Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Vetternwirtschaft der Landesregierung: "Sie machen immer weiter"

Hermann Schaus

"Skandale und Vetternwirtschaft sind die eigentliche Konstante der Hessen-CDU"

Zum Antrag Bündnis90/Grüne betreffend "Nach 'rechtswidrigen' Vergaben jetzt 'schwarzer Filz und Vetternwirtschaft' in der Landesregierung?":


Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

immer wieder hört die Öffentlichkeit von Skandalen der Landesregierung. Und immer wieder beschäftigen wir uns hier im Plenum damit.

Der Titel des Antrags der Grünen ist insofern nicht ganz treffend, weil schwarzer Filz und Vetternwirtschaft in der Hessen-CDU ja nicht neu sind. Im Gegenteil: Wenn man einmal zurück schaut, dann erscheinen Skandale und Vetternwirtschaft eher als die Regel und die eigentliche Konstante der Hessen-CDU. In der Tat gibt es da nichts Neues, Herr Milde. Alles Dinge die wir schon längst kennen.

Aus der letzten Plenarwoche steht diesbezüglich noch eine Antwort auf die Behauptung des Herrn Abgeordneten Dr. Müller aus. Herr Dr. Müller, Sie sagten sinngemäß, wegen der CDU hätte noch niemals die Polizei kommen müssen und dass die CDU sich moralisch von niemandem etwas vorwerfen lassen müsse.

Bei so einer Behauptung bleibt mir fast die Luft weg, Herr Dr. Müller. Denn der ehemalige Generalsekretär der Hessen-CDU, Manfred Kanther, wurde immerhin im Zuge der Hessischen CDU-Spendenaffäre wegen Untreue verurteilt. Ich weiß nicht ob je ein anderer Bundesinnenminister vorbestraft war. Ich glaube vielmehr, dass dies ein Alleinstellungsmerkmal bei der Hessen-CDU ist.

Ebenso erinnere ich mich noch gut an die Spendenaffäre, und den Ausspruch von Ministerpräsident Roland Koch nach der brutalstmöglichen Aufklärung.

Also zu sagen, wegen der Hessen-CDU musste noch nie die Polizei kommen und sie habe die Moral gepachtet, ist eine wirklich bizarre These. Das sollten sie wirklich nicht verdrängen!

Auch zu anderen hessischen CDU-Spitzenpolitikern (wie z. B. Franz Josef Jung) ließe sich vieles sagen. Weil ich aber nicht so viel Zeit habe, beschränke ich mich auf einige Skandale, die in die Amtszeit des ehemaligen Innenministers Volker Bouffier fallen und zu denen er bis heute beharrlich schweigt. Mal sehen ob sich dies in dieser Debatte fortsetzt.

Nach Herrn Bouffiers Metamorphose zum gütigen Landesvater müssen sich nun der neue Innenminister Rhein, der Innenausschuss und der Untersuchungsausschuss zur Bereitschaftspolizeiaffäre damit herumschlagen. Herr Minister Rhein, ihre politische Haltung teile ich zwar in sehr vielen Punkten nicht, aber ich gestehe, dass ich inzwischen Mitleid mit Ihnen habe, weil sie laufend gezwungen sind, das Skandal-Erbe ihres Vorgängers aufzuarbeiten.

Ähnlich viele Skandale und Vetternwirtschaft wie in 10 Jahren Innenminister Bouffier, suchen Ihresgleichen.

Und damit sie mir dies auch glauben, möchte ich aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom vergangenen Sonntag zitieren:

"Boris Rhein strebt und strampelt. Der mit 39 Jahren jüngste Minister stand in den vergangenen zwölf Monaten häufiger im Blickpunkt der Öffentlichkeit, als ihm lieb sein konnte. Zuerst Hinweise auf Mobbing und Intrigen bei der Polizei, dann der missglückte Versuch, die unhaltbar gewordene Präsidentin des Landeskriminalamtes auf elegante Weise loszuwerden. Ganz aktuell der Ärger um die mögliche Einflussnahme des Innenministers auf die Vergabe von Aufträgen an einen CDU-Politiker. Alles Altlasten aus der Ära seines Amtsvorgängers Bouffier."

Und dabei formuliert die FAZ als konservatives Blatt ausgesprochen zurückhaltend und freundlich. Nicht erwähnt wird die rechtswidrige Ernennung eines CDU-Mitglieds zum Präsidenten der Bereitschaftspolizei durch den damaligen Innenminister Bouffier.

Nicht erwähnt ist die Entlassung des Landespolizeipräsidenten, ebenfalls ein Intimus von Herrn Bouffier. Wir haben auch über das Geschmäckle seiner neuen Arbeitsstelle gesprochen und man fragt sich: Welches Fingerspitzengefühl haben solche Leute, bzw. welches Fingerspitzengefühl lassen sie immer wieder vermissen?

Nicht erwähnt im FAZ-Artikel wird auch der Moloch der Vergabepraxis von Aufträgen bei der Hessischen Polizei. Auch hier wurde mit Alfred Kayser durch Innenminister Bouffier ein CDU-Mann an die Spitze einer Behörde, nämlich des Präsidiums für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) der Polizei, eingestellt.

