Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Stadt Darmstadt contra HSE-Vorstand: "Interessenverquickung ist unwahrscheinlich"

Zum Entschließungsantrag von CDU und FDP betreffend "Grün ist nicht gleich grün in Darmstadt – 'Grüner Filz' darf die HSE AG nicht beschädigen"

Zum Entschließungsantrag von CDU und FDP betreffend "Grün ist nicht gleich grün in Darmstadt – 'Grüner Filz' darf die HSE AG nicht beschädigen"

 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

Möglicherweise – ich will niemandem zu nahe treten – bin ich in dieser Debatte der Einzige, der ein Stück weit die Hintergründe und die Geschichte dieses Konzerns kennt, weil ich, wie der Kollege Blum schon gesagt hat, mindestens acht Jahre lang Aufsichtsratmitglied der HEAG Holding, also der städtischen Muttergesellschaft, war und die Entwicklung hin zu einem stadtnahen Konzern als Arbeitnehmervertreter begleitet habe. Insofern will ich durch aus Sachlichkeit in diese Debatte hineinbringen.

(Große Unruhe)

– Regt euch doch wieder ab. – In der Tat wollte ich Sachlichkeit in die Debatte bringen. Wenn das aber nicht gewünscht wird, fange ich eben anders an.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Bei dem Entschließungsantrag von CDU und FDP habe ich mich gefragt: Was soll das? Sie sprechen in Ihrem Entschließungsantrag davon, dass der Landtag "Aufklärung über die Hintergründe der Nominierung von Frau Christine Scheel" erwarte. Sie wittern da Parteienfilz. Das könnte sein; das will ich nicht ausschließen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich habe durchaus Vertrauen in Sie als CDU, weil Sie ja absolute Experten sind, was Parteienfilz angeht.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da kennen Sie sich aus. Ich habe aber eher den Eindruck, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dass Sie sich ärgern, in der Koalition, die Sie mit den GRÜNEN in Darmstadt eingegangen sind, in irgendeiner Art und Weise hier abgehängt worden zu sein. Das scheint mir der wahre Hintergrund dieser Debatte zu sein. Insofern kann ich Ihr Verhalten nicht verstehen. Wenn Sie im dritten Absatz Ihres Entschließungsantrags von der Landtagsfraktion der GRÜNEN ultimativ verlangen, gegen "parteipolitische Patronage und den ,grünen Filz’" vorzugehen und sich davon zu distanzieren, dann muss ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Überlegen Sie sich noch einmal, ob Sie diese Forderung aufrechterhalten. Ansonsten hätten wir hier in jeder Landtagssitzung ganz viel zu tun und ganz viel zu erklären, was gelben und schwarzen Filz angeht.

(Zurufe von der CDU: Roter Filz!)

Das brächte Sie in Erklärungsnöte. Deshalb kann ich Ihnen nur davon abraten, diese Forderung aufrechtzuerhalten.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Worum geht es hier? Es geht, wie Sie in Ihrem zweiten Absatz schreiben, um eine angebliche "Interessenverquickung" bei Frau Scheel. Dazu muss ich sagen: Das ist nicht der Fall. Frau Scheel vertritt als Vorstandssprecherin in der Tat – insoweit kenne ich den Laden noch – die Interessen der HSE. Diese Interessen sind offensichtlich nicht in Übereinstimmung mit den politischen Interessen der Mehrheit, der Koalition. Das ist eigentlich ein normaler Vorgang, der durchaus immer wieder vorkommt. Ich denke, wir sollten einen Blick auf die HSE werfen, weil sie in der Tat eine sehr erfolgreiche Geschichte in der ökologischen Energieerzeugung und -versorgung vorzuweisen hat und es uns insgesamt darum gehen muss, diese Erfolgsgeschichte auch unter dem Gesichtspunkt "Förderung der erneuerbaren Energien" voranzutreiben und zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß – auch aus Gesprächen, die ich vor wenigen Tagen mit den Betriebsräten der HSE geführt habe –, dass es unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Ängste gibt. Da geht es in der Tat darum, zu sagen: Wir brauchen einen starken Partner, um die Entwicklung voranzutreiben; wir wollen den stärksten Partner haben. – Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fragen sich durchaus, ob die Stadt Darmstadt tatsächlich ein starker Partner ist und ob die Entwicklung so weitergehen kann. Dem Misstrauen, das hier entsteht und das auch durch diese Debatte zusätzlich geschürt wird, müssen wir alle entgegentreten. Es ist eine politische Entscheidung – das muss unterstrichen werden –, wie der Anteilseigner dieser Gesellschaft den Weg ebnet. Wir LINKE unterstützen jeden Ansatz zur Rekommunalisierung und damit auch den Ankauf weiterer Anteile der HSE, um einen stärkeren politischen Einfluss auf diese Gesellschaft auszuüben.

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Hermann Schaus (DIE LINKE):

Herr Präsident, einen Satz noch. – Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir brauchen in dieser Debatte eigentlich eine neue Vertrauenskultur zwischen den Arbeitnehmern und den kommunalen Betreibern. Darum geht es letztendlich, und das sollte Ziel unserer Debatte sein.

(Beifall bei der LINKEN)