Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zum Gesetzentwurf „eGovernment-Booster-Gesetz“ in zweiter Lesung

Torsten FelstehausenDigitalisierungRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 142. Plenarsitzung am 19. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag über den Gesetzentwurf der SPD in zweiter Lesung mit dem Betreff „eGovernment-Booster-Gesetz“. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Oliver, Bijan, ihr habt den Schirm eben sehr weit geöffnet. Das, worüber ihr zum Thema Digitalisierung gesprochen habt, waren alles wichtige Punkte, über die wir schon viel geredet haben. Aber ich befürchte einfach, dass das die Landesregierung heillos überfordert;

(Heiterkeit Bijan Kaffenberger (SPD)) denn bei dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion geht es um das sogenannte eGovernment-Booster-Gesetz. Da sind viele Themen, die ihr angesprochen habt, noch nicht enthalten. Sie sind nicht unwichtig, sie sind sogar sehr wichtig. Aber ich wäre schon froh, wenn es diese Landesregierung, wenn es diese Digitalministerin hinbekommen würde, den Bereich von E-Government tatsächlich nach vorne zu bringen, wenn es den Bürgerinnen und Bürgern zukünftig möglich sein würde, ihre Anliegen medienbruchfrei in die Verwaltung zu bekommen und vor allem auch die Daten dann wieder zurückzubekommen, ohne dass irgendwo die Papierstapel höher werden. Genau das wird mit diesem Entwurf für ein eGovernment-Booster-Gesetz beabsichtigt.

Wenn ich überlege, was es eigentlich beschleunigen soll, dann fällt mir auf: Es soll eigentlich nicht das E-Government-Gesetz beschleunigen, sondern es soll die Hessische Landesregierung endlich dazu befähigen, bundespolitisch die rote Laterne bei der Digitalisierung der Verwaltung abgeben zu können. Meine Damen und Herren, das ist tatsächlich so notwendig wie nie.

(Beifall DIE LINKE)

Dies soll vor allem mit drei Maßnahmen geschehen, die als Rückmeldung aus den Verbänden, aus der Wirtschaft, von den Expertinnen und Experten sowie den Gewerkschaften immer wieder zu hören waren – bisher leider allerdings vergeblich. Das sind drei Maßnahmen, die hier im Vordergrund stehen. Das ist der Rechtsanspruch auf Qualifizierung der Beschäftigten, das ist eine deutliche Reduzierung der Schriftformerfordernisse und last, not least die Evaluierung und der Bericht an das Parlament zum Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung. Kein Hexenwerk, würde ich sagen.

Dass diese drei Punkte so vehement von CDU und GRÜNEN abgelehnt werden, dass diese drei Projekte heute hier abgelehnt werden, zeigt doch einfach, dass Sie digitalpolitisch über den C 64 noch nicht hinausgekommen sind.

(Beifall DIE LINKE und Freie Demokraten)

Stand heute können wir doch nicht nur feststellen, dass die hessischen Bemühungen zur Verwaltungsdigitalisierung krachend gescheitert sind. Fast alle Umsetzungsziele des E-Government-Gesetzes wurden verfehlt, Fachverfahren nicht digitalisiert, und bei den Digitalprojekten der Hessischen Landesregierung verstrickt sich diese in eine Mischung aus Kompetenzgerangel und Inkompetenz.

Das Digitalministerium hat keine Richtlinienkompetenz bei digitalen Projekten. Das Controlling bei der Umsetzung ist unzureichend, wie zuletzt im Justizressort bei der Umsetzung des Projekts E-Justice festzustellen war. Zudem fehlt es eben offensichtlich an dem notwendigen Wissen, das es braucht, um die Digitalisierung wirklich voranzubringen. Es fehlt am notwendigen Willen, diese Projekte zielgerichtet anzugehen und umzusetzen. Vor allem fehlt Ihnen jegliche Utopie, jede Vorstellung dessen, wohin die Reise eigentlich gehen könnte. Also verharren Sie weiter in Ihren Amtsstuben, und die Papierberge wachsen weiter und weiter.

Nein, Oli, ich habe nicht die Hoffnung, wenn wir diese Landesregierung tatsächlich in andere Büros stecken würden, wenn wir Coworking-Spaces anbieten würden, dass es dann besser werden würde. Ich glaube, auch dort würden wieder die Akten in die Räume getragen werden, auch dort würde der Amtsschimmel weiter wiehern.

