Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Tief greifende Sicherheitsgesetze werden kritiklos durchgewunken"

Zur ersten Lesung des Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Melderechts, des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Glücksspielgesetzes

Zur ersten Lesung des Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Melderechts, des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Glücksspielgesetzes:

 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

Schon aus formalen Gründen ist der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung mehr als ein großes Ärgernis. Wieder einmal soll das im Schweinsgalopp durch das Parlament gehen, obwohl es sich um unterschiedliche, tief greifende und komplexe Themen handelt, die geregelt werden sollen.

Weil das offensichtlich der Fall ist, hat Pitt von Bebenburg in der "Frankfurter Rundschau" vom letzten Samstag das vollkommen richtig kommentiert. Er schrieb, dies sei – Zitat – "ein sehr gemischter politischer Obstsalat", um Abgeordneten im Sammelsurium der unverdächtigen Themen eine saure Gurke in den Obstsalat zu
legen.

Weiter heißt es – ich zitiere –: Der Verdacht drängt sich auf, wenn der Gesetzestext
unübersichtlich ist und erst auf den allerletzten Drücker als "Eilausfertigung" eingereicht wird – so wie hier.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Blödsinn!)

– Herr Kaufmann, das kann man in der "Frankfurter Rundschau" vom letzten Samstag nachlesen. Das schreibt der Kommentator von Bebenburg. Ich kann sehr wohl nachvollziehen, was er da schreibt. Denn das ist kein ausgemachter "Blödsinn".

Ich will es noch deutlicher sagen: Der Gesetzentwurf umfasst 40 Seiten. Das ist für die Abgeordneten des Landtags durchaus eine Menge Holz. Es ist aber nicht nur die Menge, um die es geht. Auch die Inhalte sind komplex und kompliziert, zumal die verschiedenen Themenfelder sachlich nichts miteinander zu tun haben. Die einzig erkennbare Gemeinsamkeit ist und bleibt die Zuständigkeit des Innenausschusses für diese gesetzlichen Regelungen. Das ist aber auch schon alles.

Eigentlich bräuchten wir hierzu mindestens drei unterschiedliche Gesetzentwürfe. Denn der Gesetzentwurf der Landesregierung will drei bestehende Gesetze ändern. Das betrifft Bundes-, Landes- und auch Kommunalrecht. So ist vorgesehen, im Windschatten einer Änderung des Melderechtes, wie dargestellt, eben einmal das Gesetz über die Sicherheit und Ordnung, also das Polizeigesetz, zu verschärfen.

Was das dann wiederum mit dem Glücksspielgesetz zu tun hat, um das es denn auch geht, erschließt sich mir nicht im Mindesten,

(Beifall der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

es sei denn, die Landesregierung will geradezu eine vernünftige und sachbezogene Debatte ausdrücklich verhindern.

So wird in der "Frankfurter Rundschau" auch völlig zu Recht geschrieben – Zitat –: Schwer zu sagen, wie sich ein Abgeordneter da verhält,...: wie man als Befürworter einer Umweltlotterie abstimmen könnte, wenn man es zugleich ablehnt, dass Polizisten ihre Einsätze per Body-Cam filmen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Getrennte Abstimmung nennt man das!)

– Ist das in dem Gesetzentwurf vorgesehen? Herr Wagner, wo denn?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Schaus, das ist es in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags! Die sollten Sie als Parlamentarier kennen!)

– Wir haben es hier mit einem Artikelgesetzentwurf zu tun, über den in Gänze abgestimmt wird. Ich habe hier in diesem Landtag noch nicht erlebt, dass der Entwurf eines Artikelgesetzes in einzelnen Teilen abgestimmt wurde. Es geht aber auch um die Frage der Diskussion. Es geht um die Anhörung unterschiedlichster Experten zu unterschiedlichsten Themenfeldern.

Deshalb muss ich bei dieser ersten Lesung zunächst einmal feststellen: Es ist ein Unding, dass sachfremde Dinge in einem Gesetzentwurf zusammengewurschtelt wurden. Ferner ist es ein Unding, dass das auch noch als Eilausfertigung vorgelegt wurde. Dann wurde auch noch für heute Abend der Innenausschuss einberufen, damit der gesamte Gesetzentwurf möglichst schnell durch das Parlament gepeitscht werden kann.

(Zuruf: So ein Quatsch!)

Was hier wieder einmal im Schweinsgalopp zusammengewurschtelt wird, will ich nur an einem Punkt anreißen. In dem Teil, der sich dem Sicherheitsgesetz widmet, geht es meines Erachtens um umfassende Neuregelungen. Da stehen neben der Einführung einer Umweltlotterie zusätzliche Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Ich finde, die sind ein Hammer. Da steht auf Seite 18 – ich zitiere –: Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden können sonstige Telefonkommunikation aufzeichnen, wenn dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist; auf die Aufzeichnung soll hingewiesen werden, soweit dadurch die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wird.

Soweit erforderlich, können die Aufzeichnungen

  1. zur Abwehr einer Gefahr,
  2. zur Strafverfolgung,
  3. zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder
  4. zur Dokumentation behördlichen Handelns verarbeitet werden.

Meine Damen und Herren, das ist schon sehr weitgehend. Sie wollen also in jedem auch nur irgendwie denkbaren Fall – bis hinunter zur Ordnungswidrigkeit und zur Dokumentation – jegliche Aufzeichnungen ohne jegliche Kennzeichnung oder Meldung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einführen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn!)

Das ist der Fakt, und das steht im Gesetzentwurf. Was Sie da eingebracht haben, ist sowohl wegen seiner Unbestimmtheit als auch aus Datenschutz- und Bürgerrechtsgründen nach meiner Ansicht verfassungswidrig.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei habe ich über die Ausweitung der Sicherheitsprüfung und vieler weiterer Punkte in diesem Sammelsuriumgesetz noch gar nicht gesprochen.

Herr Minister Beuth, ich habe Ihnen eben intensiv zugehört. Aber was das alles sachlich und fachlich mit der Einführung einer Umweltlotterie zu tun haben soll, das konnte ich bei Ihnen nicht vernehmen. Wo, bitte, besteht hier der Zusammenhang? Das müssen Sie noch einmal erläutern.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss will ich fragen: Was eigentlich ist aus den GRÜNEN geworden? Was ist da übrig geblieben, wenn sie solche teilweise tief greifenden Sicherheitsgesetze kritiklos durchwinken wollen? Ja, da wünscht man sich schon fast die FDP in die Regierung zurück – denn die hätte so etwas nicht unkritisch hingenommen. Meine Damen und Herren, da bin ich mir sicher.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)