Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zu bedrohten Sportvereinen im Sportland Hessen

Fraktion im Hessischen LandtagAbgeordneteTorsten FelstehausenThemenGesundheitKommunalesSoziales

In seiner 137. Plenarwoche am 28.06.2023 diskutierte der Hessische Landtag den Setzpunkt der Regierungsfraktionen ‚Sportland Hessen – Der hessische Sport ist nicht nur krisenfest, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil der Krisenvorsorge". Dazu äußert sich unser kommunalpolitischer Sprecher Torsten Felstehausen

Frau Präsidentin,

mit Ihrer Zustimmung beginne ich mit der Begrüßung unserer Gäste aus dem Präsidium des Landessportbundes und der Aktiven aus den vielen unterschiedlichen Sportbereichen. Auch wir freuen uns auf den Austausch heute Abend beim Abend des Sports, wo man sicherlich noch einmal über das eine oder andere wird sprechen können, was heute an diesem Pult gesagt worden ist.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Jede dritte Hessin und jeder dritte Hesse ist Mitglied in einem Sportverein. Ich sage als Vertreter der Parteien, die hier vertreten sind: Das wäre eine Zielmarke, nach der wir uns sehnen würden. Davon sind wir aber weit entfernt. Ich sage dies, um einmal deutlich zu machen, wie wirkmächtig der Sport in Hessen ist.

(Zuruf Holger Bellino (CDU))

Es gibt kaum eine Gemeinde und kaum einen Ortsteil, in dem sich Jung und Alt nicht ehrenamtlich für den Sport einsetzen. All diesen Menschen gilt unser Dank; denn ohne diese, ohne die Menschen in den Vereinsvorständen, die Trainerinnen und Trainer sowie Betreuerinnen und Betreuer gäbe es diese wichtigen Angebote nicht. Diese Basis ist ehrenamtlich.

(Beifall DIE LINKE)

Aber, meine Damen und Herren, dieses Engagement passiert eben nicht von allein. Es braucht für die Arbeit der Vereine in Hessen Rahmenbedingungen; und da haben wir aus Sicht der LINKEN wirklich noch einen weiten Weg vor uns. Die Landesregierung rühmt sich bei diesem Setzpunkt mit einer Vielzahl von Förderprogrammen. Bei vielen dieser Programme erkennt man das Bemühen der Landesregierung, es deckt aber auch die strukturellen Defizite der Sportförderung in Hessen auf.

Zwar verpflichtet uns der bereits angesprochene Art. 26g der Hessischen Verfassung zum Schutz und zur Pflege des Sports als Staatsziel, aber in der Praxis ist die Sportförderung vor Ort noch immer geprägt von einer Finanzierung nach Kassenlage. Denn nach allem Selbstlob der Landesregierung sind es die Kommunen, die die Hauptlast der Sportförderung in Hessen tragen. Um einmal eine Zahl zu nennen: 80 % der öffentlichen Gesamtförderung der Sportausgaben kommen aus den Kassen der Kommunen, nicht des Landes, nicht des Bundes. Es sind die Kommunen, die die Ausgaben tragen. Es sind die Kommunen, die die Sportstätten finanzieren und jetzt vor erheblichen Anstrengungen der energetischen Sanierung stehen. Sie tragen wesentliche Teile der Vereinsförderung und stehen nicht selten vor der Frage, ob sie zuerst auf das Mähen des Sportplatzes verzichten oder die Eintrittsgebühren im Heimatmuseum anheben müssen. Das ist die Realität, wenn man die Kommunen in Hessen nicht ausreichend finanziert.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Dann kommt die Landesregierung mit einer Vielzahl von Förderprogrammen. Ja, viele dieser Förderprogramme haben eine gute Absicht. Das will ich nicht verkennen. Aber nicht wenige Sportvereine sind einfach mit der überbordenden Förderbürokratie überfordert. Sie müssten ein weiteres Förderprogramm zur Finanzierung einer hauptamtlichen Stelle des Fördermittelmanagements auflegen; denn ehrenamtlich blickt durch diesen Förderdschungel kaum noch jemand durch.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn man dann die Bürgermeister vor Ort fragt, warum sie sich mit Förderprogrammen so schwertäten, kommt oft als Antwort: Wir können uns diese Förderpolitik nicht mehr leisten. – Es ist schön, wenn ein Projekt mit 20, 30 oder 50 % gefördert wird; aber all dies hilft doch nicht, wenn die Kompensationsmittel vor Ort gar nicht aufgebracht werden können. Damit sind wir wieder bei dem Problem, dass finanzstarke Kommunen immer wieder profitieren, dass die Fördermittel im ländlichen Raum, dort, wo es oft kaum möglich ist, einen Haushaltsausgleich hinzubekommen, aber kaum ankommen. Meine Damen und Herren, das ist ein strukturelles Defizit; und da müssen wir im Sport dringend ran.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei Thomas Schäfer bedanken, weil er bisher der Einzige war, der in seiner Rede auf die Arbeit des Landessportbunds, die sich dieser gemacht hat, eingegangen ist; denn er hat uns einen konkreten Katalog vorgelegt und aufgezeigt, wie die Sportförderung des Landes zukünftig aussehen könnte. Bisher gab es darauf von den regierungstragenden Fraktionen kaum Antworten.

