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Rede

Streiks in der Druckindustrie: "Solidarisieren Sie sich"

Hermann Schaus

Zur Aktuellen Stunde der LINKEN betreffend "Streiks in der Druckindustrie – 35 Stunden-Woche erhalten"

Zur Aktuellen Stunde der LINKEN betreffend "Streiks in der Druckindustrie – 35 Stunden-Woche erhalten":

 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

vor über 27 Jahren, genau am 12. April 1984, begann der Streik in der Druckindustrie für die 35-Stunden-Woche. Am 14. Mai folgen dann die Kolleginnen und Kollegen der IG Metall in Baden-Württemberg und Hessen.

Diese beiden Gewerkschaften wollten den Einstieg in die 35-Stunden-Woche durchsetzen. 56.000 Beschäftigte der Druckindustrie kämpfen 13 Wochen lang – Seite an Seite mit den Kolleginnen und Kollegen der IG-Metall.

Der bis dahin längste und schwerste Arbeitskampf in der Nachkriegsgeschichte wurde erst am 6. Juli 1984 erfolgreich beendet.

Der Einstieg in die geforderte Wocherarbeitszeitverkürzung war mit 38,5 Stunden - bei vollem Lohnausgleich - wurde aufgrund eines Schlichterspruchs des früheren SPD-Bundesministers Georg Leber möglich. In den folgenden Jahren wurde dann die tarifliche Wochenarbeitszeit schrittweise weiter reduziert, bis 1995 die 35-Stunden-Woche endlich durchgesetzt war.

Schon damals behaupteten die Arbeitgeber und ihnen nahestehende Wirtschaftswissenschafter, die 35-Stunden-Woche vernichte hunderttausende von Arbeitsplätzen. Die Gewerkschaften hingegen belegten im nach hinein, dass dadurch allein in der Metallindustrie zwischen 700.0000 und 800.000 Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen werden konnten.

In 1984 betrug die Zahl der Arbeitslosen bundesweit rund zwei Millionen. Die heutige Diskussion hingegen über immer längere Arbeitszeiten mutet gespenstisch an, denn niemandem ist plausibel zu machen, wie ausgerechnet längere Arbeitszeiten Arbeitslosigkeit mildern sollen.

Aus diesen Erfahrungen heraus kämpfen die Kolleginnen und Kollegen der Druckindustrie in diesen Wochen erneut um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze durch die 35-Stunden-Woche, wie auch für eine angemessene Lohnerhöhung von 5,5%.

Würde die Arbeitszeit auf 40 Stunden heraufgesetzt werden, wären von den 10.000 Arbeitsplätzen in der hessischen Druckindustrie mehr als 1.000 direkt bedroht. Gleiches gilt für die 1.400 Redakteurinnen und Redakteure in den hessischen Zeitungsverlagen, wo die Arbeitszeit von 36,5 auf 40 Stunden erhöht werden soll.

Seit vielen Jahren schon sind die Beschäftigten in der Druckindustrie von Arbeitsplatzvernichtung, Reallohnverlusten und der Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen bedroht. Auch in den Zeitungsredaktionen soll künftig nach Arbeitgebervorstellungen bis zu 25% weniger erhalten. Auch hier gilt nach jahrelanger faktischer Verdichtung der Arbeit, dass ein guter Journalismus immer schwieriger wird.

Deshalb werden heute Morgen zehntausende Bürgerinformationen der Gewerkschaft ver.di zu den Streiks in den Druckereien und Zeitungsverlagen an zentralen Verkehrsknotenpunkten in Hessen verteilt, damit die Bevölkerung informiert ist. Denn in ihren Tageszeitungen können sie darüber natürlich nur sehr wenig lesen.

Deshalb treffen sich am heutigen Vormittag auch mehrere tausend Streikende auf dem Frankfurter Römerberg zu einer zentralen Streikversammlung.

Deshalb tragen wir dieses Thema hier und heute in den hessischen Landtag, um unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Die Forderung von ver.di und den Journalistenorganisationen dju und djv nach Wiederinkraftsetzung der gekündigten Manteltarifverträge, gleichen Lohn für Leiharbeitnehmer und 5,5 Prozent Lohnerhöhung sind berechtigt.

Und deshalb haben wir auch einen dringlichen Entschließungsantrag vorgelegt, der auch Ihnen die Möglichkeit bietet, sich ebenfalls zu solidarisieren.