 Stunden),
  8. das Buchmachergewerbe (bis zu 6 Stunden),
  9. Dienstleistungsunternehmen und Versandhandel
  10. der telefonische und elektronische Lotsendienst und
  11. Lotto- und Totogesellschaften (bis zu 8 Stunden)

In all diesen Branchen mit zehntausenden Arbeitnehmern in Hessen soll künftig eine pauschale Genehmigung der Sonntagsarbeit erfolgen. Der CDU-Abgeordnete Burkhardt begründet: "Wir müssen aufpassen, dass wir in Hessen keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern bekommen. Daher ist die neue Bedarfsgewerbeverordnung zwingend notwendig, um hier Rechtsklarheit zu schaffen".

Wir hatten bisher also keine Rechtsklarheit? Auf welcher Grundlage wurde dann Sonntagsarbeit genehmigt, Herr Burkhardt?

Wir kommen also in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern? Ist ihnen denn bekannt, dass neben Hessen nur zwei weitere Länder (Hamburg und das Saarland) den Versandhandel und kein anderes Bundesland Bibliotheken einbezogen hat?

Nein, meine Damen und Herren von CDU und FDP diese Argumentation zieht nicht. Sie stricken an einer Verordnung, die gesellschaftspolitisch falsch und wahrscheinlich sogar verfassungswidrig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Dezember 2009 verkündet, Sonn- und Feiertage seien als Tage der Arbeitsruhe aus religiösen Gründen, aber auch zur persönlichen Erholung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Teilhabe am sozialen Leben geschützt.

Diesen verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsarbeitsschutz wollen Sie, gegen den erklärten Willen der ev. Kirche, der kath. Kirche und der Gewerkschaften, durch die Hintertür brechen.

Selbst in Ihren eigenen Reihen stoßen Ihre Pläne auf Kritik.

"Sonn- und Feiertage dienten der seelischen Erhebung des Menschen, nicht dem Handel oder dem Kommerz. Man muss die Zahl der Ausnahmen eher reduzieren als ausweiten" mahnte der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse in Hessen, der Bundestagsabgeordnete Zimmer. Und da hat er doch recht!

Deshalb stellen wir in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Kirchen und den Gewerkschaften unseren Antrag heute zur namentlichen Abstimmung. Und weil die SPD in ihrem Antrag exakt unsere Forderungen übernommen hat, unterstützen wir natürlich auch ihren.

Gehen Sie in sich, stimmen Sie diesen Anträgen zu und lassen Sie uns erst, so wie es die Allianz für einen freien Sonntag fordert, eine breite gesellschaftliche Debatte über Sinn und Grenzen der Sonntagsarbeit führen!

Das wäre nicht nur sozial, es wäre auch christlich!