Der Landessportbund hat diesen Aufschlag gemacht und dies in die Diskussion eingebracht. Die Hessische Landesregierung muss sich nun an dessen Umsetzung messen lassen. Statten Sie die Kommunen endlich finanziell so aus, dass ein langfristiger Erhalt der Sportflächen flächendeckend möglich ist. Dazu gehört auch der energetische Umbau. Wenn Sie die Kommunen nicht in die Lage versetzen, hier schnell aktiv zu werden, werden die Nutzerinnen und Nutzer der Sportstätten die Zeche für immer höhere Energiekosten zahlen müssen. Diese Politik bedroht die hessischen Sportvereine, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Entlasten Sie endlich die Sportvereine von bürokratischen Fußfesseln. Nicht jedes Vereinsfest, nicht jede Aktivität im Umfeld ehrenamtlicher Sportvereine muss gleich als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gewertet werden. Inzwischen besteuern Sie sogar die Schülerbetreuungsleistungen der Vereine. Wenn sich Vereine in der Schule engagieren, was wir hier vormittags alle herzlich begrüßen, dann kommt nachmittags als Erster der Finanzminister und hält seine Hände auf, weil dafür entsprechende Steuern zu bezahlen sind.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Es wäre ein Einfaches und eine unglaubliche Entlastung der Ehrenamtskultur, im Übrigen nicht nur des Sportes, wenn nicht jeder Wechsel im Vorstand eines kleinen Vereins durch einen Notar beurkundet werden müsste. Das ist unnötiger Geld- und Zeitaufwand. Sie hatten gerade die großen Linien, aber manchmal sind Sachen relativ einfach und schnell zu machen. Dort findet auch Entlastung statt.

Während sich große Konzerne durch sogenannte Share Deals bei Grundstücksgeschäften steuerfrei stellen, wird bei Vereinsfusionen die volle Grunderwerbsteuer fällig.

Meine Damen und Herren, hier ist eine falsche Schwerpunktsetzung in der Finanzpolitik. Hier könnten wir sehr einfach Vereine entlasten.

(Beifall DIE LINKE)

Kein Sportverein – der Landessportbund hat es uns ins Pflichtenheft geschrieben – kommt ohne das Ehrenamt aus.

Erfolgreiche Sportförderung ist nur durch eine erfolgreiche Ehrenamtsförderung möglich. Hier gibt es auch im Land Hessen noch viel Luft nach oben. Genannt wurde von Thomas Schäfer schon die Anhebung der steuerfreien Übungsleiterpauschale. Das könnte schnell umgesetzt werden.

Das Ehrenamt lebt aber auch von Anerkennung und Wertschätzung. Damit meine ich nicht, einmal im Jahr einen Abend des Sports im Hessischen Landtag zu veranstalten. Es muss täglich von denen, die ehrenamtlich aktiv sind, erlebbar sein. Wie wäre es, wenn wir statt vieler Hochglanzbroschüren konkret werden? Ein Deutschlandticket für alle Sport-Ehrenamtlichen, das wäre nicht nur ein Zeichen für Anerkennung,

(Beifall DIE LINKE) es würde unmittelbar die Ehrenamtlichen finanziell entlasten und dies auch noch mit ökologischen Vorteilen kombinieren.

Abschließend möchte ich noch einmal auf die berechtigten Forderungen der hessischen Sportjugend eingehen; denn auch die haben sich zu Wort gemeldet. Ich finde, wenn wir über die Zukunft des Sports reden, dürfen wir nicht über die Jugend hinweggehen. In ihrer Stellungnahme schreiben sie – ich finde es so wichtig, dass ich es hier zitieren möchte –:

Unsere Wohnorte müssen klimafreundlicher werden. Der Schutz und Ausbau von Grünflächen und naturnahen Räumen ist zu fördern und Kindern und Jugendlichen Zugang für Sport und Bewegung zu ermöglichen. Der öffentliche Nahverkehr muss attraktiv und für junge Menschen möglichst kostenfrei ausgebaut werden. Hier bedarf es in den Regionen jeweils eigener passender Mobilitätskonzepte. …

Die Stimme junger Menschen muss auf allen Ebenen des politischen Prozesses hörbar sein und wahrgenommen werden. Dafür bedarf es der Beteiligung der jungen Menschen selbst. Sie sollen durch innovative, demokratische Beteiligungsstrukturen in die Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Legitime Formen des Protestes dürfen nicht kriminalisiert werden.

Das ist das,

(Zuruf Andreas Lichert (AfD))

was der Landessportbund und die Vertreter der jungen Menschen im Landessportbund uns ins Stammbuch geschrieben haben.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich finde, diesem Aufruf ist nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)