Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst: "Das erste Angebot der Arbeitgeber ist eine Provokation!"

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde "Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst – auch Hessens Angestellte sind mehr wert"

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde "Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst – auch Hessens Angestellte sind mehr wert"


Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

die Bundesarbeitsministerium Frau von der Leyen sagte im Februar in der "Bild"-Zeitung – ich darf zitieren –: "Das Grundversprechen der sozialen Marktwirtschaft lautet: Wenn alle fleißig mitarbeiten, werden alle am Erfolg und Wohlstand beteiligt." Etwa zur gleichen Zeit erklärte der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Rainer Brüderle, dass deutliche Lohnerhöhungen sinnvoll seien.

(Beifall bei der LINKEN)

Was deutliche Lohnerhöhungen sind, Herr Staatssekretär, haben die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst mit ihren Tarifforderungen – 6,5 %, mindestens 200€ sowie 100€ für die Auszubildenden und deren unbefristete Übernahme – zum Ausdruck gebracht. Das erste Arbeitgeberangebot – durchschnittlich 1,7 % und eine Einmalzahlung von 200€ – ist eine Provokation der Gewerkschaften. Durchschnittlich waren es 1,7 %. Ich höre immer etwas von 3,3 % in den Nachrichten, wobei für die nächsten zwei Jahre gerechnet dieses Angebot weiteren Reallohnverlust bedeutet; denn die Preissteigerungsrate
beträgt derzeit schon 2,3%.

Deshalb sind die zurückliegenden massiven Warnstreiks mit mehr als 25.000 Beteiligten allein in Hessen ein klares Signal an die Adresse der öffentlichen Arbeitgeber, in den Verhandlungen, die gestern aufgenommen wurden, nun auch Zugeständnisse zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gut funktionierende öffentliche Dienste sind notwendig für eine funktionierende Gesellschaft. Das wird leider allzu oft vergessen, Herr Kaufmann. Aber gut funktionierende öffentliche Dienste brauchen auch motivierte Beschäftigte, und die gibt es nicht zum Nulltarif. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben Nachholbedarf.

Die Realität: Beim Bund und bei den Gemeinden wird weniger verdient als in der Privatwirtschaft. Diese Tendenz hat sich leider in den letzten Jahren fortgesetzt. Betrachtet Frau oder Mann die Entwicklung der Tariflöhne ab 2000, so ist festzustellen: eine Steigerung in der Metallindustrie um 30%, eine Steigerung in der Gesamtwirtschaft um 27 % und eine Steigerung im öffentlichen Dienst nur um 22,5%.

Es kann nicht sein, dass eine Meisterin oder ein Meister in der Metallindustrie monatlich deutlich mehr als eine Meisterin oder ein Meister mit genau den gleichen Tätigkeiten im öffentlichen Dienst verdient. Ein Öffentlicher-Dienst-Abschlag ist nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerne wird an dieser Stelle von den Arbeitgebern und der Politik auf die angebliche Sicherheit der Arbeitsplätze hingewiesen. Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sind aber nur so lange sicher, wie die Beschäftigten auch gebraucht werden. Erzieherinnen und Krankenschwestern werden händeringend gesucht, ebenso wie Fachleute in den Bauhöfen und in der Verwaltung. Also müssen sie ordentlich bezahlt werden. Der Mangel an Fachkräften – auch im öffentlichen Dienst – ist aber selbst verschuldet. Denn seit über 20 Jahren werden im öffentlichen Dienst überproportional viele Arbeitsplätze abgebaut.

Betrachten wir die Entwicklung der Tarifbeschäftigten von 1991 bis 2010, stellen wir erschreckt fest: In den Kommunen wurde die Zahl der Beschäftigten von 1,9 Millionen auf 1,1 Millionen reduziert. Also waren es 800.000 weniger. Beim Bund, wo 600.000 Beschäftigte waren, sind es jetzt noch 150.000, also 450.000 weniger. Auch im öffentlichen Dienst hat also eine erhebliche Produktivitätssteigerung stattgefunden.

Krankenschwestern, Erzieherinnen, Busfahrer, Müllmänner, Feuerwehrleute und Flugzeugabfertiger, angestellt in Verwaltung und sozialen Berufen, sie alle leisten einen wichtigen Dienst für die Allgemeinheit und auch für die Wirtschaft. Ohne öffentliche Dienste und ohne den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur könnte auch Opel nicht produzieren. Die Entwicklung der privaten Wirtschaft ist also untrennbar mit der Entwicklung des öffentlichen Dienstes verbunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen – lassen Sie mich das zum Schluss sagen – auch im öffentlichen Dienst endlich wieder eine Erhöhung der Reallöhne, finanziert durch eine gerechte Steuerpolitik, durch eine Finanztransaktionssteuer, eine gerechte Vermögensteuer und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, damit die Reichen endlich zur Kasse gebeten werden.

(Zuruf von der CDU: Oh Mann! Klassenkampf pur!)

Nur das wäre gerecht, weil sie es wert sind.

(Beifall bei der LINKEN)