Das Ergebnis liest sich in der Frankfurter neuen Presse vom 8. September so:

"Um die Hintergründe des Skandals aufzuarbeiten wurde seinerzeit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Es änderte sich nichts. In den Jahren 2005 bis 2008  schrieb der Rechnungshof vernichtende Kritiken: Keine geordnete Aktenführung, gravierende Mängel bei Ausschreibungen und Vergaben, keine nachvollziehbaren Anweisungen über Zahlungsbefugnisse, eine katastrophale Lagerhaltung (…) damals war Bouffier Chef der übergeordneten Innenbehörde. Er hatte das PTLV ins Leben gerufen (…) Zuletzt hatte er den jetzigen Präsidenten ins Amt gehievt."

Wenn Herr Rhein als neuer Innenminister nun sogar drohen muss, das PTLV aufzulösen, weil es offenbar ein einziger Sumpf ist, dann muss im Parlament doch einmal gefragt werden, wer für diesen ganzen Sumpf eigentlich verantwortlich ist?

Hatten wir vor ihnen, Herr Rhein, keinen Innenminister? Wer hat dort die Entscheidungen getroffen? Auch hier fällt der Blick wieder auf ihren Vorgänger im Amt.

Und hier sind wir beim eigentlichen Problem angelangt.

Weil die Regierung auf Gedeih und Verderb ihren Regierungs-Chef stützt und die Regierungsfraktionen auf Gedeih und Verderb die Regierungsmitglieder stützen, sind sie zu der einfachen und ehrlichen Aussage nicht fähig: nämlich dass unser ehemaliger Innenminister einen Haufen Murks angerichtet hat.

Ich sage ihnen, verantwortliche Politiker sind früher wegen weit weniger zurück getreten. In Hessen aber gewöhnt man sich offenbar an diese Zustände.

Dass sowohl die Polizei, als auch das Landeskriminalamt durch langanhaltende öffentliche Skandale ihre Präsidenten verloren haben, ist ein weiteres Problem.

Dass zig Fälle von internem Mobbing nicht behördenintern gelöst werden konnten, sondern erst durch den Druck der Opposition und der Öffentlichkeit angegangen wurden, ist ein Problem.

Dass die Vergabepraxis bei der Polizei und der HZD über Jahre hinweg offensichtlich rechtswidrig war und im vorliegenden Fall der Minister und sein Pressesprecher Einfluss zugunsten eines weiteren CDU-Mitglieds genommen haben, ist ein Problem.

Und dass sich die Regierungsfraktionen immer wieder hinstellen und wahlweise sagen "stimmt nicht" oder "von ihnen lasse ich mir schon gar nichts sagen" ist ein riesiges Problem. Ihre seit Jahren anhaltende Wagenburgmentalität in all diesen Punkten ist eine Mischung aus Realitäts- und Arbeitsverweigerung.

Herr Ministerpräsident wir haben sie nun mehrmals aufgefordert, Stellung zu beziehen, zum Fall Thurau, zum Fall Nedela und zu den Mobbingfällen in der Polizei. Sie haben sich bisher stets verweigert.

Und es reicht nicht wenn sie als langjähriger Verantwortlicher im HR-Sommerinterview zum Fall Thurau einfach sagen: "Ich steig da nicht mehr durch". Es war doch ihre Personalentscheidung, ihre Verantwortung und dies in voller Kenntnis der Vorwürfe, die damals schon auf dem Tisch lagen.

Und wenn im vorliegenden Fall der Regierungssprecher sagt, er sehe sich in der Verantwortung, ja sogar in der Verpflichtung einen CDU-Parteifreund wegen dessen besonderer, ja außergewöhnlicher Qualifikation für einen großen Landesauftrag vorzuschlagen, dann zeigt das wenig Sensibilität und kein Problembewusstsein.

Es ist die Pflicht aller Regierungsmitglieder, in solchen Fällen sehr sorgfältig und zurückhaltend zu sein und sich eben nicht in ein laufendes Vergabeverfahren einzumischen. Wenn der Staatssekretär Bußer im Innenausschuss vorträgt, dies habe er nicht getan, sondern nur eine Empfehlung ausgesprochen, dann halte ich ihnen entgegen, dass sie genau wissen was sie tun.

Sie wissen genau, wie jeder Mensch der bis drei zählen kann, dass nach ihrer Empfehlung des CDU-Mitglieds allein ihr außergewöhnlicher Wunsch nach laufender Unterrichtung des Ministers bei der Vergabestelle seine Wirkung nicht verfehlen wird. Und genau darauf setzten sie!

Dass der zunächst mit fetten Aufträgen versorgte Experte dann anschließend auch noch als Referatsleiter eingestellt wurde, nährt einmal mehr den Verdacht, dass ihnen die Maßstäbe längst verloren gegangen sind.

Herr Ministerpräsident brechen sie endlich ihr Schweigen und übernehmen sie wenigstens die politische Verantwortung für diese Skandale!