Schauen wir uns doch noch einmal diese drei zentralen Punkte des Antrages an. Es wird gefordert, dass es einen Rechtsanspruch auf Qualifizierung für alle Beschäftigten geben soll. Als LINKE können wir da nur sagen: Ja, was denn sonst? Das Arbeitsschutzgesetz fordert für jede Maschine und für jedes Werkzeug eine gründliche Einweisung und Qualifizierung. Ohne entsprechende Qualifizierung dürfen Maschinen gar nicht in Betrieb genommen werden. Meine Damen und Herren, dieser Maßstab muss doch in der digitalen Welt in gleichem Maße gelten.

(Beifall DIE LINKE und Stephan Grüger (SPD))

Dies ist eben nicht nur im Interesse der Beschäftigten, nicht nur im Interesse der Dienststelle, sondern auch im Interesse der Empfängerinnen und Empfänger digitaler Dienstleistungen; denn nur, wer ausreichend qualifiziert ist, verfügt auch tatsächlich über ausreichende Handlungssicherheit im digitalen Raum, bei der Anwendung von Fachverfahren und dem Nutzen von Plattformen.

Zusammen mit den Gewerkschaften haben wir als LINKE dies bereits bei der Novellierung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes gefordert; denn anders als im Betriebsverfassungsgesetz verweigert die Hessische Landesregierung den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in diesem Bereich jede Form von Mitbestimmung. Meine Damen und Herren, so kann Digitalisierung nicht funktionieren.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Pohlmann, Sie haben in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt, es wäre im originären Interesse des Dienstherrn, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich zu qualifizieren. Leider zeigt die Praxis, dass kaputtgesparte Kommunen genau bei Fortbildung und Qualifizierung immer als Erstes den Rotstift ansetzen. Daher braucht es dieses Gesetz, daher braucht es einen Rechtsanspruch auf Qualifizierung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Nur so kann Digitalisierung funktionieren.

(Beifall DIE LINKE)

Die zweite große Baustelle: das Schriftformerfordernis. In der analogen Welt galt, dass alle Dokumente im Original unterschrieben werden mussten und ein Vorgang nur dann ein Vorgang war, wenn er abgeheftet werden konnte. Statt hier endlich im 21. Jahrhundert anzukommen, verstecken Sie sich, Frau Sinemus, weiterhin hinter dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Sie weigern sich beharrlich, das Hessische Verwaltungsverfahrensgesetz zu ändern, und begründen das mit der notwendigen Synchronisation mit anderen Bundesländern. Nein, meine Damen und Herren, ausgerechnet hier hätte die Hessische Landesregierung einmal zeigen können, dass es anders geht. Beim OZG hat sie das Heft des Handelns in der Hand.

Wenn Hessen die rote Laterne bei der Verwaltungsmodernisierung abgeben will, dann müssen endlich tradierte Regelungen durch Regelungen ersetzt werden, die eine digitale Welt tatsächlich abbilden. Digitale Anträge zu Hause ausdrucken und unterschreiben zu müssen, um sie dann in Papierform einreichen zu können, ist keine Digitalisierung. Hören Sie endlich auf, im Digitalministerium Beamtenmikado zu spielen, bei dem derjenige verliert, der sich als Erster bewegt.

Einzig bei der Forderung nach der Evaluierung und einem Bericht an das Parlament kann ich zumindest in Teilen verstehen, warum Schwarz-Grün dieses Vorhaben ablehnen will. Ich kann mir wirklich vorstellen, wie schmerzhaft es sein muss, das eigene Versagen jährlich schwarz auf weiß vor sich zu sehen, einer digitalen Schnecke namens Landesregierung beim Pausemachen zusehen zu müssen. Aber wenn Sie endlich unseren Vorschlägen folgen würden, die Ideen der Verbände und die Forderungen der Gewerkschaften ernst nehmen würden, bin ich mir sicher, dass auch Sie bald Gefallen an einer Evaluierung finden würden. Sie müssten nicht weiter Ihr Versagen verteidigen. Das sollte doch auch für Schwarz-Grün Ansporn genug sein. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall DIE LINKE)