Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Unter schwarz-grün sind mehr Sozialwohnungen verloren gegangen als jemals zuvor"

Hermann Schaus

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und Bündnis90/Die Grünen für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Wohnaufsichtsgesetzes:

 

Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Auch nach der Anhörung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes bleiben wir dabei: Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Hessischen Wohnungsaufsichtsgesetzes reiht sich auch nach der Vorlage des Änderungsantrags der schwarz-grünen Regierungsmehrheit in eine ganze Reihe halbherziger und mutloser Initiativen zur Bewältigung der massiven Wohnraumprobleme insbesondere in den Ballungsräumen und an den Hochschulstandorten ein. Ich bedauere es außerordentlich, dass nach der Ablehnung unseres umfassenden Gesetzentwurfs gegen Zweckentfremdung und Leerstand nun diese Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes quasi als Alibi und als Arbeitsnachweis für die Regierung dienen soll.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ich bleibe dabei: Eine wirksame Maßnahme, um gegen den Leerstand oder die Zweckentfremdung der Wohnungen vorzugehen, ist das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bleibt dabei, dass mit Ihrem erst im März 2017 vorgelegten Gesetzentwurf gerade einmal eine einzige Art der Zweckentfremdung, nämlich die Nutzung als Ferienwohnung, geregelt werden soll. Mit dem Änderungsantrag von Schwarz-Grün soll zudem das bereits äußerst zögerliche Verhalten der Landesregierung auf diesem Gebiet noch weiter eingeengt werden. Ihr Gesetz wird also noch dünner werden, als es schon ist. Das ist, gemessen an der Wohnungssituation in vielen hessischen Städten, kontraproduktiv. So lassen Sie den unbestimmten Rechtsbegriff „kurzzeitige Zwischennutzung“ stehen.

Damit werden Sie die Kommunen sowie die Anbieterinnen und Anbieter des Homesharing ziemlich ratlos zurücklassen. Wesentlich besser ist da die Formulierung im Änderungsantrag der SPD-Fraktion, der mit 90 Tagen im Jahr zumindest eine klare Regelung für Homesharing-Vermietungen vorsieht. Wir stimmen diesem als auch dem weiteren Anliegen der SPD-Fraktion zu, den von Mietpreissteigerungen besonders betroffenen Kommunen ein weiter gehendes eigenständiges Recht zu geben. Sie sollen mittels Satzung gegen Zweckentfremdung vorgehen können.

Aber ich bin mir sicher, dass dieser Antrag – Herr Caspar hat es schon angekündigt – heute Abend in der Ausschusssitzung ebenso abgelehnt werden wird wie unser von Ihnen bereits im März abgelehnter umfangreicher Gesetzentwurf gegen Leerstand und Zweckentfremdung. Es bleibt daher dabei: Der Gesetzentwurf der Regierungskoalition ist mutlos, rechtlich unklar und wird daher auch keine Hilfe im Kampf gegen den Mangel von Wohnraum sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei wäre es dringend notwendig, endlich wirkungsvoll und nachhaltig gegen Wohnraummangel vorzugehen. In der vergangenen Woche haben wir die wenig überraschende Antwort auf unsere Kleine Anfrage zum Bestand von Sozialwohnungen in Hessen erhalten. Gerade noch etwas mehr als 93.000 Sozialwohnungen gab es demnach zum 31.12.2016 in Hessen. Wir verzeichnen damit einen weiteren dramatischen Rückgang von über 7.000 Wohneinheiten in einem Jahr. Während sich der Rückgang in den vergangenen Jahren im Schnitt auf bedauerliche 4.000 Wohnungen im Jahr einpendelte, war im Jahr 2015 sogar ein Rückgang von 12.000 Wohnungen zu verzeichnen. Gleichzeitig wächst die Zahl der registrierten anspruchsberechtigten Haushalte auf über 46.000 an, wobei dies nur diejenigen sind, die die Hoffnung auf eine bezahlbare Wohnung noch nicht aufgegeben haben oder die auf dem privaten Wohnungsmarkt schlicht keine Wohnung erhalten.

Aus Frankfurt wird berichtet, dass dort die Zahl der Sozialwohnungsberechtigten mittlerweile 41 % der Einwohner beträgt. Das ist also mehr als das Zehnfache der registrierten Wohnungssuchenden. Meine Damen und Herren, das muss man sich einmal vorstellen.

Besonders vielsagend ist im Übrigen auch die Erklärung der Landesregierung, dass die Förderprogramme und -mittel, die sie gestartet hat, nicht ausreichen, um den Rückgang von Sozialwohnungen zu kompensieren. Das heißt, es geht weiter nach unten. Frau Ministerin, eine größere Bankrotterklärung hätten selbst wir Ihnen nicht ausstellen können. Das muss ich leider an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Obwohl sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt schon vor etlichen Jahren abzeichnete, wurden sowohl unter Schwarz-Gelb als auch unter Schwarz-Grün keine wirksamen Gegenmaßnahmen getroffen. Bezahlbarer Wohnraum ist aber eine soziale Frage. Aber diese soziale Frage konsequent anzugehen, dazu waren weder damals die FDP noch heute die CDU und die GRÜNEN bereit.

(Beifall bei der LINKEN)

Bestrebungen, der heutigen Situation auf dem Wohnungsmarkt entgegenzutreten, sind aber notwendig. Nehmen wir z. B. einmal die Bindungsfristen. Anstatt die drastische und vielfach kritisierte Verringerung durch Ihre Vorgängerregierung wieder rückgängig zu machen, haben Sie, Frau Ministerin, und auch Ihre Fraktion diese gar noch verteidigt. Es wären aber dringend Verlängerungen der Bindungsfristen notwendig, damit auch Nachwirkungsfristen überhaupt wieder Sinn machen und Wohnungen in der Bindung gehalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen debattieren wir heute in der zweiten und am Donnerstag in der dritten Lesung über ein kaum wirkungsvolles Zweckentfremdungsgesetz light.

Meine Damen und Herren, wir kommen mit der Geschwindigkeit, die Sie als Landesregierung vorgeben, nicht voran. Im Gegenteil: Unter Schwarz-Grün sind mehr Sozialwohnungen verloren gegangen als jemals zuvor. Anstatt aber diesen vorhersehbaren Entwicklungen entgegenzuwirken, vertrösten Sie mit Programmen, von denen Sie selbst sagen, dass diese nicht ausreichen, um die Entwicklung umzukehren.

Für Mieterinnen und Mieter in Hessen bleibt aber nur die Hoffnung, dass die von Fehleinschätzung, Gentrifizierung und Mieterfeindlichkeit geprägte Wohnungspolitik nach der Landtagswahl im kommenden Jahr endlich ein Ende finden wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)